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    Scanners – Ihre Gedanken können töten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Scanners – Ihre Gedanken können töten
    Von Björn Helbig

    Body Horror – das klingt so einfach und ist doch, wenn man nur tief genug bohrt, ziemlich schwierig. Das Innerste kehrt sich nach außen, Körper platzen, verformen und transformieren sich zu anderer Gestalt. Körperliche Falschheit, Krankheit, Infektionen und Verwandlung sind die Themen dieses Genres, zu deren Initiatoren und Hauptvertretern der kanadische Filmemacher David Cronenberg gehört. Immer wieder werden psychoanalytische und poststrukturalistische Versuche unternommen, die philosophischen Abgründe, die sich durch dieses körperliche Kino auftun, zu ergründen. Auch in „Scanners“ platzt und spritzt es wieder, doch im Vergleich zu seinen Vorgängerfilmen ist dieser recht gradlinig und actionlastig geworden, so dass man ihn für einen typischen Thriller halten könnte, wäre da nicht der eine oder andere explodierende Kopf oder Körper…

    Ein heruntergekommener, offensichtlich psychisch kranker Mann (Stephen Lack) wird in einer Einkaufsmall festgenommen und in eine Forschungseinrichtung gebracht. Dort kümmert sich Dr. Paul Ruth (Patrick McGoohan) um ihn und erklärt dem verstörten jungen Mann, dass er ein so genannter „Scanner“ sei, der in der Lage ist, die Gedanken anderer Menschen zu lesen und zu kontrollieren. Er, Dr. Ruth, könne ihm mit Hilfe des Medikaments Ephemorol allerdings dabei helfen, die Stimmen in seinem Kopf zu unterdrücken und seine Fähigkeiten kontrollierbar zu machen. Cameron Vale, so der Name des Mannes, willigt ein. Alsbald erfährt er mehr über Dr. Ruth und seine Beweggründe. Ruth arbeitet für eine Organisation, für die er die sogenannten Scanner rekrutiert. Diese will sich damit gegen einen anderen, mächtigen Scanner namens Darryl Revok (Michael Ironside) zur Wehr setzen und hofft, in Vale jemanden gefunden zu haben, der stark genug ist, es mit Revok aufzunehmen. Vale wird immer tiefer in ein undurchsichtiges Netz aus Machtspielen und Intrigen hinein gezogen.

    „All right. We're gonna do this the scanner way.” (Revok)

    David Cronenberg hat bereits in den 1970er Jahren angefangen, sich mit Telepathie zu beschäftigen. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung war ein Konzept für einen Film über eine rivalisierende Gruppe von Telepathen, das allerdings in dieser Form niemals umgesetzt wurde. Ende der Siebziger bekam Cronenberg dann aber doch noch Gelegenheit, ein leicht variiertes, durch den deutschen Contergan-Skandal inspiriertes Konzept finanziert zu bekommen. Das Projekt lief unter großem Zeitdruck. Das Drehbuch entstand innerhalb von drei Wochen, für den Dreh standen nur zwei Monate zur Verfügung. Mit über vier Millionen Dollar stand dem Regisseur diesmal das größte Budget seiner bisherigen Karriere zur Verfügung, was bei den Spezialeffekten auch deutlich zu sehen ist: Mit der eindrucksvollen Explosion eines Kopfes schrieb „Scanners“ Filmgeschichte. Ebenso bleibt der fulminante Kampf zwischen Vale und Revok am Ende im Gedächtnis. „Shivers“ und Rabid waren bereits Achtungserfolge, doch mit „Scanners“ gelang es Cronenberg das erste Mal – der mangelnden Vorbereitungszeit zum Trotz – seine Vision auch kommerziell erfolgreich umzusetzen.

    Insgesamt lässt sich Cronenbergs Film am besten als eine Mischung aus Horror- und Science-Fiction-Film, als Spionagegeschichte und Wissenschaftsthriller mit übernatürlichen Elementen bezeichnen. Das Thema des Films, die telepathisch veranlagten Menschen, die Kraft ihres Geistes andere Menschen beeinflussen können, erinnert an Brian de Palmas „Carrie“ (1976) und „Teufelskreis Alpha“ (1978) sowie Mark L. Lesters „Feuerteufel“ (1984), von denen zwei auf Werke Stephen Kings zurückgehen. Als innovativ wurde Cronenbergs Idee zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung also nicht mehr wahrgenommen, was auch einen Teil der nur mäßig begeisterten Kritiken zu der Zeit erklärt. Doch ging es Cronenberg wohl auch nicht darum, dem Publikum etwas völlig Neues zu zeigen, sondern vielmehr darum, ein Szenario zu entwerfen, in dem sich seine Ideen ausformulieren lassen. Vordergründing ist es eine sich gegen den Menschen wendende Wissenschaft und dessen damit verbundene Transformation. Wenn Roger Ebert schreibt, „Scanners is a new horror film made with enough craft and skill that it could have been very good, if it could find a way to make us care about it”, trifft er wohl am ehesten den Punkt, warum man als Zuschauer nicht leicht einen Zugang zu dem Film bekommt. Die Atmosphäre in „Scanners” ist durchweg kühl, unpersönlich und der Zuschauer findet auch keine Figuren, mit denen er sympathisieren oder sich identifizieren kann. Die moderne Architektur ist aus Glas, Stahl oder Beton und untermalt den Eindruck des Gefühllosen und Unpersönlichen. Doch man sollte den Mangel an Identifikationsfiguren nicht als dramaturgischen Fehler interpretieren. Es ist Bestandteil des künstlerischen Konzepts.

    „I'm gonna suck your brain dry!” (Revok)

    Body Horror – den findet man in der Literatur zum Beispiel in Franz Kafkas „Die Verwandlung“, in vielen Kurzgeschichten Clive Barkers oder William S. Burroughs „Naked Lunch“; im Film lassen sich neben zahlreichen Arbeiten David Cronenbergs auch Shinya Tsukamotos „Tetsuo: The Iron Man“, John Carpenters Das Ding oder Ridley Scotts Alien dazu zählen. Viel ist über diese Richtung geschrieben worden, mitunter Erhellendes, doch ebenso zahlreich sind die postmodernen Analysen an deren Ende wirre Texte und mehr Fragen als Antworten stehen. Vielleicht muss man gar nicht so tief bohren. Zwar finden sich auch in „Scanners“ die typischen Cronenbergschen Motive, die sich durch das gesamte Schaffen des Kanadiers ziehen und zum Nachdenken reizen; hier sind es noch die körperlichen Transformationsszenarien einer der grenzenlosen Wissenschaft ausgelieferten Welt, die Veränderung des menschlichen Körpers, seine Verschmelzung mit der Maschine, die später dann in Die Fliege in die Fusion mit anderen Lebensformen oder auch in den Übergang zu neuen Existenzformen wie im Falle von Videodrome übergehen wird. Später wird Cronenberg dann immer weiter ausformulieren und bei seinen „Forschungen“ nicht mehr nur den menschlichen Körper, sondern ebenso dessen Geist umgestalten. Aber vielleicht muss das Ganze auch nicht zu Tode analysiert werden, und es wäre besser, das eigentlich gar nicht nützliche Wort „Body Horror“ zu vergessen und „Scanners“ einfach als spannenden, stark inszenierten Telepathen-Thriller mit einigen raffinierten Ideen zu sehen. Denn so hat man vermutlich mehr von dem Film.

    „Scanners“ hatte mehrere Sequels und Spin-offs. Für 2009 ist zudem ein Remake durch Regisseur Darren Lynn Bousman (Saw 2, Saw 3, Saw 4) und Autor David S. Goyer (Batman Begins, Jumper) geplant.

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