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    The Watch - Nachbarn der 3. Art
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Watch - Nachbarn der 3. Art
    Von Christoph Petersen

    Jedes Jahr kursiert in Hollywood die sogenannte Black List, in der die besten nicht produzierten Drehbücher aufgeführt werden. In der 2009er-Ausgabe fand sich auf Platz 16 Jared Sterns Skript zur Alien-Komödie „Neighborhood Watch" um eine Gruppe von Männern, die eine Nachbarschaftswache gründen, um von ihren Frauen wegzukommen und ungestört ihre Männlichkeitsrituale auszuleben, dann aber unverhofft auf eine interplanetare Verschwörung stoßen. Nach dieser Ehrung (auf Platz 2 landete im selben Jahr übrigens „The Social Network") wurde das Filmstudio Fox zwar auf „Neighborhood Watch" aufmerksam, aber so richtig schienen die Verantwortlichen dem eingekauften Stoff nicht über den Weg zu trauen. Weil in den Jahren zuvor derbe Erwachsenen-Komödien wie „Hangover" riesige Erfolge gefeiert hatten, beauftragte das Studio stattdessen das Autoren-Duo Seth Rogen und Evan Goldberg („Ananas Express"), die Story mit allerlei Anzüglichkeiten aufzupeppen. Die nun unter dem Titel „The Watch – Nachbarn der 3. Art" von Regisseur Akiva Schaffer inszenierte Komödie hat nicht mehr viel von dem satirischen Biss des Originalskripts. Das hängt allerdings nicht nur mit der Drehbuchüberarbeitung, sondern auch mit einem schrecklichen Zwischenfall in Florida zusammen.

    Im beschaulichen Städtchen Glenview gibt es niemanden, der sich sozial mehr engagiert als Evan (Ben Stiller), Filialleiter bei der Großhandelskette Costco. Dieser organisiert schließlich nicht nur den örtlichen Joggingtreff und einen spanischen Konversationskurs, sondern kümmert sich im Gemeinderat auch darum, dass die Höhe der Randsteine an die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern angepasst wird. Als einer von Evans Angestellten eines Nachts bei lebendigem Leib gehäutet und dann ermordet wird, gründet er zudem eine Nachbarschaftswache. Allerdings ist der Zuspruch nicht so groß, wie er es sich erhofft hätte, lediglich drei Freiwillige erscheinen zum ersten Treffen: der vergnügungssüchtige Familienvater Bob (Vince Vaughn), der bei der Polizeischule aus gutem Grund abgeblitzte Franklin (Jonah Hill) und der frisch geschiedene Jamarcus (Richard Ayoade), dessen größter Traum es ist, dass ihm bei einem Einsatz der Nachbarschaftswache eine asiatische Hausfrau „die Eier lutscht". Während Evan tatsächlich den Mörder finden will, steht seinen Mitstreitern der Sinn eher nach Party und Bier. Doch dann entdeckt die Truppe am Straßenrand eine merkwürdige metallene Kugel, mit der sich, wenn man sie richtig fingert, nicht nur Kühe, sondern sogar ganze Supermärkte in die Luft jagen lassen...

    Der eigentliche Grund, eine Kinokarte für „The Watch – Nachbarn der 3. Art" zu lösen, ist natürlich die Besetzung: Mit Ben Stiller („Nachts im Museum"), Vince Vaughn („Die Hochzeits-Crasher") und Jonah Hill („21 Jump Street") wird diese schließlich von drei Box-Office-Schwergewichten angeführt, die eine Komödie jeweils auch ohne Probleme alleine anführen können. Trotzdem verlässt sich hier keiner blind auf den anderen, stattdessen geben alle drei Vollgas – zumindest in den Szenen, die offensichtlich von Seth Roger und Evan Goldberg nachträglich hinzugefügt wurden: Da wird dann ausführlich darüber diskutiert, was Franklin alles mit sich machen lassen würde, falls er sich undercover als Frau in das Haus eines alten Mannes einschleicht. Und ja, er würde sich notfalls auch „in den Arsch ficken" lassen. Man muss diesen offenbar schwer angesagten, mitunter aber auch ein wenig bemüht anzüglichen Humor schon mögen, aber wenn das der Fall ist, liefert das Nachbarschaftswachen-Quartett genügend Zoten weit, weit unter der Gürtellinie, um die 102 Minuten hindurch ordentlich zu unterhalten.

    Die Idee einer außer Kontrolle geratenen Nachbarschaftswache, die mehr Schrecken als Sicherheit verbreitet, ist eigentlich grandios. Gerade im Amerika nach den Anschlägen vom 11. September wurden aus Angst vor dem unbekannten Bösen schließlich eine Menge vermeintlich die Sicherheit erhöhende Unsinnigkeiten angestellt, die im Nachhinein einen viel größeren Schaden angerichtet als abgewendet haben. Aber von dieser Idee, die eigentlich der Kern von „The Watch" hätte sein sollen, finden sich im fertigen Film allenfalls noch Spurenelemente. Das hat allerdings nicht nur mit der Überarbeitung des Skripts zu tun, sondern auch damit, dass das Kino einmal mehr von der Realität überholt wurde: Am 26. Februar 2012 erschoss das Nachbarschaftswachen-Mitglied George Zimmerman ohne Grund den erst 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin.

    Der Todesfall löste nicht nur eine Diskussion über die fragwürdige Notwehrgesetzgebung in Florida sowie eine landesweite Rassismusdebatte aus, sondern veranlasste auch Fox dazu, den Trailer zu „Neighborhood Watch" (in dem Jonah Hill mit dem Finger wie mit einer Waffe auf einen Unschuldigen am Straßenrand zielt) aus den Kinos zu nehmen und den Film in „The Watch" umzubenennen. Es ist nicht bekannt, wie stark der anschließend tatsächlich noch umgeschnitten wurde, aber nach kritisch-satirischen Elementen sucht man im finalen Film weitestgehend vergeblich. Da hat Jody Hill mit seinem durchaus vergleichbaren „Shopping-Center King" deutlich mehr zu bieten. Ein wenig von dessen Kompromisslosigkeit und politischer Unkorrektheit hätte auch „The Watch" gutgetan.

    Fazit: „The Watch – Nachbarn der 3. Art" bietet gut aufgelegte Stars, die vor keiner noch so anzüglichen Zote zurückschrecken – aber die glibberigen Aliens braucht kein Mensch, stattdessen hätten wir uns lieber ein wenig mehr satirischen Biss gewünscht.

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