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    Heute im TV: An diesem surrealen Abenteuer-Epos arbeitete Johnny Depp mehrere Monate – und ist trotzdem keine Sekunde zu sehen!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Mehrere Jahrzehnte Wartezeit sowie viel Schweiß und Tränen sind in „The Man Who Killed Don Quixote“ geflossen. Doch die Entstehungsgeschichte dieses surrealen Abenteuers ist viel interessanter, als das was es am 17. Dezember im Free-TV zu sehen gibt.

    Der anarchische Regisseur Terry Gilliam bescherte der Kinowelt zahlreiche fantasievolle, visuell überbordende Filme – vom kindlich-wahnsinnigen „Time Bandits“ bis zum beklemmend-finsteren „12 Monkeys“. Doch Gilliam ist nicht nur ein einfallsreicher Träumer, sondern auch ein ausgesprochener Unglücksvogel: Zahlreiche seiner Projekte wurden durch unvorhersehbare Rückschläge gewaltig durcheinander gewirbelt. Man denke nur an „Das Kabinett des Doktor Parnassus“, dessen Hauptdarsteller Heath Ledger während der Produktion gestorben ist.

    Wohl kein Film fasst die Persona, Vita und Filmografie Gilliam besser zusammen als „The Man Who Killed Don Quixote. Die Entwicklung des surrealen Meta-Kommentars auf den weltberühmten Roman von Miguel de Cervantes begann 1989. Elf Jahre später stand Johnny Depp für das rauschhafte Abenteuer vor der Kamera, 18 weitere Jahre später kam der Film endlich ins Kino. Aber vollkommen ohne Depp! Heute, am 17. Dezember 2022, feiert „The Man Who Killed Don Quixote“ seine deutsche Free-TV-Premiere – und zwar ab 20.15 Uhr bei Tele 5!

    Sehenswerter ist allerdings die Dokumentation „He Dreams Of Giants“, in der Gilliams langer, steiniger Weg zur Fertigstellung seines Herzensprojekts nachgezeichnet wird. Zudem geht es um seine massiv wachsenden Selbstzweifel. Sowohl bezüglich seines Könnens generell als auch hinsichtlich dieses Films im Speziellen, der laut Gilliam nichts anderes werden kann als eine Enttäuschung. Leider lag er damit richtig...

    » "He Dreams Of Giants" bei Prime Video*

    Eine lange Leidensgeschichte, die vermeidbar war

    Toby (Adam Driver) ist ein arroganter und zugleich abgestumpfter Werberegisseur, der für seinen neusten Clip nach Spanien reist. Dort drehte er vor Jahren einen Film über den legendären sowie verwirrten Don Quixote. Wie Toby vor Ort auf drastische Weise erfahren muss, hatte sein Werk tragische Auswirkungen auf die Leben der Bevölkerung eines kleinen Dorfes. Beispielsweise hält sich der alte Schuhmacher (Jonathan Pryce), der in Tobys Film Don Quixote spielte, seither für die legendäre Romanfigur.

    Die damalige Nebendarstellerin Angelica (Joana Ribeiro) ist derweil zur willenlosen Geliebten des russischen Oligarchen Alexei Mjiskin (Jordi Mollà) geworden. Toby versucht, seine Taten von damals wieder gutzumachen und privat wie beruflich zurück in die Spur zu finden. Jedoch sieht es ganz so aus, als würde er genauso abdrehen wie einst der Schuhmacher oder die unvergleichliche Figur des gegen Windmühlen kämpfenden Ritters...

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    Der Volksspruch „Was lange währt, wird endlich gut“ hat sich im Falle von „The Man Who Killed Don Quixote“ nicht bewahrheitet. Zwar lassen sich in dem farbintensiven Abenteuer, in dem für Werbemacher Toby Fakt und Fiktion verschwimmen, einige atemberaubende Bilder finden. Und wie Tobys Reise Parallelen zum literarischen Meilenstein „Don Quijote“ sowie zu Gilliams Leidensweg entwickelt, weist für's geneigte Publikum durchaus spannende Momente auf.

    Dennoch bricht der Film unter dem Gewicht seiner Erwartungen schürenden, unerträglich langen Entstehungsgeschichte zusammen. Gilliams nachlassende Gesundheit, ermüdendes Vorstellungsvermögen und seine eigene, wachsende Unlust am Schaffensprozess werden auch nicht geholfen haben. Wie er in „He Dreams Of Giants“ erklärt, betrachtete der Regisseur „The Man Who Killed Don Quixote“ zuletzt bloß noch als Krankheit, die er überkommen muss.

    An dieser Stelle die gesamte „The Man Who Killed Don Quixote“-Krankenakte abzubilden, wäre ein Ding der Unmöglichkeit, schließlich nahm alles 1989 seinen Anfang: Gilliam las in diesem Jahr erstmals „Don Quixote“ und spann sich eine lose Adaption zusammen, da er sich im Guten wie im Schlechten mit dem Titelhelden identifizieren konnte. Hätte Gilliam nur geahnt, dass er somit seinen eigenen, nahezu endlosen Kampf gegen Windmühlen beginnen sollte...

    Innerhalb weniger Monate sicherte sich das „Monty Phyton“-Mitglied einen Deal, um seine Interpretation des wahnhaft-traumtänzerischen Ritters auf die Leinwand zu bringen. Jedoch fand Gilliam weder Gefallen an den Besetzungswünschen des Studios, das Sean Connery für die Titelrolle gewinnen wollte, noch fühlte er sich mit dem ihm versprochenen Budget von 20 Millionen Dollar genügend gewürdigt. Der Regisseur brach die Filmentwicklung während der Planungsphase Ende der 80er Jahre ab – 28 Jahre später bezeichnete er dies reuevoll als Fehler.

    Hochwasser, Krebs und Rechtsstreit

    Ende der 1990er-Jahre bewegte sich Gilliams Traumprojekt mit großen Schritten erneut raus aus der Welt der Luftschlösser: Von „Fear And Loathing In Las Vegas“ beflügelt, machte der Regisseur Johnny Depp zum Star des Films. Er sollte den ambitionierten, jedoch verblendeten Toby spielen, der an der Seite der Leinwandlegende Jean Rochefort in ein verwirrendes, Zeitebenen vermischendes Abenteuer gesogen wird. Mit einem Budget von rund 32 Millionen Dollar sollte „The Man Who Killed Don Quixote“ zu einem der bis dahin größten Filmprojekte in der Geschichte Kontinentaleuropas werden.

    Doch als im September 2000 nach langer Planungsphase endlich die erste Klappe fiel, folgte eine regelrechte Parade der Rückschläge. Eine Sturzflut zerstörte einen Großteil des Equipments. Rochefort, der extra für den Film die englische Sprache erlernte, erlitt einen schweren Bandscheibenvorfall. Man drehte erst einmal ohne ihn weiter, entwickelte aber Zweifel daran, ob das mit Depp gefilmte Material je genutzt werden könnte. Die Rechte am Film fielen alsbald in die Hände einer deutschen Versicherungsgesellschaft, die die Arbeiten stoppte.

    Lost In La Mancha“, eine Dokumentation über das Projekt, sollte Verständnis für Gilliams Lage generieren, stattdessen erschwerte sie es ihm, Geld für einen Neuanlauf an Land zu ziehen. Depp versprach zunächst, er würde zurückkehren, sollte Gilliam die Arbeit am Film je fortführen, musste ihn jedoch mehrmals aufgrund terminlicher Konflikte vertrösten und verlor letztlich das Interesse. Gilliam angelte sich daher Ewan McGregor als Depp-Ersatz, während Robert Duvall als Ersatz für Rochefort besetzt wurde – bevor auch er aus dem Projekt ausschied.

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    Als nächstes fiel die Wahl auf John Hurt, der allerdings kurz vor geplantem Drehbeginn eine Krebsdiagnose erhielt und sich zurückziehen musste. Manche kurz zuvor gewonnenen Finanziers stiegen wieder aus, so dass Gilliam erneut Klinken putzen musste. 2016 hatte er Erfolg: Nachdem er sich ein Budget von 16 Millionen Dollar sicherte, ging hastig ein Kompromiss seiner einstigen, nach monatelangen Dreharbeiten schreienden Vision in Produktion – nun mit Adam Driver als Ersatz für den Depp ersetzenden Ewan McGregor und mit Jonathan Pryce, der einst für eine kleine Nebenrolle besetzt wurde, als Co-Hauptdarsteller.

    Ende gut, alles gut? Leider nicht: Während der Post-Produktion kam es zu einem komplizierten Rechtsstreit zwischen Gilliam und Produzent Paulo Branco, der die Veröffentlichung des Films verhindern wollte. Und kurz vor der Weltpremiere im Rahmen der Filmfestspiele von Cannes 2018 erlitt Gilliam einen Aufsehen erregenden, medizinischen Zwischenfall, der in den Medien zwischenzeitlich und fälschlich als Schlaganfall vermeldet wurde.

    Nach all dem kann man es kaum übers Herz bringen, „The Man Who Killed Don Quixote“ für seine konfuse, träge Erzählweise und seinen mangelnden Biss zu kritisieren. Einigen wir uns lieber auf folgendes: Schön, dass Gilliam ihn hinter sich gebracht hat.

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