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    Shaolin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Shaolin
    Von Stefan Dabrock

    Eine der Stärken des Hongkong-Kinos ist sein bedingungsloses Vertrauen in die Kraft der Emotionen, die dann auch entsprechend wuchtig und monumental in Szene gesetzt werden. Der Bogen reicht dabei von Chang Chehs in den 1960er und 70er Jahren entstandenen Oden an die bedingungslose Männerfreundschaft, über die Todesballette eines John Woo ("A Better Tomorrow") aus den 80ern und 90ern, bis hin zur "Infernal Affairs"-Reihe von Andrew Lau und Alan Mak. Benny Chan, der bereits 1990 mit seinem Debüt "A Moment of Romance" aufgezeigt hat, wie sich atemlose Action und intensive Gefühle erfolgreich miteinander verbinden lassen, legt nun mit "Shaolin" ein Martial-Arts-Drama vor, das nicht nur die Rasanz eines Blockbusters besitzt, sondern auch und vor allem als differenziert-philosophisches Plädoyer für pazifistische Werte punktet.

    Das China der 1920er Jahre wird von zahlreichen Warlords dominiert. Ihre kriegerischen Auseinandersetzungen verhindern, dass das Land zur Ruhe kommt. Vor diesem Hintergrund verfolgt General Hao Jie (Andy Lau) einen Feind bis in ein Shaolin-Kloster und bringt ihn entgegen der heiligen Regeln dieses Ortes kurzerhand zur Strecke. Einige Zeit später wird Hao Jie jedoch zum Ziel eines Verräters aus den eigenen Reihen: Cao Man (Nicholas Tse) trachtet ihm nach den Leben. Nur mit Mühe gelingt ihm die Flucht vor dessen Schergen. Ausgerechnet das Shaolin-Kloster, in dem er sich einst den Zorn der Mönche zugezogen hat, bietet sich als sicherster Rückzugsort an. Der Abt des Klosters wirft die Vergangenheit nicht in die Waagschale, sondern gewährt Hao Jie Zuflucht. Cao Man will dies jedoch nicht hinnehmen und versucht das Kloster zu stürmen, um seinen Feind ins Jenseits zu befördern...

    Stilistisch findet "Shaolin" seinen Platz im historisch gerahmten Action-Blockbuster-Kino, das seit jeher zu den größten Exportschlagern der ehemaligen Kronkolonie gehört. Benny Chan konzentriert sich dabei nicht ausschließlich auf Martial-Arts-Szenen, sondern deckt ein weites Spektrum an Action-Spielarten ab. Eine Verfolgungsjagd in Kutschen weiß der Regisseur ebenso effektiv zu inszenieren, wie ohrenbetäubendes Kanonenfeuer und epische Schlachten. Die Urgewalt solcher Szenen unterstreicht dabei den fundamentalen Gegensatz zwischen dem pazifistischen Leben der Mönche und dem kriegerischen Chaos außerhalb der Klostermauern – der wuchtige Soundtrack tut sein Übriges. Vor allem das Bombardement der Briten, die sich in den Clinch zwischen den Warlords einmischen, kommt als wahre Orgie der Zerstörung daher und ist ein ebenso klares wie effektvolles Gegenbild zum Shaolin-Lebenskodex. Dessen moralische Überlegenheit manifestiert sich in der inneren Unerschütterlichkeit der Mönche: Die Kanonen der Briten können nur äußeren Schaden anrichten und so muss die Gewalt zwangsläufig scheitern.

    Hao Jie soll sich diesen inneren Frieden hingegen erst erarbeiten. Seine Wandlung steht im Zentrum von "Shaolin", dabei wird der spirituelle Weg aber keineswegs vorschnell glorifiziert. An der Figur eines von Jackie Chan verkörperten Kochs zeigt der Regisseur Benny Chan auf, dass die geistige Einkehr auch in gefährliche Passivität münden kann. Während Hao Jie erst einmal die von ihm mitzuverantwortenden Übel der Welt hinter sich lassen muss, um den tieferen Sinn des Lebens zu erkennen, hat sich der Koch von vornherein in einem mentalen Stillstand eingerichtet. Sein Verweilen im Kloster ist schließlich nur noch Ausdruck seiner Unfähigkeit, mit dem stetigen Wandel der Welt zurechtzukommen. Dabei lehrt die Philosophie der Shaolin, dass die geistigen Werte stets einen praktischen Bezug zur Außenwelt bewahren müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Benny Chan erzählt also nicht nur von der Läuterung eines Gewaltherrschers, sondern auch ganz universell von der Notwendigkeit, sich den Hindernissen des Lebens ganz praktisch zu stellen. Diese hübsch entwickelte Einsicht verleiht Chans Film besonderen Reiz, auf ihr liegt der Schwerpunkt und nicht auf der Choreografie der Kampfszenen, die auch nie ganz das virtuose Niveau einiger anderer Hongkong-Produktionen erreichen. Dass dann gerade Jackie Chan in seiner Rolle als vergeistigter Ordensbruder noch mit einer kecken Actioneinlage aufwarten darf, ist eine nette Pointe.

    Fazit: Die Mischung macht's: Benny Chan verquickt die Virtuosität des Hongkong-Kinos mit einer packenden Geschichte rund um Krieg, Verrat und Läuterung. Darüber hinaus warten seine "Shaolin" mit einer zeitlosen Philosophie auf, die allzu einfache Antworten geschickt umschifft.

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