Mein Konto
    Der Zodiac-Killer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Der Zodiac-Killer
    Von Jürgen Armbruster

    Um Missverständnisse gleich im Keim zu ersticken: Nein, Filmstarts.de hat noch nicht David Finchers „Zodiac“ gesehen. Der Regie-Virtuose („Fight Club“, „Sieben“, „Panic Room“, „The Game“) wird schließlich erst im September mit den Dreharbeiten zu seinem neuem Film beginnen. Aber schon lange bevor Fincher irgendwie mit der realen Geschichte des Zodiac-Killers in Verbindung gebracht wurde, drehte Alexander Bulkley seine eigene Interpretation dieses Themas. Zwar ist hier alles eine Nummer kleiner, als dies sicherlich bei Fincher der Fall sein wird, aber packend ist dessen „The Zodiac“ (der in Deutschland als „Der Zodiac-Killer“ vermarktet wird) trotzdem.

    Am 20. September 1968 bricht das junge Pärchen Betty Lou Jensen and David Faraday zu einer abendlichen Spritztour auf. An einem abgeschiedenen Parkplatz wollen die beiden das tun, was junge Pärchen eben an abgeschiedenen Parkplätzen so machen. Doch das junge Glück ist nur von kurzer Dauer. Am nächsten Morgen werden ihre Leichen gefunden. Polizeichef Frank Perkins (Philip Baker Hall) überträgt dem jungen, aber ehrgeizigen Sergeant Matt Parish (Justin Chambers) die Leitung über die Ermittlungen. Aber diese erweisen als äußerst schwierig. Vor allem mangelt es an einem Motiv für die Tat. Den Opfern wurden keine Wertgegenstände abgenommen und auch für sexuelle Übergriffe lassen sich keine Hinweise finden. Vieles deutet auf eine willkürliche Tat hin. Allerdings scheint es sich beim Täter um einen Profi zu handeln, der keine Spuren hinterlässt. Schnell ist Matt in einer Sackgasse angelangt. Doch da der Täter scheinbar vom Erdboden verschluckt worden ist, wächst allmählich Gras über die Angelegenheit.

    Als sich Matt gerade damit abfindet, dass er den Fall zu den Akten legen muss, finden am 5. Juli 1969 die nächsten Morde statt. Wieder wird ein junges Pärchen tot in seinem Auto aufgefunden – wieder ohne erkennbares Motiv. Noch am gleichen Abend erhält die Polizei einem mysteriösen Anruf. Ein Mann, der sich selbst The Zodiac nennt, gibt sich als Täter zu erkennen. Kurze Zeit später gehen bei drei regionalen Zeitungen Briefe des Zodiacs ein, in denen er von der Polizei unveröffentlichte Details über seine bisherigen Taten preisgibt und weitere Morde ankündigt. In der Öffentlichkeit bricht Panik aus. Matt entwickelt eine regelrechte Besessenheit für den Fall, unter der auch seine Frau Laura (Robin Tunney) und der gemeinsame Sohn Johnny (Rory Culkin) zu leiden beginnen…

    Noch heute ist der reale Fall des Zodiac-Killers legendär. Seine wahre Identität ist genau so ungeklärt, wie die Anzahl seiner Opfer. Der Kriminalwissenschaftler Robert Graysmith vertritt die These, dass zwischen 1966 und 1978 mindestens 49 Morde auf das Konto des Zodiac gingen. Acht Morde wurden ihm definitiv nachgewiesen, 17 gelten als wahrscheinlich. Das Außergewöhnliche am Fall des Zodiac-Killers sind jedoch ganz klar die 21 Briefe, die er an diverse Zeitungen rund um San Fransisco geschrieben hat. Er verstand es perfekt, gezielt Massenhysterie zu schüren und mit der Polizei Katz und Maus zu spielen. Besonders perfide waren dabei die diversen verschlüsselten Nachrichten (Link), die einer ganzen Nation sein makaberes Spiel aufzwangen. Der Zodiac-Killer diente auch als Inspiration für diverse Hollywood-Produktionen. Der Killer Scorpio aus „Dirty Harry“ wurde ihm beispielsweise nachempfunden. Und Steve McQueens Charakter aus „Bullitt“ weißt deutlich Parallelen mit Dave Toschi, einem der ermittelnden Beamten im Zodiac-Fall, auf.

    Da über den Zodiac-Killer selbst nur sehr, sehr wenige Fakten bekannt sind, legen Alexander Bulkley und sein Co-Drehbuchautor Kelley Bulkeley (trotz der unterschiedlichen Schreibweisen des Nachnamens sind beide tatsächlich Brüder) den Schwerpunkt auf Matt Parish und dessen Familie. Matt Parish selbst ist im Übrigen ein fiktiver Charakter, allerdings liegt es auf der Hand, dass sich hinter ihm der oben erwähnte Dave Toschi verbirgt. Zwar mussten die Macher aus rechtlichen Gründen einzelne Namen ändern, aber das Bemühen um größtmögliche Authentizität ist jederzeit spürbar. In diesem Sinne wird größtenteils darauf verzichtet, irgendwelche Dinge über den Zodiac zu erfinden. Das Publikum tappt genau so im Dunkeln wie Matt Parish bei seinen Ermittlungen. Wenn überhaupt, bekommt der Zuschauer nur die Silhouette des Killers zu sehen. Dadurch wird das Mysterium um den Zodiac noch gestärkt. Immer, wenn der Erzähler zu einem This ist The Zodiac speaking… ansetzt und damit beginnt, aus einem der zahlreichen Briefe zu zitieren, erreicht der Film seine atmosphärischen Höhepunkte.

    Da es sich bei Bulkleys „Der Zodiac-Killer“ um eine Idependent-Produktion handelt, musste mit Schauspielern aus der zweiten Reihe vorlieb genommen werden. Dem eigentlich auf zweitklassige Produktionen („The Musketeer“, „Wedding Planner“) und TV-Serien („Cold Case“, „Grey’s Anatomy“) limitierten Justin Chambers gelingt es, die Wandlung vom zunächst liebevollen Familienvater hin zum von der Jagd besessenen Cop glaubwürdig zu verkörpern. Robin Tunney („Paparazzi“, „Ein ungleiches Paar“, „Vertical Limit“) kommt beim undankbaren Part der Filmgattin etwas kurz. Im Prinzip besteht ihre einzige Aufgabe darin, Matt immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. Dieser Rolle wird sie zwar gerecht, wenn auch mit wenig Glanz. Schauspiel-Routinier Philip Baker Hall („Magnolia“, „Der talentierte Mr. Ripley“, „Dogville“) hinterlässt einen gewohnt charismatischen Eindruck, wobei ihm in seiner Karriere in anderen Filmen sicherlich schon mehr abverlangt wurde. Der junge Rory Culkin („Mean Creek“, „Signs - Zeichen“) hat in seiner noch jungen Karriere bereits sein Talent bewiesen. Dass er mit der etwas stereotypen und wenig ausgearbeiteten Rolle des Johnny Parish zurecht kommt, ist daher wenig verwunderlich. Der Part des Zodiac-Killers kommt dem Theater-Mimen Marty Lindsey zu. Die kurzen Sprechrollen sind – wie bereits erwähnt – unheimlich eindringlich.

    „Der Zodiac-Killer“ ist eine echte Überraschung. Während die ganze Filmwelt auf Finchers Version wartet, ist es Alexander Bulkley ganz heimlich still und leise tatsächlich gelungen, mit einem kleinen Budget einen packenden Genre-Film abzuliefern. Durch die zwar plötzlich kommende, aber wunderbar schelmische Schlusspointe können nochmals Sympathiepunkte eingefahren werden. Die Schwächen sind eher marginaler Natur. Kleinere handwerkliche Mängel und die nicht immer optimal besetzten Nebenrollen können die Freude an diesem kleinen, aber feinen Werk nicht schmälern. „Der Zodiac-Killer“ geht einen eigenen Weg und hat Konkurrenten jüngerer Zeit wie „Mindhunters“ oder „Suspect Zero“ eines voraus: Charme. Seine Weltpermiere hatte der Film auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest. Ob sich ein deutscher Verleih für einen Kinostart finden wird, ist indes noch unklar. Dass der Film sein Publikum finden würde (und dabei auch von der PR-Maschinerie zu Finchers Fassung profitieren könnte), steht für uns außer Frage.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top