Machen wir es erst mal kurz: Wer zur Generation Popcorn-Action-Kino gehört, für den die Filmschnitte nicht schnell genug sein können, die Kamera am besten kontinuierliche wilde Achterbahnfahrten per Steady-Cam macht und der inhaltliches Knall-Peng-Bumm in Dauerberieselung benötigt, der sollte hier einfach aufhören zu lesen und sich einen anderen Film suchen.
Wer dagegen Ridley Scotts "Blade Runner" von 1982 als Meilenstein cineastischer Science-Fiction-Handwerkskunst ansieht, dem sei gesagt: Denis Villeneuve hat es als erster Regisseur nach fast vier Jahrzehnten geschafft, ein ebenbürdiges Meisterwerk abzuliefern! Settings, Kostüme, Licht, Bildsprache, Geschichte -hier stimmt einfach alles. Greig Frasers Kamera fängt all das in unfassbar schönen Bildern ein (selten war die Oscarfrage für die "beste Kamera" so klar wie dieses Jahr!). Untermalt von Hans Zimmers fulminanter Klangkulisse erzeugt der Film von der ersten Sekunde an eine geradezu suggestiv dichte audiovisuelle Atmosphäre.
Und es ist eine Wohltat, dass sich der Regisseur auch die Zeit lässt, seinen Film auszuerzählen: Zweieinhalb Stunden lang entfaltet sich die komplexe Geschichte der politischen Streitigkeiten zwischen den Häusern Harkonnen und Atreidis um den Planeten Arrakis. Arrakis ist zwar ein lebensfeindlicher, sonnenstarrender Wüstenplanet, beherbergt aber mit dem sogenannten "Spice" die kostbarste Substanz des ganzen Universums. Spice ermöglicht die interstellare überlichtschnelle Raumfahrt, wirkt als lebensverlängernde Droge und ist auch für die mächtige Schwesternschaft der Bene Gesserit unabdingbar für deren Experimente, den "Kwisatz Haderach" genannten Messias zu erschaffen, mit dem sie in die Zukunft blicken könnten.
Nicht weiter verwunderlich ist Spice somit auch der Stoff, aus dem Intrigen, Macht und Morde gesponnen werden. Die Erzählung beginnt damit, dass Shaddam IV., der Imperator des Universums, dem Adelshaus Harkonnen den Auftrag zum Spice-Abbau entzieht und ihn stattdessen an das Adelshaus der Atreides überträgt. Herzog Leto Atreides ahnt zwar, dass dies eine Falle ist, um damit einen Krieg zwischen den beiden Häusern zu entfachen, kann sich aber des kaiserlichen Befehls nicht entziehen und siedelt daher mit seinem Sohn Paul und seiner Konkubine Jessica nach Arrakis über.
Die indigenen Einwohner des Planeten -die sogenannten "Fremen"- akzeptieren ihre neuen Herrscher. Zum einen, weil die Harkonnen als frühere Besatzer die Fremen zuvor 80 Jahre lang brutal verfolgt hatten. Zum anderen aber auch, weil einige von ihnen in Paul Leto, dem jungen Thronfolger, den ihnen weisgesagten Messias "Lisan al Gaib" zu erkennen glauben, welcher der Legende nach aus einer anderen Welt zu ihnen nach Arrakis kommen soll, um ihrem Wüstenplaneten das Wasser zu bringen und ihn in ein Paradies zu verwandeln.
Obwohl Paul selber anfangs weder an die Prophezeihungen der Bene Gesserit noch an jene der Fremen glaubt, treibt das Schicksal ihn immer weiter in seine Bestimmung. Wir erfahren, dass seine Mutter Jessica selber eine Bene Gesserit ist, die sich dem Willen des Ordens widersetzt hat und mit Paul bewusst einen Jungen zur Welt brachte, weil sie die Zeit reif für die Geburt des Messias hielt. Auch bewahrheiten sich manche Voraussagen der Fremen und zu alledem wird Paul auch noch von Visionen geplagt, in denen er Fragmente zukünftiger Ereignisse sieht.
Aber bereits kurze Zeit später überfallen die Harkonnen zusammen mit einer gedungenen Söldnerarmee den Planeten, um die Atreiden auszulöschen und die Kontrolle über das Spice wieder gewaltsam an sich zu bringen. Nur Paul und seiner Mutter Jessica gelingt es, durch Flucht in die Wüste zu überleben, in der aber bereits riesige, alles verschlingende Sandwürmer auf sie warten. Ihre einzige Chance ist es, die ebenfalls dort lebenden Fremen zu finden und sich ihnen im Kampf um ihre Heimat Arrakis anzuschließen.
-Mit Sicherheit ist "Dune" das beste, was eine Kamera dieses Jahr eingefangen und auf die Leinwand gebracht hat. Villeneuve selber hat einmal gesagt, dass er ein "Starwars für Erwachsene" erschaffen wollte. Und das größte Kompliment, dass man ihm machen kann, ist, dass er sogar etwas _noch_ größeres zustande gebracht hat: Sein bildgewaltiges Epos ist ein neues, ganz eigenes Film-Universum. Und Arrakis selbst ist in diesem neuen Universum der eigentliche Star: Ein unwirtlicher, gleisend heller, lebensfeindlicher Wüstenplanet, dessen Realismus und Wahrhaftigkeit aber so perfekt herüberkommt, dass man von Beginn an in die Welt von Dune hineingesogen wird.
-Was uns gleich zu den anderes Stars des Films bringt: Timothée Chalamet als Paul Atreides spielt seine Rolle als "Held wider Willen" grandios -eine Art Shakespeare'scher Hamlet, eloquent und vom Schicksal zu höherem berufen, als er selber anfangs wahrhaben will: Die schrittweise Entwicklung vom Sohn eines Herrschers zum vorbestimmten Anführer einer Revolution, der die Bürde des Kampfs gegen den Imperator des gesamten Universum auf sich nimmt -das passt, jeden Augenblick.
Paul Atreides: "Dad, what if I'm not the future of House Atreides?"
Duke Leto Atreides: "A great man doesn't seek to lead, he is called to it. But if your answer is no, you'd still be the only thing I ever needed you to be: My son!"
Außer dem anfangs erwähnten "Blade Runner" (und vielleicht noch "2001") hat es kein anderer Science-Fiction-Film bisher je geschafft, dermaßen mit Kamera und Sound zu zaubern, dass eine Bildmagie entsteht, in deren Authentizität man sich förmlich verliert. Allein die Ankunft des Hauses Atreides auf Arrakis ist ein so kongenial epischer Bildersturm, dass er für sich allein schon einen Oskar verdient hätte.
Wenn man an dem Film etwas bekritteln will, dann ist es die letzte halbe Stunde: Paul und Jessicas Flucht durch die Wüste und die Begegnung mit den Fremen ist ein Stilbruch zu den vorherigen zwei Stunden. Oder besser gesagt: Ein "still-Bruch", denn der mit großer Hand und großem Budget zuvor gemalten Bildgewalt folgt hier ein eher kleines, ruhiges Kammerspiel, mit dem der Film dann auch sehr abrupt endet. Man fühlt sich förmlich unsaft aus dem Kinosessel herausgerissen. Noch nie hat ein Film dermaßen nach seinem zweiten Teil verlangt, wie hier: Die gesamte letzte halbe Stunde arbeitet allein auf die Fortsetzung hin -und man würde diese epische Geschichte nur allzugerne an einem Stück durcherzählt sehen!
Leider hat das Filmstudio den Dreh des zweiten Teils von dem Erfolg des ersten Teils abhängig gemacht. Und so können wir nur hoffen, dass dem Film der Erfolg beschieden ist, den er redlich verdient hätte.
Mein Fazit: Ein absoluter Meilenstein des Science-Fiction-Kinos! -Wenn "Dune" bei der nächsten Oscarverleihung nicht alles abräumt, dann sollte man die Oscarverleihung einfach komplett abschaffen..
Tipp: Unbedingt auf der großen Leinwand mit Dolby-Atmos-Surround-Anlage genießen!