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    We Want Sex
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    We Want Sex
    Von Daniel Jacobs

    1968 schrieben die weiblichen Mitarbeiter des Ford-Werkes in Dagenham britische Gleichberechtigungs-Geschichte: Die mutigen Näherinnen widersetzten sich sowohl den von Männern geleiteten Gewerkschaften, als auch dem US-Automobilkonzern und erreichten mit ihren Protesten schlussendlich ein Gesetz zur gleichen Bezahlung von Männern und Frauen. Ein Meilenstein nicht nur für das englische Arbeitsrecht. Unter der Regie von Nigel Cole entstand nun, mehr als vierzig Jahre danach, die spritzige Komödie „We Want Sex", welche die Ereignisse aus Dagenham dramatisiert und einen vergnüglichen Blick auf die damalige Rolle der Frauen wirft.

    Im Ford-Werk der englischen Autostadt Dagenham kommen auf 50.000 männliche Mitarbeiter 187 weibliche Beschäftigte. Allesamt sind sie als Näherinnen tätig. Schlecht geht es ihnen nicht. Die Bezahlung ist nicht sonderlich gut, aber ausreichend. Das Dach ihrer Werkshalle lässt den Regen durch, im Sommer ist es stickig. Man weiß sich zu helfen, wahlweise werden Eimer aufgestellt oder die Klamotten ausgezogen. Die Machtverhältnisse sind klar geregelt, die Belegschaft insgesamt zufrieden. Dies ändert sich, als der herzensgute Gewerkschaftsvertreter Albert (Bob Hoskins) ihnen mitteilt, dass die Geschäftsführung die Frauen von nun an als „ungelernt" einstuft. Deshalb sollen die Näherinnen für ihre Arbeit schlechter bezahlt werden. Das kann und das wollen diese jedoch nicht so einfach akzeptieren. Man protestiert, wendet sich an die Management-Spitze. Als besonders geschickt in den Verhandlungen erweist sich dabei Rita O'Grady (Sally Hawkins), deren forsches Auftreten und loses Mundwerk die Männer beeindruckt. Anfangs noch belächelt, starten die mutigen Damen von Dagenham den ersten weiblichen Streik der britischen Geschichte und bringen so selbst die Ford-Chefs in Detroit gehörig ins Schwitzen...

    2003 gelang Regisseur Nigel Cole mit seinen „Kalender Girls", der wahren Geschichte eines Hausfrauenbundes, der mit Nacktfotos Geld für einen guten Zweck sammelt, ein beachtlicher Erfolg. Zuvor vergnügte er sein Publikum mit „Grasgeflüster", in dem eine Witwe den Anbau von Hasch als Einnahmequelle für sich entdeckt. „We Want Sex" treibt nun seine Vorliebe für mutige weibliche Charaktere, die etwas anstellen, das ihnen niemand zugetraut hätte, auf die Spitze. Der Film präsentiert sich dabei als feministische Märchen-Geschichte. Immer unterhaltsam, auch wenn bereits zu Beginn der Ausgang des Ganzen auf der Hand liegt. Das Erzähltempo stimmt, nicht zu hastig, aber auch nicht lahm.

    Die Leistungen des Ensembles, angeführt von Sally Hawkins, überzeugen durch die Bank. Für die Rolle der Aktivistin Rita O'Grady, von Autor William Ivory als Sprachrohr der Belegschaft angelegt, hat Nigel Cole in Sally Hawkins auf jeden Fall die passende Besetzung gefunden. Wer sonst könnte die mutige Rita, die alles andere als auf den Mund gefallen ist, so authentisch porträtieren wie die „Happy-Go-Lucky"-Darstellerin? Sie ist rotzfrech und aufgedreht, eine emanzipierte Hausfrau, die das Rampenlicht genießt. Hervor stechen ebenfalls Miranda Richardson („Sleepy Hollow") als starke Dame im Kabinett des Premierministers, die für die meisten Lacher sorgt und sich den Näherinnen verbunden fühlt, sowie Rosamund Pike („An Education") als gebildete, aber unterdrückte Frau, der die Proteste in Dagenham aus der Seele sprechen.

    Nigel Coles sonnige Bildsprache und seine schlagfertigen Darstellerinnen, kombiniert mit einem fröhlichen Soundtrack, machen „We want Sex" schon fast zu einer Feel-Good-Komödie. Es gibt Momente, da wünscht man sich dann aber doch eine bodenständigere Schilderung der Ereignisse eine Pause von dem gnadenlosen Optimismus, der selbst in den niederschlagenden Szenen versprüht wird. Doch Nigel Cole will mit der Geschichte hinter dem historischen Ereignis vor allem eines: unterhalten.

    Fazit: „We want Sex" handelt von Arbeitsrecht- und Frauenbewegungs-Historie. Was trocken klingt, ist hier heiter aufbereitet. Wer keinen großen Wert auf Überraschungen oder historische Genauigkeit legt, wird seine Freude an der märchenhaften Geschichte der 187 Näherinnen aus Dagenham haben. Vom deutschen Titel sollte man sich allerdings nicht fehlleiten lassen, die Damen kämpfen nämlich nicht für „Sex", sondern für „Sex Equality", also die Gleichwertigkeit der Geschlechter. Wer Freizügiges erwartet, sitzt im falschen Film...

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