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    Demon Pond
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Demon Pond
    Von Björn Becher

    Fantasy-Märchen verbindet man mit Effekten, die möglichst pompös und beeindruckend wirken sollen. Auch den Namen des Regisseurs Takashi Miike verbinden einige mit Effekten, vor allem mit blutigen, aber auch mit Fäkalien-Ferkeleien. Und das, obwohl er schon sooft (z.B. „The Bird People In China“, Zebraman) bewiesen hat, dass er deutlich vielfältiger ist. Wenn sich also irgendein 08-15-Regisseur einer ganz klassischen japanischen Fantasy-Sage annimmt, dann muss man mit ausufernden Effekten rechnen. Genau das Gegenteil erwartet einen aber bei Miikes „Demon Pond“. Eine Bühne, darauf gezeichnet ein Fluss, zwei Gebäude am Rand, eine Gruppe Schauspieler und ein paar ganz wenige Requisiten - das ist alles, was er braucht. Mit diesen wenigen Hilfsmittel zeigt er ein ganz neues, beeindruckendes Fantasy-Gesicht, welches aber leider nur seine Fans und begeisterte Theatergänger mit kleinem Interesse an japanischer Mythologie interessieren dürfte.

    Japan, rund hundert Jahre vor unserer Zeit: Ein kleines Dorf leidet unter der Dürre. Leicht außerhalb an einem Fluss wohnt das junge Ehepaar Akira (Shinji Takeda) und Yuri (Tomoko Tabata). Ihr Leben verläuft isoliert von der Dorfgemeinschaft. Eines Tages kommt der Wanderer Gakuen Yamazawa (Ryuhei Matsuda) vorbei. Er erzählt der schönen Yuri, dass er nach seinem besten Freund suche, der vor zwei Jahren verschwunden sei. Er ist nie mehr von einer Wanderschaft zurückgekehrt, welche ihn in jene Gegend führte. Yuri erkennt ihren Mann in dem vermissten Freund. Bevor sie Gakuen, von dem sie befürchtet, er würde ihr ihren Mann wieder entreißen, fortschicken kann, entdeckt er Akira, seinen verschwundenen Freund. Der erzählt ihm, warum er das Leben in der Großstadt Tokyo gegen eines in der Einsamkeit ausgetauscht hat: Auf seiner Wanderschaft traf er einen alten Mann, der dort wohnte, wo nun er wohnt. Der alte Mann erzählte ihm eine Legende. Einst herrschte die Drachengöttin Shirayuki (Yasuko Matsuyuki) in der Gegend und setzte das Gebiet unter Wasser. Den Menschen gelang es eines Tages, sie in ein Gewässer zu verbannen. Solange drei Mal am Tag zu bestimmten Uhrzeiten die Glocke geläutet wird, bleibt sie dort gefangen. Wird das Glockenläuten einmal vergessen, kommt sie frei und das ganze Gebiet wird überflutet, was alle Menschenleben vernichten würde. Bevor der alte Mann starb, konnte er Akira noch das Versprechen abringen, für ihn die Glocke zu läuten…

    Von der heutigen Warte aus betrachtet, scheint „Demon Pond“ für Miike die optimale Vorbereitung für sein auf der Berlinale 2006 vorgestellten Experimentalfilm „Big Bang Love, Juvenile A“ gewesen zu sein. Dort verzichtet Miike, ähnlich wie Lars von Trier in Dogville, auf ein richtiges Setting und stellt zum Beispiel Gefängniszellen mit Hilfe von Kreidestrichen auf dem Boden dar. Was liegt dann näher als in Vorbereitung auf einen Film, der wie ein Theaterstück inszeniert ist, bei einem wirklichen Theaterstück Regie zu führen. Dazu nahm er sich 2004 der bekannten Geschichte von Kyoka Izumi an und das mit überwältigendem Erfolg. Zum einen waren die Karten schon am ersten Tag restlos ausverkauft, zum anderen stimmt auch die Qualität der Adaption.

    Dem überwältigenden Zuschauerzuspruch ist es wohl auch zu verdanken, dass das Theaterstück „abgefilmt“ wurde und so nun auch dem deutschen Zuschauer Dank DVD-Veröffentlichung zuänglich ist. Der oft verächtlich benutzte Begriff „Abgefilmt“ trifft hier aber nicht ganz den Kern der Sache. Auch wenn „Demon Pond“ aus der wirklichen Theateraufführung besteht und nicht noch einmal extra für eine Filmversion nachbearbeitet wurde, so sorgt doch die Kamera dafür, dass das Erlebnis ein anderes ist, als es im Theater wäre. Die Kamera selektiert, indem sie den Schwerpunkt auf bestimmte Ereignisse auf der Bühne legt. Sie dramatisiert aber auch zusätzlich, indem sie Close-Ups der Schauspieler möglich macht und damit deren Mimik nutzt, um Emotionen zu erzeugen. Zudem gibt es in ein paar Momenten wundervolle Rangeleien der Kamera mit dem Bühnenlicht. Das macht „Demon Pond“ schon einmal zu mehr als zu bloßem „abgefilmten“ Theater.

    Auch die Inszenierung des Theaterstücks selbst vermag zu überzeugen. Die ursprüngliche Geschichte wurde zusammengefasst und verändert, um so die Einheit des Ortes erreichen zu können. So finden alle Geschehnisse direkt vor dem Glockenturm statt, was abseits passiert, erfährt man nur nebenbei. Besonders sticht bei der Inszenierung die gekonnte Umsetzung der verschiedenen Zeitebenen heraus. Wenn zum Beispiel Akira seinem Freund Gakuen erzählt, wie er zur Aufgabe des Glöckners kam, finden diese Geschehnisse gleichzeitig im Hintergrund auf der Bühne statt und drängen sich dabei immer im richtigen Moment in den Vordergrund. Zudem findet auch eine Interaktion zwischen den Figuren aus der Vergangenheit und jenen aus der Gegenwart statt.

    Angereichert ist „Demon Pond“, vor allem im ersten Teil, mit sehr viel Humor. Dieser besteht rund zur Hälfte aus Slapstick, der für, mit dem japanischen Humor nicht so vertrautem Publikum, sehr ungewöhnlich sein dürfte und über den sicher nicht jeder lachen kann, zumal auch einige Szenen ins Leere laufen. Den restlichen Humoranteil liefert der überdrehte japanische Dialogwitze, der mit einfachsten Mitteln wie Wiederholungen, Sprach- und Hörfehlern arbeitet, aber nichtsdestotrotz höchsteffektiv ist, wie zum Beispiel ein Meisterwerk in dieser Hinsicht, University Of Laughs, beweist. An diese Dialogwitzreferenz kommt „Demon Pond“ bei weitem nicht ran, kann aber trotzdem immer mal wieder begeistern. Das japanische Saalpublikum, wie anhand der Lacher zu vernehmen ist, allerdings noch mehr als es wohl mit westlichen Zuschauern der Fall gewesen wäre. .

    Gegen Ende hin werden die Geschehnisse dann deutlich dramatischer. Sprechende Fische und Krabben machen Platz für das große Finale, welches zwar nicht ganz die Dramatik von „Romeo und Julia“ aufweist, nichtsdestotrotz gelungen ist, vor allem Dank der schönen Schlusspointe. Die 130 Minuten bis dahin werden allerdings nur wenige bewältigen. Denn „Demon Pond“ ist trotz aller Qualitäten absolut nur Ware für hartgesottene Fans des Regisseurs, die dessen Werk möglichst komplett erfassen wollen und einige wenige an japanischer Mythologie und Theaterkunst Interessierte. Die große Masse selbst der Asien-Film-Fans wird das ruhige, enorm von den Emotionen der Darsteller, darunter auch eine ganze Reihe bekannter japanischer Filmschauspieler, lebende Stück wohl eher meiden.

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