Es gibt sie noch: Blockbuster mit Herz und Hirn, Produkte freigelassener Kreativität und Individualität. Mad Max: Fury Road gehört zu dieser raren Gattung der siebten Kunst. Spaßig, abgedreht, und wie Spiegel Online ausnahmsweise einmal passend titelte, purer Heavy Metal, mit sozialkritischen Zügen. Chapeau Mr. Miller, ihr Film ist ein Rausch, der wunderbar unterhält. Max Rockatanskys 4. Kinoritt sollte man nicht verpassen. Zum Kinostart bleibt nur einst zu sagen:
"What a lovely day."
- Nux
Am Anfang des Films steht Max Rockatansky (Tom Hardy) alleine da, ein einsamer gequälter Mann, gejagt von den lebenden und Toten. Seine Vorgeschichte hat ihn hart gezeichnet, stetig durchzucken ihn Erinnerungen. Als ihn Schergen des Warlords Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) aufgreifen, kann er nicht entkommen, seine eigenen Gedanken halten ihn fest. Mit einem Maulkorb als „Blutsack“ missbraucht scheint er am Ende angelangt. Doch Maxes Schicksal kennt kein Mitleid: die abtrünnige Imperator Furiosa (Charlize Theron) stiehlt Immortan Joe seinen wertvollsten Besitz, woraufhin dieser mit seiner ganzen Meute seine Festung, die“Zitadelle“, verlässt um die Jagd aufzunehmen. Darunter: Warboy Nux (Nicholas Hoult) und sein lebendiges Transplantat Max. Die Fahrt auf der „fury road“ beginnt.
„As the world fell it was hard to know who was more crazy. Me... Or everyone else.“
- Max Rockatansky
Die Reboot-Welle boomt mittlerweile seit einigen Jahren in Hollywoods Ideen-Küche, und das durchaus nicht mit den schlechtesten Resultaten. „Star Trek“, Finchers „Verblendung“, „Total Recall“ und „Robocop“, die neuen „Star Wars“-Filme und die Hobbit-Trilogie, sind zwar teilweise nur mäßig gut aber trotz allem unterhaltend. Zudem ist eines unausgesprochene Wahrheit: ein Klassiker wäre kein Klassiker, wenn es keine Hommage gäbe. Spätestens seit Martin Scorseses „The Departed“ ist die Neuauflage als Filmkategorie geedelt. Jedoch fällt „Mad Max: Fury Road“s Produktionsweg ein wenig aus der Reihe: die Reboot-Welle mag zwar mit einer der Gründe fürs Studio gewesen sein, den Film abzudrehen, geplant wurde er allerdings von einem 55-jährigen George Miller, der bis zum Dreh auf 70 Jahre altern musste. Ob das sprichwörtliche „Was lange wärt...“ dem Meister der Autodekonstruktion (da schaut jedes Fast & Furious Rennen ganz tief in die Tonne) beim ausfeilen des Gesamtfilms geholfen hat, sei dahingestellt. Mad Max ist in großen Teilen auf jeden Fall so ausgeklügelt, dass selbst das im Trailer zu sehende „von Mastermind George Miller“ nicht zu hoch gegriffen ist.
„Feels like hope“
- Nux
Ein Freund erzählte mir, ein Bekannte habe ihm über die Fast & Furious Filme gesagt die Story sei schlecht, aber die Handlung gut. Nimmt man den Ausspruch ernst, und unterscheidet Handlung und Story als Gezeigtes und Ausschlaggebendes, so könnte man sagen bei Mad Max verhielte es sich genau andersherum: Zwar tobt die Fahrt ein wenig stupide, aber nie langweilig werdend voran,
der Film schafft es nicht mal von A nach B, sondern nur von A nach A
, dennoch intelligent ist das Wieso. Immortan Joe verspricht seinen Warboys durch „auf der Sonne reiten“, also Selbstentzündung des Gefährts, ins göttliche Walhalla zu kommen (kurioser Anblick: sie sprühen sich vor dem „Übergang“ den Mund silbrig), untermauert seine Macht durch das Monopol auf eine Wasserquelle, hält sich einen Harem, ernährt seine erwachsenen Kinder mit Muttermilch, die er von angeketteten Frauen abzapft. Durch das Zusammenspiel mit dem Wüsten-Setting lassen sich die thematischen Konvergenzen zu Terrororganisationen wie dem IS oder Al-Quaida leicht erkennen, kommen nicht zu kurz und entfalten eine abschreckende Wirkung.
" I live, I die. I LIVE AGAIN!"
-Nux
Dass die Fahrt nichts an Spannung verliert liegt im Gegensatz dazu ganz allein an den grandiosen Schauwerten aus Millers Fantasiewelt. Es gibt tatsächlich keinen Film der so gut mit Sand umgeht, so einfach gestrickt das klingt. Der Staub ist geradezu von atemberaubender Schönheit, strahlt aber auch eine gewisse Bedrohlichkeit aus, wodurch Sequenzen entstehen die sich tatsächlich ins Gedächtnis des Zuschauers brennen (Beispiellos: der von Blitzen durchzuckte Sandsturm), der nächtliche Blaustich setzt dem ganzen einen grandiosen Kontrast. Wenn es überhaupt einen Makel zu finden gibt, dann die ein wenig schematisch ablaufenden zwischenmenschlichen Beziehungen,
der Einfall des geläuterten Warboy war abzusehen, Furiosa und Max freunden sich an...
Da hätte man sich mehr einfallen lassen können, aber die Schauspieler retten das äußerst gekonnt. Trotzdem fehlt dem Film dadurch der nötige Schliff zum Meisterwerk.
"What are you doing?"
"Praying."
"To who?"
"Anyone who's listening."
-Dag und Toast
Womit wir auch gleich am fast wichtigsten Punkt wären (welch grandiose Überleitung): *Tom Hardy ist geradezu eine Idealbesetzung als Max Rockatansky. Allein seinem Talent ist es zu verschulden, dass einem der grunzende Einzelgänger Max sympathisch vorkommt, was die Darbietung zu einer unglaublich lobenswerten Darstellung macht. Auch Chrlize Theron als Furiosa und dem auch nach X-Men noch unterschätzten Nicholas Hoult als Nux wissen durchgehend zu überzeugen, man nimmt ihn den nötigen Wahnsinn jederzeit ab. Selbst Ex-Model und Sam-Witwicky-Love-Interest Rosie Huntington-Whiteley zeigt glaubhaftes Charisma. Auf Seite der Bösen treten jedoch die meisten hinter dem als König des Wahns anmutenden Immortan Joe zurück. Dies geht auf die Rechnung von Hugh Keays-Byrne, dessen Spiel widerlegt, dass einfach konstruierte Figuren nicht beängstigend sein können (siehe Darth Vader, Joe trägt ebenfalls ein Beatmungsgerät, oder Captain Nero). Immortan Joe erscheint so beängstigend und monströs, das selbst der überdrehte E-Gitarren-Truck, der sich zur psychologischen Kriegsführung in seinem Gefolge befindet, zu seinem Wesen zu passen scheint.
Fazit: Mad Max ist künstlerisch wertvoll, überdreht und schauspielerisch gut. George Miller jedoch ist ein Genie.
*Ich bin ein Sünder, ich habe die alten Filme nicht gesehen