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    The Fog – Nebel des Grauens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Fog – Nebel des Grauens
    Von Jonas Reinartz

    „I'm pretty happy with who I am. I like myself and what I'm doing. I don't need to be the world's greatest director or the most famous - or the richest. I don't need to make a whole lot of great films. I can do my job and I can do it pretty well. This is the realization I've come to, later in life. It's called growing up.“ (John Carpenter)

    Treffender hätte dieser Film wohl kaum eröffnet werden können: Kurz vor Mitternacht erzählt ein alter Seebär einer Schar Kinder an einem Lagerfeuer gekonnt eine schaurige Geistergeschichte. Gebannt lauschen sie seiner Erzählung und beginnen, sich zu ängstigen. Im Grunde macht „The Fog – Nebel des Grauens“ mit seinem Publikum nichts wesentlich anderes, denn Regisseur John Carpenter beweist auch hier sein Talent für geradlinig erzähltes, betont altmodisches Horror-Kino. Man mag über seine letzten Kino-Ausflüge (Flucht aus L.A., „Vampire“, „Ghosts Of Mars) geteilter Meinung sein oder angesichts der bemerkenswerten „Masters Of Horror“-Episode Cigarette Burns glauben, wieder mehr von ihm erwarten zu können, doch gerade in den Anfängen seiner Karriere vermochte er es zweifellos, trotz kurzer Drehzeiten und geringer Budgets formal brillante, packende Lehrstunden in punkto Spannungserzeugung abzuliefern. Bei „The Fog“, der 1980 auf den Genre-Klassiker Halloween und die beiden TV-Filme „Someone’s Watching Over Me“ und „Elvis“ (!) folgte, gab es allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Sowohl der Filmemacher als auch das Studio waren mit dem Film über die Rache untoter Matrosen, der die drei Scream Queens Jamie Lee Curtis, Janet Leigh und Adrienne Barbeau vereinte, aufgrund zu geringer Länge und mangelnder Spannung nicht zufrieden, so dass es einen Monat vor Kinostart noch zu umfangreichen und stressreichen Nachdrehs kam. Erstaunlicherweise ist dies dem Endprodukt kaum anzusehen, das inzwischen zu Recht einen gewissen Kultstatus genießt und trotz recht blasser Figuren und weiterhin zu kurzer Laufzeit nicht zuletzt dank seiner Atmosphäre immer noch zu beeindrucken weiß und wohligen Grusel bereitet.

    Kurz vor der Feier ihres hundertjährigen Bestehens wird die scheinbare Idylle des kalifornischen Küstenortes Antonio Bay empfindlich gestört. Es kommt zu mysteriösen Ereignissen: Pünktlich zur Geisterstunde hupen Autos von selbst, Benzin läuft aus den Zapfsäulen, Telefone klingeln wie verrückt und ein unheimlicher Nebel zieht auf. Offensichtlich hängt dies alles mit einer verhängnisvollen Begebenheit zusammen, die die Gründung der Stadt erst ermöglichte. Einst wurden aus Geldgier dem Schiff „Elizabeth Dane“, dessen reicher Kapitän Blake beabsichtigte, eine Lepra-Kolonie zu gründen, absichtlich falsche Leuchtturmsignale gesendet, so dass es in den Fluten des Meeres versank und alle Besatzungsmitglieder den Tod fanden. Der Geistliche des Ortes, Father Malone (Hal Holbrook, Dirty Harry 2, Into The Wild), erfährt dies aus den Aufzeichnungen seines Großvaters. Indes trifft die unbedarfte Tramperin Elizabeth (Jamie Lee Curtis, Ein Fisch namens Wanda, True Lies) auf den Trucker Nick Castle (Tom Atkins, Lethal Weapon), der sie in seinem Wagen mitnimmt und schließlich einen One-Night-Stand mit ihr verbringt. Am nächsten Morgen stellt Nick fest, dass der Fischkutter „Sea Grass“, auf dem ein Freund von ihm arbeitet, in der Nacht zuvor verschwunden ist. An Bord des bald wieder aufgefundenen Schiffes bietet sich ein schrecklicher Anblick…

    Unter den charakteristischen Merkmalen der Filme von John Carpenter ist es vor allem die Musik, die seine spezielle Handschrift ausmacht. Dies realisierte selbst Ennio Morricone, als er für Das Ding aus einer anderen Welt seinen eigenen Stil radikal änderte und einen für ihn völlig untypischen Synthesizer-Soundtrack schuf. Carpenters minimalistischer Score ist geradezu symptomatisch für sein filmisches Schaffen, da ihr jeglicher Bombast oder Pathos fehlt. Die eingängigen Hauptmotive besitzen fast immer Ohrwurmqualitäten und lassen zusammen mit den einprägsamen Rhythmen eine hypnotische Wirkung entstehen, der sich der Zuschauer nur schwer entziehen kann. Obwohl bei den Nachdrehs auch diverse explizite Schockeffekte entstanden, ist „The Fog“ vor allem ein Film der Andeutungen, dem seine sorgfältig entwickelte Atmosphäre wichtiger als blutrünstige Momente ist. Es dauert lange, bis die Geister der toten Seefahrer überhaupt in Gänze zu sehen sind. Einzelne Körperteile, pochende Hände an den Türen der Opfer, Silhouetten, das Stapfen nasser Stiefel und rot glühende Augen sind mehr als ausreichend, um die lauernde Gefahr darzustellen. Brutalitäten spielen sich weitestgehend im Dunkeln ab, wobei diese Momente ihre Effektivität ohnehin eher durch präzises Sounddesign als prominent platzierte Blutspritzer erreichen. Der titelgebende Nebel, omnipräsent und scheinbar unaufhaltsam, erscheint dank geschickter Ausleuchtung tatsächlich als todbringende Macht und nicht wie ein simpler Spezialeffekt. Überhaupt fängt Kamermann Dean Cundey das Geschehen hervorragend ein, wobei er das Breitwand-Format bis in den letzten Winkel ausnutzt - nach „Low Budget“ sieht hier wirklich nichts aus. So wirken selbst Alltagsszenen, wie eine simple Autofahrt an der Küste, optisch äußerst beeindruckend.

    Reizvoll ist zudem die Hintergrundgeschichte, da man den Untoten, so grausam sie auch sein mögen, doch ein gewisses Verständnis entgegenbringt. So verbirgt sich hinter der klassischen Spukgeschichte auch ein typisch amerikanisches Dilemma, das in ähnlicher Form noch deutlicher in Stanley Kubricks Stephen-King-Adaption Shining, in dem das Unheil von einem verfluchten Indianer-Friedhof ausgeht, thematisiert wurde. Die Geister der Vergangenheit erwachen sprichwörtlich zum Leben, da sie auf dem Pfad zum erhofften Wohlstand (sprich: bei der Verwirklichung des Amerikanischen Traums) im Weg standen und deshalb beiseite geschafft wurden. Vertieft wird dieses Thema nicht, eine allzu aufdringliche Moral hätte jedoch aufgesetzt gewirkt und dürfte daher wohl auch von niemandem ernsthaft vermisst werden. Insgesamt handelt es sich bei der präsentierten Mythologie, im Prolog gänsehauterzeugend geschildert, um eine stimmige Variante der Geisterschiff-Thematik. Spätestens seit Richard Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ aus dem Jahre 1843 über einen Kapitän, der das Kap der guten Hoffnung vergeblich zu umrunden versucht und schließlich aufgrund seiner Gotteslästerung dazu verdammt wird, bis in alle Ewigkeit über die Weltmeere zu segeln, ist diese weltbekannt. Geschickt wird sie mit Carpenters Faszination für das gesichtslose, in Massen auftretende Böse, das der Regisseur seit Assault – Anschlag bei Nacht immer wieder in sein Œuvre einfließen lässt, vermischt und trägt so erheblich zum Gelingen des Films bei. Ein merkliches Manko stellt leider die zu geringe Laufzeit dar, denn gen Ende entwickeln sich die Dinge zu rasch und der angenehm bedächtige und langsame Spannungsaufbau läuft ein wenig ins Leere. Die letzte Einstellung sorgt indes für ein effektvolles – wenn auch vorhersehbares - Ende, das in der Erinnerung haften bleibt.

    Bei der Besetzung hat Carpenter wie so oft ein glückliches Händchen bewiesen. Schon zuvor war ihm ein genialer Coup gelungen, als er im deutlich von Alfred Hitchcock beeinflussten „Halloween“ ausgerechnet Jamie Lee Curtis besetzte – immerhin ist Curtis die Tochter jener Janet Leigh, die in Psycho den wohl bekanntesten Leinwandtot aller Zeiten starb. In „The Fog“ wird dieser cineastische Insider-Joke noch weiter auf die Spitze getrieben, denn nun steht das Scream-Queen-Mutter-Tochter-Gespann gemeinsam vor der Kamera, wenn auch beide leider keine gemeinsame Szene haben. Auch bei der Namensgebung der Figuren finden sich charmante Anspielungen: Beispielsweise heißt der Trucker in „The Fog“ Nick Castle, während es in „Halloween“ noch der Darsteller Nick Castle war, der Michael Myers verkörperte. Dies sind Einfälle eines wahren Filmgeeks, dem man die Freude an seiner Arbeit stets anmerkt. Ein wenig problematisch ist allerdings die Tatsache, dass Curtis’ Rolle doch sehr dürftig gezeichnet ist. Nach einer äußerst knappen Einführung landet sie mit dem routinierten Tom Atkins im Bett und weicht ihm daraufhin nicht mehr von der Seite. Wesentlich besser schneiden die natürliche Adrienne Barbeau (Die Klapperschlange), der immerhin etwas Interaktion mit ihrem sympathischen Filmsohn Andy (Ty Mitchell) zugestanden wird, und Hal Holbrook ab, wobei letzterer die Last, die er aufgrund der Taten der Stadtgründer zu spüren vermeint, subtil herausschält. Holbrooks Assistent wird übrigens von niemand geringerem als Regisseur Carpenter in einem Cameo höchstpersönlich dargestellt.

    Wer ein Faible für klassischen Grusel besitzt, wird mit „The Fog“ bestens bedient. Hier findet sich Carpenter in Reinkultur, was bedeutet, dass dem Zuschauer eine packende Geschichte, präzise inszenierte Spannungsmomente, solide Darstellerleistungen und ein kultiger Soundtrack geboten werden. Vor allem der Vergleich mit dem misslungenen Remake aus dem Jahre 2005 macht die Stärken des Originals - sieht man einmal von kleineren Schwachpunkten ab - mehr als evident. Liebevolles und handgemachtes Horrorkino ist eben auch in der heutigen Zeit noch weitaus effektiver als so manch teures Spektakel voller CGI-Effekte.

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