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    Dan - Mitten im Leben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Dan - Mitten im Leben
    Von Patrick Becker

    Das Familientreffen. Dieses Wort allein bewirkt bei den meisten Menschen die augenblickliche Aufrichtung sämtlicher Nackenhaare. Wahlweise wegen wohliger Vorfreude - oder nackter Panik. Umringt von lieben Eltern, Geschwistern, Schwägerinnen und Schwägern, Töchtern, Neffen und Nichten ist ein solches Familienchaos sicherlich nicht der ideale Zeitpunkt, um sich ausgerechnet in die Freundin seines Bruders zu verlieben. Doch genau diese Situation ist Ausgangspunkt und Zentrum für die nette, letztlich jedoch ziemlich versüßte Komödie „Dan – Mitten im Leben“ von Regisseur Peter Hedges (Pieces Of April).

    Der erfolgreiche Ratgeber-Kolumnist Dan Burns (Steve Carell) hat selbst nach vier Jahren den tragischen Unfalltod seiner Frau noch nicht überwunden. Seine Traurigkeit unterdrückend, bemüht er sich redlich, seinen drei Töchtern ein guter Vater zu sein. Das ist nicht immer ganz einfach – zumal zwei von dreien sich in der Pubertät befinden und pathologisch das Gegenteil von dem wollen, was Dan gern hätte. Zu allem Überfluss steht das jährliche Familientreffen vor der Tür. Trotz der Tatsache, dass der Haussegen bei den Burns’ gerade wieder alles andere als gerade hängt, macht sich die kleine Familie schlecht gelaunt auf den Weg nach Rhode Island, um die ausnahmslos gut gelaunte große Familie zu treffen. Dort angekommen, bleibt Dans gedrückte Stimmung seiner Mutter (Dianne Wiest) nicht lange verborgen. Deshalb schickt sie Dan kurzerhand ins nahe gelegene Dorf, damit er ein wenig Zeit für sich allein haben kann. Allerdings bleibt er nicht lange allein, denn im örtlichen Buchladen trifft er die ebenso fahrige wie reizende Marie (Juliette Binoche). Bei einem Kaffee kommen sich die beiden näher und entwickeln mehr als nur Interesse füreinander. Als Marie schließlich in ihr Auto steigt, bleibt ein verstörter, aber glücklicher Dan zurück, denn zum ersten Mal seit Jahren öffnet sich sein Herz. Bei seiner Rückkehr nach Hause reagiert sein Bruder dementsprechend ausgelassen – und präsentiert Dan im Überschwang des Augenblicks auch gleich seine neue Flamme: die ebenso reizende wie fahrige Marie! Während das Wochenende seinen turbulenten Lauf nimmt, versuchen Dan und Marie sich angestrengt aus dem Weg zu gehen und ihre wachsende gegenseitige Anziehungskraft zu unterdrücken...

    Steve Carell glänzt in „Dan – Mitten im Leben“ wieder einmal als Grenz-Depressiver, der versucht, einen Sinn in sein geregeltes Leben zu bringen und dabei durchs Chaos taumelt. Durfte er dies in Little Miss Sunshine noch in einer Familie tun, bei der selbst die „Supernanny“ aus den Kufen kippen würde, muss er es hier schaffen, gegen den geballten amerikanischen Familientraum anzuspielen. Da hilft ihm selbst Juliette Binoche wenig, die als europäische Weltenbummlerin in ein geradezu klebriges Familienidyll platzt – und von allen geliebt wird!

    Gut, sie schläft mit einem Bruder, und verliebt sich über Nacht in den anderen... aber das macht ja nichts. Schließlich wird ja von dieser Musterfamilie wirklich alles vergeben, solange man nur gut Pfannkuchen backen kann. Die einzige Reibungsfläche, an der sich tatsächlich einmal so etwas wie Dramatik entwickelt, besteht in der Beziehung zwischen Dan und seiner Tochter Cara (Brittany Robertson). Das Mädchen erlebt ihre erste jugendliche, große Liebe und konfrontiert ihren Vater mit ihrer bedingungslosen Hingabe an dieses Gefühl ständig mit seiner eigenen inneren Leere. Das, und ein paar recht lustige Szenen reichen sicherlich aus für einen netten Kinoabend, aber nicht für ein Erlebnis, das länger nachwirkt, als eine Handvoll tic tac.

    Wie es mit Filmen manchmal so ist, stammt auch die Idee dieser Komödie aus dem wahren Leben. Drehbuchautor Pierce Gardner hat selbst in den vergangenen 18 Jahren größere Familienzusammenkünfte überstanden und war, nach eigenen Angaben jedes Mal fasziniert von der zwischenmenschlichen Dynamik, wenn viele Menschen unter einem Dach wohnen. Gardnet geht der Frage nach, wie die Mitglieder dieses in sich geschlossenen Mikrokosmos reagieren, wenn ein neues Familienmitglied hinzu kommt und alles durcheinander bringt - und bietet dem Zuschauer als Antwort eine traditionelle, typisch amerikanische Komödie, in der sämtliche Familienmitglieder letztlich genau so verständnisvoll reagieren, wie man es bei dieser Familie Burns von Anfang an erwartet. Alle haben sich lieb.

    Es scheint, als wäre die oben genannte „Dynamik“ irgendwie im Trubel ständigen Wir-haben-uns-alle-so-grandios-gern-Umarmungen verloren gegangen, denn Familie Burns benimmt sich manchmal wie eine Horde fröhlicher Sozialpädagogen auf Betriebsreise. Am laufenden Band werden lustige Gruppenspiele gespielt, zusammen Kreuzworträtsel gelöst, unter tobendem Gelächter Charade gehampelt oder gemeinsam Aerobic getanzt. Und zur Krönung gibt es alljährlich ein keines Familienvarieté, bei dem jedes Familienmitglied eine liebevolle kindische Vorstellung zum Besten gibt. Gegen diese Familie sieht jede Waldorfschule aus wie ein Bootcamp im Regen. Nach ein paar Minuten fragt man sich unwillkürlich, ob Dans Depressionen tatsächlich aus dem Tod seiner Frau resultieren oder ob ihm nicht einfach die gruselig liebevolle gute Laune seiner Familie auf das Gemüt schlägt.

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