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    "Die langen großen Ferien": Der FILMSTARTS-Familientipp zum Wochenende

    In seiner 14-täglichen FILMSTARTS-Kolumne macht Rochus Wolff Vorschläge für den nächsten Familien-Filmabend - und zwar nicht nur aus der Perspektive eines Filmkritikers, sondern vor allem auch mit seiner Erfahrung als zweifacher Familienvater.

    Colette, erzähl mir vom Krieg

    Polyband/WVG

    Die Fragen beginnen spätestens mit der Einschulung: „Papa, wer war eigentlich Hitler?“ Es muss noch nicht einmal auf dem Lehrplan stehen, die Kinder reden ja auch untereinander, sie hören rechts und links zu, sehen Titelblätter von Zeitschriften und Werbung für seltsame Dokumentationen auf Netflix oder n-tv. Da türmt sich schnell ein Berg an schwierig zu behandelnden Themen auf. Was dabei am besten hilft: Geschichten! Die französische Animationsserie „Die langen großen Ferien“ etwa erzählt in zehn halbstündigen Episoden von den Erlebnissen einer Gruppe französischer Kinder zwischen 1939 und 1945.

    Polyband/WVG

    Fern von den politischen Zentren (und auf gewisse Weise doch mitten im Weltgeschehen) sollen die Geschwister Colette und Ernest in einem kleinen Dorf in der Normandie eigentlich nur die Sommerferien bei ihren Großeltern verbringen - aber die Mutter wird krank und so bleiben die zwei jungen Pariser eben auf dem Bauernhof: Colette (deren erwachsenes Ich die Geschichte rückblickend erzählt) wird im Dorf eingeschult. Schnell finden die Geschwister neue Freunde und ihre Bande, die „Robinsons“, richtet sich in einem verfallenen Haus im Wald einen geheimen Unterschlupf ein.

    Zwischen den einzelnen Episoden der bewusst in einfacher Zeichentrickanimation gehaltenen Serie gibt es jeweils kleine Zeitsprünge: Sie spielen zum Kriegsbeginn in Frankreich, während des Einmarsches der Deutschen ins Dorf und dem Absturz eines britischen Flugzeugs im Wald. Dazwischen geschehen und entwickeln sich die kleinen Dinge, die das alltägliche Leben stören, das Glück langsam zersetzen: etwa die Kollaboration einzelner Franzosen oder die Einführung des Judensterns. Und schließlich der Einmarsch der Alliierten.

    Polyband/WVG

    Womöglich ist die Dorfgemeinschaft dabei ein wenig idealisiert: Die Großeltern sind gütig und verständig – genau wie die meisten anderen Erwachsenen. Aber es ist eben eine Serie, die sich gezielt an Kinder richtet, und die Komplexität und die Ambivalenzen werden hier anderswo gesucht: Es wird behandelt, wie ein Kind am Strand durch eine Mine stirbt, wie Juden verhaftet werden (und andere fliehen). Die kindlichen Protagonisten werden mit der Zeit ernsthafter, aber auch ängstlicher, als sie sich zunehmend selbst im Widerstand engagieren.

    Polyband/WVG

    Gleich ganz zu Beginn erfahren zwei Jungs, die sich absolut nicht ausstehen können, dass ihre Großväter sich einstmals gegenseitig das Leben gerettet haben – und sie deshalb jeweils nach dem Großvater des anderen benannt sind. Das ist eine der ersten Lektionen, die Kinder hier lernen: Um seine Welt zu verstehen, muss man auch die eigene Geschichte kennen. Und die lässt sich am besten anhand solchen Geschichten lernen. Erzählt auf der Augenhöhe der Kinder, konsequent aus ihrer Perspektive – und dennoch ohne Verharmlosungen und ohne härtere Wahrheiten auszusparen.

    Rochus Wolff, Jahrgang 1973, ist freier Journalist und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im Grundschulalter in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt ist der Kinder- und Jugendfilm; seit Januar 2013 hält er in dem von ihm gegründeten Kinderfilmblog nach dem schönen, guten und wahren Kinderkino Ausschau.

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