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    Falco
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Falco
    Von Christian Schön

    „Ich lebe nur einmal. Und so wie ich lebe, ist einmal auch genug.“ (Falco)

    Dieses eine Leben bietet fraglos genug Stoff, um es zehn Jahre nach dem Tod des bis dato erfolgreichsten österreichischen Pop-Stars auf der Leinwand zu verewigen. Das bislang einmalige Ereignis, als deutschsprachiger Künstler mit „Rock Me Amadeus“ auf Platz 1 der amerikanischen Billboard-Charts zu landen, besiegelte früh den Mythos „Falco“. Der große Ruhm, der umstrittene Lebenswandel und der frühe, tragische Unfall-Tod des Künstlers üben einen enormen Druck auf jede potentielle Kino-Biographie aus, da die Erwartungshaltung der Fans entsprechend hoch anzusiedeln ist. Der behutsame Umgang von Regisseur Thomas Roth mit dem sauber gestanzten Bild des Enfant terribles, das er in ein fiktives Drama umwandelt, bewahrt ihn jedoch vor allzu kitschigen Klischees. In „Falco – Verdammt, wir leben noch!“ verbinden sich sowohl die emotionalen und komischen, als auch die authentischen Aspekte der Künstlerbiographie zu einem bunten Leinwand-Kaleidoskop.

    Bereits in jungen Jahren gilt der kleine Hans Hölzel als musikalisches Wunderkind, dessen einziger Traum es ist, Pop-Star zu werden. Nach der Scheidung der Eltern konzentriert sich Mutter Maria (Susi Stach) voll und ganz auf ihren begabten Sohn. Seine ersten Bühnenerfahrungen sammelt Hölzel (Manuel Rubey) als Background-Sänger der Bands „Drahdiwaberl“ und „Hallucination Company“. Schließlich bekommt Hans die Chance, einen eigenen Song zu präsentieren. Hierfür erfindet er eine exzentrische Bühnenpersönlichkeit, für die er den Namen ‚Falco’ wählt. Zufällig ist auch der Plattenboss Markus Spiegel (Nicholas Ofczarek) anwesend, der Falco sofort unter Vertrag nimmt. Als die erste Single fertig ist und vermarktet werden soll, wird zudem der Manager Horst Bork (Christian Tramitz) mit an Bord geholt. Nach ersten Erfolge lernt Falco bei einem Benefizkonzert die hübsche Jacqueline (Patricia Aulitzky) kennen. Aus der flüchtigen Begegnung wird schnell eine handfeste Beziehung, die sich durch Jacquelines Schwangerschaft noch weiter vertieft. Falcos Karriere geht stetig bergauf und bergab, was sich auch auf sein Privatleben auswirkt. Die Krisen mehren sich und Falco flüchtet sich immer häufiger in Alkohol- und Drogenexzesse…

    Der Vergleich zwischen dem Leinwand-Falco und dem echten Falco ist weder ratsam noch gerechtfertigt. Wagt man ihn dennoch, muss man feststellen, dass an Newcomer Manuel Rubey ( Jump!) sicherlich kein Pop-Star von Falcos Kaliber verloren gegangen ist: Bühnenpräsenz, Choreographie und Stimmgewalt stehen in keinem Verhältnis zum Original. Dies fällt zunehmend stärker auf, wenn Falcos Karriere im Film fortschreitet. Die Souveränität der Rampensau Falco perfekt zu imitieren, gelingt dem noch sehr unerfahrenen Jungschauspieler nur selten. Dennoch schafft er es, einen Charakter zu erzeugen, der nach nur wenigen Filmminuten absolut glaubwürdig erscheint. Dieser überzeugt umso mehr, da der Hauptakzent des Films ohnehin auf dem zerbrechlicher wirkenden Hans Hölzel und weniger auf dessen taffen Alter-Ego Falco liegt. Auch bei den von Rubey neu eingesungenen Liedern ist eine charakteristische Note in seiner Stimme festzustellen, die auf den Verlauf des Films authentisch wirkt. Jenseits dieser Qualitäten – beziehungsweise Mängel – muss jedoch festgestellt werden, dass „Falco – Verdammt, wir leben noch!“ den Vergleich mit dem Original gar nicht antreten will. Ziel des Films ist es vielmehr, eine stimmige Geschichte mit einem gut funktionierenden Spannungsbogen zu erzählen. Das hervorragende Drehbuch aus der Feder des Regisseurs Thomas Roth wird dieser Zielsetzung voll und ganz gerecht.

    Sicherlich kann man dem Film vorwerfen, dass unterm Strich eine leicht romantisierende Sicht auf den Sänger geworfen wird. Doch liegt gerade hierin auch eine Stärke: Statt bekannte Fakten einfach nur nachzuerzählen, kann so filmisch Relevantes in den Vordergrund gestellt werden. Eine ähnliche Strategie verfolgten zuletzt auch die Biopics Control, der „Falco“ in diesem Punkt am nächsten kommt, und Gus van Sants Last Days. Durch den relativ ungebundenen Umgang mit seinem „Material“ gewinnt Roth die Freiheit, einzelne Figuren dramaturgisch so zu gestalten, dass sie sich möglichst gut in die Handlung einpassen. In diesen freigeistigen Rahmen fallen auch die geschliffenen Dialoge, die absolut das Beste sind, was das Drehbuch zu bieten hat: Wortwitz, Situationskomik und vor allem die knallharten Sprüche von Falco in der ersten Hälfte des Films suchen Ihresgleichen. Erst gegen Ende nimmt die Dichte an Kalauern ab, was jedoch am tragischen Verlauf der Geschichte liegt.

    Die Regie von „Falco – Verdammt wir leben noch!“ wurde Thomas Roth („Kalieber Deluxe“, „Blutrausch“) anvertraut. Diese Wahl mag auf den ersten Blick erstaunen, da sich Roth vor allem als Fernsehregisseur („Tatort“, „Geliebte Diebin“) gemacht hat. Seine wenigen Arbeiten für die große Leinwand waren eher von mäßigem Erfolg gekrönt. Gemessen an seiner bisherigen Karriere, ist Roths Neuling ein klarer Ausreißer nach oben. Der Anspruch, mit dem Roth an die Sache geht, zeigt sich bereits an einer der Eingangsszenen. Man sieht den jungen Hans Hölzel bei einem Weihnachtskonzert am Klavier sitzen. Er spielt, untypisch für den Anlass, Johann Strauss’ Walzer ‚Die blaue Donau’. Bezieht man die rotierende Kamerabewegung in die Betrachtung mit ein, ergibt sich daraus ein geschickt platziertes Filmzitat. Das Stück von Strauss ist seit Stanley Kubricks 2001 - Odyssee im Weltraum unvergesslich mit dem Film assoziiert. Diese beiden Tatsachen macht sich Roth zunutze und lässt die Kamera wie in „2001“ langsam um die eigene Achse drehen, während sie in die Szene einführt. Solche beschwingten, kreisförmigen Kamerabewegungen begleiten die kompletten Jugendjahre von Falco, während die Bildführung in den späteren Sequenzen eher statische Formen annimmt.

    Thomas Roth ist vor seiner Arbeit an diesem Projekt dem realen Falco lediglich zweimal kurz begegnet. Eine dieser Begegnungen fand bei einem Konzert statt, das Roth damals als Verantwortlicher aufzeichnete. Weniger von Bedeutung ist hierbei, dass Roth Falco begegnet ist. Viel wichtiger ist, dass er schon Erfahrung beim Filmen von Konzertveranstaltungen sammeln konnte. Dies ist deutlich spürbar, wenn man sich die zahlreichen, nachgestellten Auftritte Falcos auf großen Bühnen im Film ansieht. Mit viel Gefühl fürs Wesentliche entsteht eine authentische Atmosphäre, als sähe man professionelle Mitschnitte aus der jeweiligen Zeit. Aufgrund dieser Qualität sind die bisweilen deutlich erkennbaren Montagen leicht zu verzeihen. Gerade den Auftritt beim legendären „10. Donauinselfestival“, bei dem Falco bei strömenden Regen vor 100. 000 Zuschauern auftrat, waren nur schwer nachzustellen. Roth standen für die nachgedrehten Konzertszenen gerade einmal 400 Komparsen zur Verfügung, den Rest fügte er am digitalen Schneidetisch aus Archivaufnahmen hinzu. Das Ergebnis ist zwar überzeugend, aber nicht ganz auf der Höhe des technisch Machbaren.

    Solche Kleinigkeiten, die vor allem aus Kostengründen nicht bis zur Vollendung perfektioniert werden konnten, weiß der Film insbesondere durch die Ausstattung zu kompensieren. Wo jeder Computer versagen würde, versetzen die Macher den Zuschauer mit viel Liebe zum Detail in die 70er und frühen 80er Jahre zurück. Von der Tapete über Lampen, Couchgarnituren, Kleidung bis hin zu Aschenbechern – alles scheint die letzten dreißig Jahre überdauert zu haben. Sogar einzelne Fernsehsendungen wurden im Stil der Zeit nachgedreht, um Pressereaktionen oder eine Viva-Ansage zu neuem Leben zu erwecken. Am Ende wird aus all diesen Einzelposten eine der größten Produktionen, die in Österreich je entstanden ist. Man möchte fast mutmaßen, dass die Ösis bei ihrem großen Weltstar, der zu Lebzeiten in guter österreichischer Manier regelmäßig verleugnet und verstoßenen wurde, Wiedergutmachung leisten wollen.

    Innovativ zeigt sich Roth auch beim Umgang mit den Musikvideos, die den meisten Fans geläufig sein dürften. Da diese zur Bildung der Ikone „Falco“ maßgeblich beitrugen, durften sie im Film natürlich auf keinen Fall fehlen. Um der Gefahr zu entgehen, dass die Clips wie Fremdkörper wirken, ließ Roth kurzerhand markante Elemente im Stil des restlichen Films nachdrehen, um sie stimmig ins Gesamtbild integrieren zu können. Rhythmisch strukturiert wird Letzteres durch wiederholte Einspielungen von Szenen der letzten Stunde Falcos, die am Originalschauplatz aufgenommen wurden. Gleich zu Beginn schildert die Kellnerin (Kult-Star Grace Jones) einer Bar in der Dominikanischen Republik eindringlich den Unfallhergang, bei dem Falco ums Leben kam. Die farbenfrohe Urlaubsinsel steht zudem als pars pro toto für die Ästhetik, die den Film durchzieht. Passend zu einer Pop-Legende wurde insgesamt viel Wert auf Style und „poppige“ Farben gelegt. Der Film bekommt dadurch einen romantischen Anstrich, der aber zum Gesamtkonzept passt.

    Thomas Roths „Falco – Verdammt, wir leben noch!“ konzentriert sich insgesamt mehr auf die Darstellung der Privatperson Falco. Dabei vernachlässigt er die wichtigen Stationen des Musikers aber nicht und findet eine originelle Form, um sie in den Film zu integrieren, ohne dass sie diesen beherrschen. Gerade weil ein eher charmantes, liebenswertes Bild des Künstlers Falco gezeichnet wird, das sich nur bedingt mit dem deckt, was gemeinhin von der Realperson Falco bekannt ist, ist ein extrem kurzweiliges Filmportrait der besonderen Art entstanden.

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