Das legendäre Trio des Mafia-Genres ist wieder da! Und obendrein gibt es Unterstützung von Mister Scarface persönlich!
New York City in der 50er Jahren: der junge Kriegsveteran Frank Sheeran (Robert De Niro) arbeitet als LWK-Fahrer und transport Fleisch. Durch einen Zufall, kommt er mit dem Mafiosi Russel Bufalino (Joe Pesci) ins Geschäft. Frank´s fliegt jedoch schnell auf und wird entlassen und verklagt. Der findige Rechtsanwalt Bill Bufalino (Ray Romano) boxt Frank jedoch gekonnt raus und bindet ihn an das familiäre Geschäft mit ein. Mit Schmugglerfahrten und Ausschaltungen von Feinden, erarbeitet sich der Ire Frank schnell einen großen Namen innerhalb der ansonsten nur aus Sizilien stammenden Mafiosi. Ende der 60er Jahre soll er den korrupten Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino) unterstützen. Frank gerät dadurch immer mehr zwischen den Fronten der streitenden Familien...
Dass wir jemals einen Film von Martin Scorsese mit Al Pacino in einer Rolle sehen werden, wahr für mich und den Meisten Fans sehr unwahrscheinlich. Dann auch noch mit dem langjährigen Partner von Scorsese Robert De Niro. Als wäre das nicht schon absurd genug, reaktiviert Martin Scorsese auch noch Joe "whats so funny" Pesci aus dem Ruhestand! Doch das ist nicht alles! Scorsese lässt die alten Herren auch noch durch eine neue Technik verjüngen! Ein absoluter Traum wurde wahr. Und all das Dank Netflix.
Nach der ganzen aufwendigen und fast auf der Kippe stehenden Produktion, ist auch ein wundervoller Film dabei herausgekommen. Ein Film, der jedem Fan das Herz höher schlagen lässt. Stolze 3,5 Stunden- die wie im Flug vorbeigehen. Dabei wird eine sehr spannende Geschichte erzählt- die sich zum großen Teil tatsächlich so ereignet hat und für viele ein Mysterium darstellt. Gewohnt bietet Meister Regisseur Scorsese seinen Zuschauern erstklassige Bilder an. Sein Film ist nahezu makelos. Jedes Bild grenzt an Perfektion. Was die spielenden Personen tragen, was sie essen, wie sie sitzen und aufstehen. Selbst die Szenen in der Pacino und De Niro in Pyjama im Zimmer stehen wirkt keinesfalls lächerlich. Scorsese hat an alles gedacht und passt sich den wechselnden Dekaden auch ideal an. Ähnlich wie bei Casino und Goodfellas (auch mit Pesci und De Niro) demaskiert Scorsese mit einer unglaublichen Perfektion die Mafiosi und ihr Treiben. Im Gegensatz zu den zwei genannten Streifen aus den 90er Jahren, wird die Mafia hier nicht glorifiziert. Es gibt kein "solange ich denken kann, wollte ich schon immer Gangster sein". Irishman ist zum einen deutlich langsamer, zum anderen bietet er aber ein völlig anderes Bild des Lebens als Mafiosi. Dieses Bild ist alles andere als glammorös. Er zeigt uns auch die Schattenseiten. So distanziert sich Frank´s Tochter immer wieder von ihm ab. Mit "Onkel" Russel will sie erst recht nichts zu tun haben- obwohl er ihr alle Wünsche erfüllen könnte. Selbst ein Sonntag in der familienfreundlichen Bowlingbahn wird zur Farce. Es gibt aber auch keine Freundschaft innerhalb des "Geschäfts". Jeder könnte dein Feind sein. So gerät auch Frank zwischen den Fronten und muss sich mit der Zeit für- oder gegen Hoffa entscheiden. Dabei entwickelt sich mit der Zeit eine sehr tiefe Freundschaft zwischen den Männern. Mit den "schönen" Seiten verschwendet Scorsese auch gar keine Zeit. Frank´s Geschäft wird mit schnellen Bildern abgearbeitet. Mord, Waffe entsorgen, abtauchen. Hier und da paar Blutspritzer (oft schwenkt die Kamera auch weg).
Der am meisten diskutierte Aspekt ist wohl die Verjüngerungstechnik. Die 3 Hauptrollen werden mittels einer neuen Technik verjüngt- wodurch sie in der Lage sind, die selbe Figuren in verschiedenen Altersphasen zu spielen. So sieht Pacino plötzlich so wie aus "Heat" (1995) aus. De Niro wie aus Goodfellas (1990) und Pesci wie aus Casino (1992). Zu Beginn ist es stark gewöhnungsbedürftig. Insbesondere, da die Handlung immer wieder zwischen den Zeiten springt. Nach 30 Minuten hat man sich daran gewöhnt und die Gedanken daran schweifen ab.
Als Fan ist es eine wahnsinnig große Freude die "Jungs" wieder so zu sehen. Sie sind einfach Meister ihres Fachs. In einem Interview sagte Scorsese, er müsse Ihnen nichts erklären. Nicht, wie man aufsteht und sitzt und all das. Die Frage, ob der Film mit jüngeren Darstellen funktionieren würde, bezweifle ich. Das würde nur zu Verwirrungen führen. Am Ende ist die Technik jedoch nicht ausgereift. Auch wenn De Niro als Anfang 30er dargestellt wird, passt es nicht im Vergleich zu realen Bildern (zum Beispiel aus Taxi Driver). Man merkt ihm einfach die Müdigkeit im Gesicht an. Insbesondere die Bewegungen vermag die Technik nicht karchieren. Mit 76 Jahren ist man einfach nicht mehr agil und spritzig. Eine Szene fällt hier besonders negativ ins Auge: ein Obstverkäufer hat Frank´s kleine Tochte angebrüllt und angefasst. Woraufhin Frank ihn aus dem Laden zerrt und zur Straße wirft. Anschließend malträtiert er ihn mit Tritten. In dieser Szene passen die Bewegungen zum Alter überhaupt nicht überein.
Handlungstechnisch fällt der Film im Prinzip nur in der Abarbeitung der Beziehung zwischen Frank und Hoffa negativ auf. Die Entwicklung wird zu schnell vorangetrieben. Es ist nicht nachvollziehbar wie und warum die beiden sich so schnell, so nah gekommen sind. Ich hatte den Eindruck, als hätte ich paar Minuten übersprungen.
FAZIT: Scorsese´s neuestes Werk ist für alle Fans des Genres ein Geschenk. Endlich sieht man all die Herren (zusätzlich mit Harvel Keitel in einer Nebenrolle) gemeinsam in einem Film. Das Mafia-Epos versteckt sich aber nicht hinter den großen Namen, sondern bietet einen einen gewohnt intensiven und perfekt aufgearbeiteten Einblick in die Welt der Mafia.
Alle Darsteller spielen sich die Seele aus dem Leib und beweisen, warum sie zum besten des Fachs gehören.
Dass die Technik zur Verjüngerung noch in den Kinderschuhen steckt, sieht man dem Film leider an- was ihn im Endeffekt aber nicht groß schadet. Danke Netflix!