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    The Sound Of Silents - Der Stummfilmpianist
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Sound Of Silents - Der Stummfilmpianist
    Von Samuel Rothenpieler

    Die Geschichte des Stummfilmpianisten Willy Sommerfeld ist eine der faszinierendsten und bemerkenswertesten des vergangenen Jahrhunderts. Anlässlich seines 102. Geburtstages im Mai 2006 kommt der Dokumentarfilm „The Sounds Of Silents - Der Stummfilmpianist“ von Ilona Ziok in die deutschen Kinos, der den Lebens- und Leidensweg eines beispiellosen „Titanen“ der Film- und Musikgeschichte pointiert und mit herzzerreißender offener Ehrlichkeit nachzeichnet. Und man fragt sich sofort, warum hat das solange gedauert? Denn neben dem überdurchschnittlich hohen Alter des Protagonisten ist vor allem eines erstaunenswert: die berauschend-geniale, aber leider zu sehr in Vergessenheit geratene Kunst der musikalischen Stummfilmbegleitung, die in der Verkörperung von Willy Sommerfeld ihren einzigartigen Höhepunkt findet.

    Willy Sommerfeld beginnt seine Karriere als Hauskomponist in dem Kino Bayreuther Lichtspiele in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der musikalischen Begleitung an Klavier und Violine von Stummfilmen wie Metropolis (Fritz Lang), „Der letzte Befehl“ (Josef von Sternberg) oder „Der letzte Mann“ (F.W. Murnau). Nichts ahnend, dass ihn ausgerechnet diese als „Notbehelf“ angegangene Arbeit etliche Jahre später zum „Kultobjekt“ der Stummfilm-Renaissance machen wird, überbrückt der angehende Musiklehrer und spätere Kapellmeister, Komponist und Dirigent zunächst eine schwere Zeit. Aus armen Verhältnissen kommend und in frühester Jugend mit zwei Weltkriegen konfrontiert, schafft er den Sprung ins neue Jahrtausend mit einer unnachahmlichen Verve, um die ihn die Jugendlichen des neuen Jahrtausends eigentlich beneiden müssten.

    „Sounds Of Silents – Der Stummfilmpianist“ ist im Grunde ein dokumentarisches Biopic, das vor allem und in erster Linie durch seine lebensalltägliche Einfachheit besticht. Der Film mit seinem erzählenden Charakter erinnert zeitweise an ein interessant kombiniertes Mosaik: lebensechte Interviews mit dem Hauptdarsteller und seiner überaus charmanten Gattin, historische Filmsequenzen mit der dazugehörigen improvisierten Pianomusik von Willy Sommerfeld, der zurückhaltende Blick über die Schultern des großen Meisters bei der Arbeit und zuletzt die für den Film so wichtigen Interviewsequenzen mit Sommerfelds Sohn Sebastian zeigen Sommerfelds Leben so, wie es war und immer noch ist. Die Stimmungen, die der Film transportiert, sind in ihren zahlreichen Verbindungen nahezu herzerwärmend: Erfrischende Erheiterung ist das, was Willy Sommerfeld neben seinem musikalischem Genie verkörpert. Zusammen mit seiner Frau wirkt er wie der letzte Beweis aus einer anderen Zeit, dass wahre und ewige Liebe tatsächlich existieren. Stilvoll und ansprechend wirkt der Film durch seinen künstlerisch-musikalischen Eigenwert – einfach zuhören, natürlich auch zusehen, und genießen. Bewunderer und Begleiter melden sich zu Wort und Sohn Sebastian als direkter Bezugspunkt, der all die Stärken und Schwächen seines Vaters kennt, sorgt für nachdenkliche und sinnstiftende Momente. Nicht zuletzt war er es, der auf das künstlerische Leben seines Vaters einwirkte, indem er ihn zur Vollendung seiner künstlerischen Fertigkeit drängte: Die Vertonungen des Dichters Ringelnatz sind ein ganz besonderer Anspieltipp.

    Wie der Name schon sagt: „Sounds Of Silents“, Töne der Stille – Ilona Ziok setzt diese besinnlichen Momente des Films mit unmerklicher Zurückhaltung bewusst in Szene. Hierbei wird vor allem eines deutlich: „Der Stummfilmpianist“ lebt von seiner Einzigartigkeit und intensiven Gefühlen. Zuschauer sein, heißt hier auch für einen Moment genießen und die Bilder und Töne in ihrer realistischen Schlichtheit auskosten. Der Regisseurin gelingt diese anspruchsvolle Aufgabe, viel zu zeigen und dabei wenig zu dirigieren, mit intelligenter Einfühlsamkeit.

    Schade nur, dass die psychologische Studie am Ende ihre Grenzen hat: Willy Sommerfelds Seele spricht vor allem durch seine Musik, Intimität wird anhand von Tönen und Filmbeitrag inszeniert, eine reflektorische Innensicht des einzigartigen Künstlers bleibt größtenteils aus. Seine Frau scheint trotz ihres erheiternden, erfrischenden, stets ehrlichen Beitrags der Dokumentation ein wenig die Tiefe zu nehmen. Vielleicht aber ist diese Introspektive auch letzten Endes gar nicht nötig. Willy Sommerfelds Leben war ja auch schließlich die Musik und nicht das Wort.

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