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    Im Reich der Raubkatzen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Im Reich der Raubkatzen
    Von Jan Hamm

    Mit „Der König der Löwen 3D" ist Disney im September 2011 ein echter Coup gelungen: 93 Millionen Dollar spielte die dreidimensionale Version des Zeichentrick-Klassikers allein in den USA ein - das ist knapp ein Drittel des US-Erlöses aus dem Startjahr 1994. Schon wird gemunkelt, der Konzern könnte damit einen 3D-Wiederaufführungstrend lostreten. Bereits im April war in die hauseigene Wildlife-Doku „Im Reich der Raubkatzen" erfolgreich in den Staaten gelaufen, die Blu-ray- und DVD-Starts der beiden Filme legte Disney also folgerichtig zusammen. Hier wie da wird von einem Löwen-Jungen erzählt, das sich nach dem dramatischen Verlust der Eltern in der Wildnis behaupten muss. Und hier wie da dient eine hemmungslos vermenschlichte Tierwelt als Botschafter Disney'scher Familienwerte. Trotz hohem Kitschfaktor ist „Im Reich der Raubkatzen" dabei ein unbedingt sehenswerter Film – der Überlebenskampf der Titelhelden ist spannend inszeniert, vor allem aber haben BBC-Dokuprofi Alastair Fothergill („Unsere Erde - Der Film", „Deep Blue"), Regiepartner Keith Scholey und sein Kamerateam Panoramen von überirdischer Schönheit in der kenianischen Savanne aufgenommen.

    Die junge Mutter Layla und ihre Tochter Mara sind in ihrer starken Löwenfamilie gut aufgehoben - als Layla sich jedoch bei einem Jagdunfall verletzt, fällt sie hinter dem Rudel zurück. Mara will bei ihrer verwundeten Mutter bleiben, ist jedoch noch zu unerfahren, um alleine auf die Pirsch zu gehen. Derweil sammelt Löwenpatriarch Kali, der mächtige Herr des nachbarlichen Territoriums, seine Söhne um sich und überschreitet die Grenze, um eine neue Dynastie zu begründen. Der schwächelnden Layla bleibt nur eine Chance, Mara in die Sicherheit des Rudels zurück zu führen: Sie muss die Konfrontation mit Kali riskieren. Auch die Geparden-Mutter Sita steht vor gewaltigen Herausforderungen. Knapp entkommt sie einem Angriff des Kali-Clans, nur um bei der langen und anstrengenden Flucht durchs hohe Gras zwei ihrer fünf Jungen an gefräßige Hyänen zu verlieren...

    Mit Alastair Fothergills spektakulärem Natur-Bilderbogen „Unsere Erde" von 2009 hat das Label Disneynature ein starkes Debüt gefeiert; „Im Reich der Raubkatzen" ist nun bereits der vierte Film des Disney-Tochterunternehmens. War „Unsere Erde" noch aus Sequenzen der BBC-Erfolgsserie „Planet Erde" zusammengestellt, ist „Im Reich der Raubkatzen" nun durch und durch Disney-Produkt. Die Vermenschlichung der Tierwelt geht hier zum Glück nicht so weit wie bei Luc Jacquets „Die Reise der Pinguine", einem Film, der aus der Sicht der kleinen Frackträger geschildert wurde. Gleichwohl halten Kenias Wildkatzen hier als Handlungsträger einer erbaulichen Familiengeschichte mit entzückenden Jungtieren, furchtlosen Müttern und Bilderbuch-Happy-End her. Apropos große Gesten: In bester Biopic-Manier künden dann auch Texttafeln im Abspann vom weiteren Schicksal der tapferen Maunzer.

    Und warum auch nicht? Der tägliche Überlebenskampf zwischen monströsen Krokodilen, listigen Hyänen und massiven Flusspferden ist dank großartiger Kamera- und Schnittarbeit ungeheuer spannend in Szene gesetzt. Schade nur, dass der Off-Text dabei so überzuckert wurde. Ein britischer Märchenonkel-Großmeister wie „Planet Erde"-Erzähler David Attenborough hätte das alles wohl noch mit Würde aufs Band gebracht. Der für den US-Markt viel attraktivere Samuel L. Jackson ist allerdings schon eine äußerst schräge Besetzung für hochdramatisches Geflüster, mutmaßlichen Teenie-Slang („Für Mara ist Fang der Best Dad Ever") und offenen Pathos („Diese Jungtiere sind der lebende Beweis für die Kraft mütterlicher Liebe").

    „Im Reich der Raubkatzen" ist schamlos sentimental – und kommt damit durch. Denn bei einer derart atemberaubenden Bilderflut dürften selbst die größten Zyniker kaum aus dem Staunen kommen. „Im Reich der Raubkatzen" hält, was der Name Fothergill verspricht. Auch ohne 3D- oder IMAX-Erweiterung sind die Landschaftsplateaus aus dem Maasai Mara Nationalreservat von so leinwandsprengender, ätherischer Schönheit, dass man gleich jedes neue farbenprächtige Panorama zum visuellen Höhepunkt des Films erklären möchte – seien es wogende Wolkenberge über grasigen Ebenen oder andersweltlich glühende Morgennebel auf weiter Steppe. Kaum minder beeindruckend sind die angenehm ruhig geschnittenen und gestochen scharfen HD-Aufnahmen der majestätischen Löwen.

    Fazit: Disneys lautstarke Wertepolitik mag streitbar sein – dennoch dürfen hier auch Skeptiker einen Blick riskieren. „Im Reich der Raubkatzen" ist ein rauschendes Fest für die Sinne, das optimalerweise auf einer großen Leinwand oder im Blu-ray-Format genossen werden sollte.

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