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    Darum ist die Action-Komödie "Lift" auf Netflix schon jetzt völlig veraltet
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Dass das kürzlich bei Netflix gestartete Kevin-Hart-Vehikel „Lift“ seinen prominenten Cast völlig verschenkt, ist eine Sache. Dass die Action-Komödie über eine diebische Bande bereits jetzt total veraltet ist, gibt unserem Autor aber Rätsel auf.

    Timing ist alles. Nicht nur, wenn man einen Raubzug plant, wie die von Kevin Hart, „Haus des Geldes“-Star Úrsula Corberó, „Echo“-Fiesling Vincent D'Onofrio und Co. gespielten Langfinger aus der neuen Netflix-Action-Komödie „Lift“. Sondern auch, wenn man den geeigneten Starttermin für einen Film sucht – wie sich an „Lift“ besonders gut zeigt.

    Ursprünglich sollte die Diebstahlposse am 25. August 2023 veröffentlicht werden. Dann wurde sie jedoch auf den 12. Januar 2024 verschoben. Anlass war der vergangenes Jahr abgehaltene Streik der US-Schauspielgewerkschaft, der die Promo-Möglichkeiten beeinträchtigte. Doch wie ich finde, wäre es klüger gewesen, „Lift“ auf seinem ursprünglichen Starttermin zu lassen.

    Am Film selbst hätte dies zwar nichts gerüttelt, wohl aber daran, welchen Beigeschmack seine gelungenste Sequenz hat. Was wiederum Einfluss darauf hat, in welcher Stimmung man den Rest der Action-Komödie schaut...

    "Lift": Vom Puls der Zeit abgerutscht

    „Lift“ beginnt in Venedig, wo in altehrwürdigen, wunderschön verzierten Hallen eine mit viel Tamtam aufgebauschte Kunstauktion stattfindet. Meisterdieb Cyrus (Kevin Hart) und die von ihm angeführte Truppe betreiben parallel dazu gigantischen Aufwand, um die Auktion aus den Fugen zu hebeln: Sie wollen sich somit nicht bloß das zu Verkauf stehende, als innovativ bezeichnete Kunstwerk unter den Nagel reißen. Sondern den verantwortlichen Künstler (Jacob Batalon) sogleich mit.

    So zusammengefasst, ist das eigentlich ganz passabel. „Fast & Furious 8“-Regisser F. Gary Gray und sein Chef-Kameramann Bernhard Jasper („Army Of Thieves“) werden sich zwar nicht in die Riege jener einreihen, die Venedig einen unvergesslichen Stempel aufgedrückt haben. Doch immerhin gelingt es ihnen, die prunkvolle Seite der Kanalstadt für sich sprechen lassen.

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    Zudem punkten die ersten Filmminuten durch den schlichten, aber kurzweiligen Kniff, dass wir mitten ins Geschehen einsteigen und bloß schrittweise erfahren, welche Figuren auf derselben Seite stehen und wie ihr Plan aussieht. Doch über all dem schwebt eine riesige Wolke in Form einer sich aufdrängenden Frage: Hat Drehbuchautor Daniel Kunka hier ungewollt Satire verbrochen, ist das alles einfach cringe oder ist „Lift“ eine mächtige Zeitgeist-Fehleinschätzung?

    Denn das Brimborium wird für ein NFT veranstaltet! Das hätte bereits im Sommer 2023 eher bemüht-hip als aktuell gewirkt, doch mittlerweile ist das Thema völlig passé: Die NFT-Blase ist berechtigterweise geplatzt. Die Warnungen, dass sich hinter den digitalen Artworks bestenfalls ein kurzlebiges Spekulationsgeschäft verbirgt und schlimmstenfalls glatter Betrug, sprachen sich herum und erwiesen sich als korrekt.

    Dass in „Lift“ venezianische Hallen als Auktionshaus für einen NFT-Künstler herhalten, lässt sich sicherlich noch als augenzwinkernde Übertreibung eines (nun veralteten) Zeitgeist-Moments abtun. Doch spätestens, wenn der Held des Films betont, dass er der Kritik an NFT keinen Glauben schenkt, schießt sich der Film selbst ins Knie.

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    Mich hat „Lift“ durch seinen naiven Umgang mit dem NFT-Thema verloren – und so wurde es für mich schwer, wieder in den Film reinzukommen. Was ein großes Problem ist, denn narrativ und bildästhetisch fällt „Lift“ massiv ab, sobald Venedig verlassen wird: Unterredungen, Absprachen und Raubzug-Proben werden fast nur noch klinisch bebildert.

    Zudem macht eine Vielzahl mieser Greenscreen-Tricksereien noch häufiger deutlich, wie selten der Cast gleichzeitig am selben Ort zugegen war, als selbst in den schlimmsten Auswüchsen des Superhelden-Kinos. Noch dazu sind Kunka und Gray richtiggehend überfordert damit, ihr Ensemble unter einen Hut zu bringen: Die Figuren werden nach dem Auftakt nicht vertieft, sondern scheinen fast minütlich nichtssagender zu werden.

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    Deswegen ist „Lift“ eine Verschwendung seines talentierten Casts. „Game Night“-Star Billy Magnussen etwa gibt nur eine uninspirierte Imitation von Ryan Reynolds ab: Schnell plappernd, vieles ironisch kommentierend und nicht einen Moment ernst nehmend. Und Jean Reno schlafwandelt förmlich durch seine Szenen als Terrorboss, den es im zentralen Coup der Story zu bestehlen gilt.

    Allein „Loki“-Nebendarstellerin Gugu Mbatha-Raw kommt vergleichsweise gut davon: Als Cyrus' auf der anderen Seite des Gesetzes stehende Verflossene verhilft sie „Lift“ dank vielsagender Mimik zu ein paar Schmunzlern. Insbesondere, wenn sie zwischen einem frustrierten Augenrollen und Bewunderung hin- und hergerissen ist.

    Doch da der große Raubzug, auf den der Film zusteuert, dröge inszeniert ist, und unter miesen Digitaltricks leidet, ist das einfach nicht genug: Für mich ist „Lift“ schon jetzt ein heißer Anwärter auf die Flop-Liste des Filmjahres 2024. Aber vielleicht habe ich mich zu sehr durch den Auftakt verärgern lassen: Kollege Lutz Granert ist zwar auch kein Fan, dennoch ist er in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik etwas positiver gestimmt als ich.

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