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    Kino-Tipp der extremen und verstörenden Art: Bei diesem FSK-18-Film vergeht euch die Lust auf Pornos
    Tobias Mayer
    Tobias Mayer
    -Redakteur
    Tobias liebt „Star Wars 8“ – und noch sehr, sehr viele andere Filme. Kino ist dabei immer eine gute Idee (zu jeder Jahreszeit).
    Mitarbeit von:
    Daniel Fabian

    In „Pleasure“ will es eine junge Frau in der US-amerikanischen Porno-Industrie bis ganz nach oben schaffen. Der Film ist ein verstörender und ekliger Blick in die Abgründe einer Branche, deren Produkte zu den begehrtestem auf der ganzen Welt gehören.

    Plattform Produktion

    Laut einer Top-Liste des Online-Marketing-Unternehmens Semrush ist die Webseite xhamster.com 2021 auf Platz 14 der 100 meistbesuchten Internetangebote in Deutschland gelandet, vor Größen wie Twitter oder bahn.de. Es sind auch noch andere Porno-Portale in der Top-100 vertreten und der Befund ist klar:

    Sexfilme sind Massenprodukte, die heutzutage so einfach und schnell verfügbar sind, wie nie zuvor. Musste man(n) früher noch in die Videothek, reichen heute ein paar Klicks, um Videos mit allen denkbaren Sexualpraktiken zu sehen.

    Über das Medium Porno lässt sich dabei unterschiedlich urteilen, je nach moralischer oder ästhetischer Perspektive, je nach sexueller Vorliebe oder Weltanschauung. Faktisch jedenfalls haben diese Filme einen großen Einfluss darauf, wie (junge) Menschen heute über Sex denken und sie werden teilweise unter menschen- bzw. frauenfeindlichen Bedingungen produziert, die sich fernab der Öffentlichkeit und fernab jeder wirklichen Kontrolle abspielen.

    Das in weiten Teilen dokumentarisch anmutende Kino-Drama „Pleasure“ ist darum ein drastischer Augenöffner und gewissermaßen das filmische Äquivalent zum Schlachthaus: Wer mal drin war, wird danach mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit zum Vegetarier – und wer „Pleasure“ gesehen hat, der seit Donnerstag in den Kinos läuft, dem dürfte die Lust auf Pornographie vergehen.

    Eine schonungslose Sicht auf die Pornoindustrie

    Die 1984 geborene „Pleasure“-Regisseurin Ninja Thyberg beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem Thema Pornographie. Im Teenager-Alter war sie als Anti-Porno-Aktivistin aktiv, später näherte sie sich dem Thema auch im Studium und als Filmemacherin. In „Pleasure“ lässt sie eine junge Schwedin namens Linnéa (Sofia Kappel) nach Los Angeles umziehen, die von dem dringlichen Wunsch angetrieben wird, ins Porno-Geschäft einzusteigen und dort zu einem Star zu werden. Linnéa will den Ruhm und sie liebt Schwänze, wie sie sagt.

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    Unsere Kritikerin Teresa Vena hat sich in ihrer 4,5-Sterne-Kritik ausführlich mit „Pleasure“ auseinandergesetzt, den sie als „schonungslose Sicht auf die Pornoindustrie“ beschreibt. Regisseurin Ninja Thyberg zeige in drastischen, jedoch nicht voyeuristischen Bildern eine Branche, in der sich auch das gesellschaftliche Machtgefüge zwischen Männern und Frauen spiegle.

    Tatsächlich sind es im Film immer wieder Männer, die als Regisseure oder Hauptdarsteller am Set zwar erst ganz freundlich betonen, wie freiwillig und selbstbestimmt hier alles ablaufe, nur um kurz darauf zu demonstrieren, dass sie die Entscheidungsgewalt haben.

    Hier könnt ihr Teresa Venas ausführliche Kritik zu „Pleasure“ lesen:

    Pleasure

    Auch FILMSTARTS-Redakteur Daniel Fabian hat „Pleasure“ bereits gesehen. Wie er im Folgenden beschreibt, hat ihn dabei eine Szene besonders nachhaltig verstört:

    +++ Meinung (mit Spoilern zur Szene) +++

    „Es wird ein bisschen grober“, heißt es in einer Szene, in der Linnéa auf zwei Drehpartner trifft. Aber das sei schon in Ordnung so. Und immerhin will sie ja die Pornowelt erobern, ein sogenanntes Spiegler-Girl für den berühmten, gleichnamigen Agenten werden. Da gehören harte Szenen eben dazu, heißt es. Sie hat ja auch einen entsprechenden Vertrag unterschrieben und sich damit bereiterklärt, weiter zu gehen als andere Frauen. Denn von nichts kommt nichts.

    Was folgt, sind verstörende Bilder, wie es sie im Netz zuhauf gibt. Und zwar, weil es die Nachfrage verlangt. Zwei gestandene Männer vergehen sich an einer zierlichen jungen Frau, erniedrigen sie, schlagen sie, spucken ihr ins Gesicht. Die Szene selbst dürfte für viele Zuschauer*innen allein ob ihres Ekelfaktors schwer zu ertragen sein. Warum sich jene Sequenz aber so sehr ins Gedächtnis brennt, so unter die Haut geht und auch noch lange nach dem Abspann zu denken gibt, liegt auch hinter den Kulissen begründet:

    Nach mehrmaligen „Stop“-Rufen von Linnéa wird die Aufnahme schließlich unterbrochen. Ihre männlichen Kollegen zeigen sich schlagartig besorgt um ihre aufgelöste Drehpartnerin. Wie auf Knopfdruck schlüpfen sie aus ihren Rollen und rein in neue Rollen, sie bringen Linnéa Verständnis entgegen und sind voll des Lobes für die Newcomerin. Sie schlage sich wacker, könne gerne eine Pause einlegen, wenn es ihr zu viel werden sollte – aber sie solle doch bitte versuchen, bis zum Ende durchzuhalten, ok? Immerhin wolle sie doch auch bezahlt werden. Doch die junge Frau geht durch die Hölle, ist gefangen in der Rolle der Unterdrückten, aus der es kein Entkommen zu geben scheint (es sei denn, sie wird selbst zur Unterdrückerin, wie wir später im Film sehen).

    Die schockierende Szene wirkt auch deswegen so lange nach, weil Regisseurin Ninja Thyberg ihrem Publikum kurzzeitig das erlösende Gefühl gibt, als hätte Linnéa das Weite gesucht, die Tortur nicht in Gänze über sich ergehen lassen. Denn nach dem Gespräch mit den Männern folgt ein Schnitt ins Auto, Linnéa ist auf dem Heimweg. Ist alles wieder einigermaßen in Ordnung, hat sie abgebrochen? Plötzlich fährt sie rechts ran und kotzt aus der Tür heraus. Nein, nichts ist in Ordnung. Rückblende: Linnéa hat sich von den Männern dazu drängen lassen, weiterzumachen und die komplette Vergewaltigungsszene zu drehen.

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