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    Football Under Cover
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Football Under Cover
    Von Andreas Staben

    Beim Talente-Campus der Berlinale lernten sich 2005 die deutsche Nachwuchsregisseurin Marlene Assmann und der Iraner Ayat Najafi kennen, die beide jeweils einen Film über fußballspielende Mädchen vorstellten. Als das Gespräch darauf kam, dass es im Iran eine Frauen-Nationalmannschaft gibt, die noch nie gegen ein anderes Team antreten konnte, fassten sie den Plan, ein Spiel zu organisieren: Assmann und ihre Manschaftskameradinnen vom Kreuzberger Bezirksklassenverein BSV Al-Dersimspor wollten in Teheran als Erste gegen das Länderteam antreten, das Match und seine Entstehungsgeschichte sollte zugleich Gegenstand eines Films sein. In einer langwierigen Vorbereitung galt es viele bürokratische und kulturelle Hürden zu überwinden, zumal den Frauen im Iran nicht einmal das Zuschauen bei den Spielen der Männer erlaubt ist und sie selbst nur außerhalb der öffentlichen Sphäre kicken dürfen. Nach vielen Rückschlägen kommt es im April 2006 tatsächlich zum offiziellen Freundschaftsspiel in der iranischen Hauptstadt, das es ohne die filmische Begleitung des Prozesses womöglich nie gegeben hätte. Die Dokumentation „Football Under Cover“, die in Co-Regie von Ayat Najafi und Marlenes Bruder David Assmann entstand, ist vor allem durch diese Wechselwirkung und das Spannungsverhältnis zwischen Anlass und Aufzeichnung bemerkenswert. Die Kamera öffnete Türen, aber beim großen Spiel, das nur Frauen besuchen durften, mussten auch die beiden Regisseure vor der Stadiontür bleiben.

    Assam und Ayafi schildern die Entwicklung des doppelten Projekts von Fußballspiel und Dokumentarfilm chronologisch, wobei jeweils zwei Spielerinnen aus Berlin und aus Teheran individuell porträtiert werden. Die Kreuzbergerin Susu erzählt von ihrer großen Fußball-Leidenschaft, die von der Konkurrenz zum großen Bruder geprägt ist, und Mitinitiatorin Marlene Assmann wird beim Vorbereitungsbesuch im Iran begleitet. Sie ist zu Gast bei Narmila, deren Mutter vor der Revolution selbst Nationalspielerin war und ihr das Flanken beigebracht hat. Die beiden nehmen sich diskret den Freiraum, den Niloofar offensiv einfordert. Sie tritt ohne Kopftuch vor die Kamera und verkleidet sich sogar als Junge, um einmal ohne einengende Kleidung trainieren zu können. Das Spielen mit Kopftuch ist nur eine der iranischen Sittenregeln, auf die die Berlinerinnen sich vorbereiten müssen – lange Zeit ohne zu wissen, ob die Reise überhaupt stattfinden kann. Der Spieltermin wird mehrmals verschoben und die Veranstaltung vom größten Stadion auf einen besseren Bolzplatz verlegt. Notgedrungen reist der Kreuzberger Tross dann ohne Visum in den Iran, aber schließlich findet das Spiel, an dessen Organisation jetzt auch der Fußballweltverband FIFA teilnimmt, doch statt, wenn auch ohne öffentliche Werbung und ohne Niloofar. Sie darf nicht mitspielen. Eine Begründung für diese Entscheidung gibt es nicht.

    Für die Verwirklichung einer Idee, wie sie „Football Under Cover“ zugrunde liegt, ist viel diplomatisches und organisatorisches Geschick erforderlich. Wenn sich etwa ein iranischer Beamter wegen der ablehnenden Haltung Deutschlands gegenüber des Atomprogramms von Präsident Ahmadinedschad weigert, ein Fax nach Berlin zu schicken oder das Spiel an fehlenden langärmeligen Trikots zu scheitern droht, dann zeigt sich die Ungewissheit eines erfolgreichen Ausgangs. Die Beschreibung der Hindernisse bleibt in „Football Under Cover“ allerdings schlaglichtartig, einordnende Kommentare hätten an mancher Stelle über den flüchtigen Eindruck hinaus für mehr Klarheit sorgen können. Der Verzicht auf jede analytische Außenperspektive bedeutet auch, dass die komplexe Bindung des Films an seinen Gegenstand und die gegenseitige Abhängigkeit sich kaum in der Form der Dokumentation widerspiegeln. Die Präsenz der Kamera bedeutet vor allem, dass eine Öffentlichkeit hergestellt wird, und wie die jungen Frauen sich in dieser verhalten, unterliegt strengen Regeln. In einem solchen Kontext ist es mehr als nur bedauerlich, dass insbesondere das Spielverbot für die selbstbewusst auftretende Niloofar nicht genauer untersucht wird. So legt sich ein geplatzter persönlicher Traum über die Erzählung eines unwahrscheinlichen Ereignisses. Wenn Niloofar am Ende alleine mit dem Ball immer wieder den gleichen Trick übt, dann ist dies ein einprägsames Bild für den Willen trotz widriger Umstände den eigenen Leidenschaften zu folgen. Die Frage nach der Rolle des Films und seiner Macher im persönlichen Drama um die junge Frau bleibt allerdings unbeantwortet.

    Das Herzstück von „Football Under Cover“ ist das Fußballspiel selbst. Hier erweist sich die unkommentierte Unmittelbarkeit des Films, die im übrigen Verlauf als Mangel empfunden werden kann, als angemessenes Mittel. Die etwa 1.000 Besucherinnen, die trotz des Werbeverbots den Weg ins Stadion gefunden haben, nutzen die Gelegenheit. Es wird gesungen und getanzt, unter die Sprechchöre mischt sich zunehmend Protest gegen die Bevormundungen und Beschränkungen, die das Regime den Frauen auferlegt. Die allgegenwärtigen Sittenwächterinnen in ihren schwarzen Gewändern haben Mühe, für Disziplin zu sorgen. Unter beklemmenden Voraussetzungen kommt unerschütterliches Selbstbewusstsein und Hoffnung zum Vorschein. Das Bild des Co-Regisseurs, der gemeinsamen mit dem türkischen Präsidenten des Kreuzberger Clubs nervös vor dem Stadion, in das sie nicht hinein dürfen, auf und ab tigert, ist in doppelter Hinsicht aussagekräftig. Zum einen bringt es die absurden Umstände des Leben unter dem Diktat der Staatsreligion prägnant zum Ausdruck. Zum anderen verweist es einmal mehr auf die Entstehungsbedingungen dieses erstaunlichen Films. Sehenswert ist „Football Under Cover“ somit für seine Einblicke in Lebensumstände, die selten zu sehen sind, formal erfüllt er dagegen nur Mindestanforderungen. Leider werden Zusammenhänge und Hintergründe nur sehr oberflächlich thematisiert, viele Fragen bleiben offen. Im Iran wird dieses Dokument natürlich nicht gezeigt.

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