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    Diary of the Dead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Diary of the Dead
    Von Julian Unkel

    In den vergangenen Jahren wurde das Horrorgenre in erster Linie von zahllosen Asia-Remakes (Shutter, The Eye) und Folterpornos à la Saw und Hostel dominiert. Doch seit einigen Monaten scheint sich ein neuer Trend abzuzeichnen: Fake Documentarys, in denen den Protagonisten selbst eine Kamera in die Hand gedrückt wird, um die Handlung direkt aus deren Perspektive zu erzählen. Was 1999 beim Blair Witch Project wohl noch aus Budgetgründen geschehen ist, wird in letzter Zeit vermehrt als gezieltes Stilmittel eingesetzt. Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich Cloverfield, in dem ein paar junge New Yorker einen Monsterangriff auf Manhattan mit ihrer Digitalkamera festhalten. Auf den diesjährigen Fantasy Filmfest Nights waren es dann sogar gleich zwei Filme, die diese Erzählform wählten: Der spanische Schocker [REC] und der nach Night Of The Living Dead, Dawn Of The Dead, Day Of The Dead und Land Of The Dead mit Spannung erwartete fünfte Teil der legendären Zombiereihe von Horroraltmeister George A. Romero: „Diary Of The Dead“.

    Von Romero als Neustart der Serie konzipiert, setzt „Diary Of The Dead“ im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die allesamt zumindest indirekt aufeinander aufbauten, wieder am Beginn einer Zombieinvasion an. Eine Gruppe Filmstudenten um Regisseur Jason (Joshua Close) und dessen Freundin Debra (Michelle Morgan) dreht in den Wäldern Pennsylvanias gerade einen Horrorfilm, als im Radio erste Meldungen von wiederauferstehenden Toten ertönen. Während die Invasion der Untoten sich über den gesamten Globus ausbreitet und die Studententruppe versucht, sich bis zu ihren gut 100 Meilen entfernten Familien und Freunden durchzuschlagen, beschließt Jason, angestachelt von der unvollständigen und vertuschenden Berichterstattung der Massenmedien, die schrecklichen Geschehnisse mit seiner Kamera aufzuzeichnen und über das Internet der Allgemeinheit zugänglich zu machen…

    Im Vergleich zu anderen Fake Documentarys unterscheidet sich „Diary Of The Dead“ in einem wesentlichen Punkt: Wo Cloverfield und Konsorten quasi aus „ungeschnittenem Rohmaterial“ bestanden, lässt Romero seine Protagonisten nun einen richtigen Dokumentarfilm drehen. Der Zuschauer bekommt, so die Prämisse des Films, einen von den Charakteren bearbeiteten Zusammenschnitt aus eigenen Aufnahmen, Bildern von Handy- und Überwachungskameras sowie Clips aus dem Internet zu sehen - komplett mit Off-Kommentar, eigener Credit-Sequenz und Hintergrundmusik. Dass die Hauptpersonen allesamt Filmstudenten sind, erlaubt Romero außerdem, dem Film trotz des konzeptionell begrenzten Rahmens eine professionell wirkende Inszenierung zu verpassen, ohne dabei die realistische Atmosphäre des Projekts zu gefährden. Wem das ständige Kameragewackel in Cloverfield Kopfschmerzen bereitete, darf sich freuen: Regisseur Jason hat schließlich an der Uni gelernt, seine Kamera still zu halten.

    Doch auch diese Kniffe ändern nichts daran, dass „Diary Of The Dead“ genauso wie andere Fake Documentarys ein massives Glaubwürdigkeitsproblem hat. Jason betont zwar immer wieder seine Motivation, ein möglichst unverfälschtes Bild der Ereignisse abzuliefern, dass er aber munter filmt, wenn seine Freunde von Untoten bedroht und getötet werden, anstatt die Kamera kurz wegzulegen und einzugreifen, ist dennoch nur schwer zu schlucken. Und seit wann prägt sich eigentlich das Akku-Leer-Symbol direkt auf die Filmdatei ein?

    Wer die Ausgangssituation aber akzeptiert, bekommt von Romero einen sehr unterhaltsamen Zombiestreifen serviert. Die episodenartige Erzählstruktur und die straffe Inszenierung sorgen für einen soliden Spannungsbogen. Ebenfalls finden sich einige gelungene Schockmomente, die dankenswerterweise ohne die üblichen lauten Soundeffekte auskommen. Das Highlight des Films bleiben aber die bisweilen sehr originellen Methoden, mit denen sich die Gruppe (grafisch wie immer sehr explizit, auch wenn die Romero-typischen Ausweidungen dieses Mal Mangelware sind) gegen die Untotenschar verteidigt – sogar Defibrillatoren werden hier als Waffen missbraucht. Die Episode um den stummen Amish Samuel darf sogar zu den besten Sequenzen aller Romerofilme gezählt werden und bekam bei den Fantasy Filmfest Nights gleich mehrfach Szenenapplaus.

    Um die volle kreative Kontrolle über seinen Film zu behalten, entschied sich Romero dazu, „Diary Of The Dead“ über seine Firma Romero-Grundwald Productions selbst zu produzieren und verfügte daher nur über ein vergleichsweise geringes Budget von zwei Millionen Dollar. Bemerkbar macht sich dies aber kaum - gerade die Gore- und Make-Up-Effekte lassen den Film deutlich teurer wirken. Die Hauptrollen wurden mit recht unbekannten Darstellern besetzt, die leider nicht immer überzeugend agieren und dadurch immer wieder die Illusion zerstören, es handele sich um eine echte Dokumentation. Probleme schien hier vor allem der Pittsburgh-Akzent zu bereiten, der bei den größtenteils kanadischen Darstellern recht bemüht daherkommt, wodurch die Dialoge etwas gekünstelt wirken – ein Manko, das in der deutschen Synchronisation noch wegfallen könnte. Wer die Originalfassung sieht, bekommt dafür Cameo-Auftritte von Quentin Tarantino, Guillermo del Toro, Wes Craven, Simon Pegg und Stephen King als Radiosprecher zu hören.

    Wie immer lässt es sich Romero nicht nehmen, seinem Filmen auch sozialkritische Töne beizumischen. Dieses Mal steht der derzeitige Selbstdarstellungswahn auf Blogs und Portalen wie MySpace und YouTube im Vordergrund – ein interessanter Ansatz, der leider aber etwas zu sehr mit dem Holzhammer vorgebracht wird. Doch auch von solchen Schwächen werden sich wahre Horrorfans nicht abschrecken lassen, denn Romero versteht es weiterhin, gutes und spannungsgeladenes Genrekino zu inszenieren – und verleiht ganz nebenbei dem von ihm mitbegründeten und mittlerweile selbst etwas untot wirkenden Zombiegenre neues Leben.

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