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    Alles koscher!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Alles koscher!
    Von Robert Cherkowski

    Während sich Deutschland sowohl auf der Pro- wie der Contra-Seite der Sarrazin-Debatte nach allen Regeln der Kunst im Schlammschlachtenkreis dreht, hat man in Großbritannien, der Heimat des schwarzen Humors, längst das komödiantische Potential erkannt, das sich zwischen Islamismus, vorgeblicher Toleranz und den tausend Gesichtern der Islamophobie ergibt. Zuletzt hat Christopher Morris mit „Four Lions" das Phänomen des Terrorismus auf seinen humoresken Nährwert abgeklopft und mit geringen Mitteln einen modernen Satire-Klassiker aus dem Ärmel geschüttelt, in dem er Selbstmordattentäter, Schläfer und radikale Islamisten als vollkommen planlose Dummschwätzer zeigte. Ein paar Muftis brabbeln Fatwas in ihre Bärte und ein paar befangene Europäer fragen sich, ob man über ein so heikles Thema wohl scherzen dürfe - doch schlussendlich ist Humor niemals der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, ist ein gesundes Maß an Koketterie immer noch der stärkere Diskussionsbeitrag als all das, was im Verborgenen geraunt wird. Mit Josh Appignanesis „Alles koscher" steht nun die zweite Islamismus-Komödie innerhalb weniger Monate ins Haus und zwangsläufig stellt sich die Frage, ob es der neueste Provokationsschwank Made in Britain mit dem Publikums- und Kritikererfolg von „Four Lions" aufnehmen kann.

    Mahmud (Omid Djalili) ist Muslim und lebt in London. Vor allem aber ist er ein liebenswerter Idiot, wie er im Buche steht. Am liebsten hängt er vor der Glotze, kuschelt mit der Liebsten (Archie Panjabi), trinkt Dosenbier und redet Blödsinn. So lebt er ein solides Mittelstandsleben, das Schritt für Schritt aus dem Gleichgewicht gerät. Denn zuerst will sein Sohn Rashid (Amit Shah) die Tochter des berühmt-berüchtigten Hasspredigers Arshad El Masri (Yigal Naor) heiraten. Dieser ist dem verlotterten Religionsmuffel allerdings ein Dorn im Auge, schließlich hat er Gefallen am gottlosen westlichen Leben gefunden. Damit sein Sohn jedoch die Liebe seines Lebens heiraten kann, erklärt er sich bereit, für den verbohrten Brautvater den überzeugten Fundi zu spielen. Als wäre der leicht vertrottelte Mahmud mit dieser Scharade nicht schon überfordert genug, findet er nach dem Tod seiner Mutter auch noch heraus, dass er als Kind adoptiert wurde und er – Schreck lass nach! - eigentlich Jude ist. Fortan muss sich Mahmud nicht nur mit seinem fadenscheinigen muslimischen Glauben, sondern auch seinen jüdischen Wurzeln auseinandersetzen. Zusammen mit seinem seinem neuen Glaubensgenossen und Weggefährten, dem jüdischen Taxifahrer Lenny (Richard Schiff), versucht er sich am Spagat zwischen Islam und Judentum...

    So unvorstellbar modern besonders uns Deutschen ein unverkrampfter Umgang mit diesen Themen auch vorkommen mag, so altbekannt sind hier Humorlevel und unbeholfene Inszenierung. Beides rangiert in etwa auf Augenhöhe mit Brit-Klamotten aus den 50er und 60er Jahren. Ein einfacher Mann aus dem Volk gerät in halsbrecherische Fisimatenten, aus denen er durch Notlügen und Verstellungen wieder herauskommen möchte. Dass dabei das Chaos vorprogrammiert ist, versteht sich von selbst. Fortan zieht Mahmud eine Spur der Verwüstung durch Anti-Israel-Demos, Bar-Mitzwahs, Moscheen und auch sonst so gut wie jede religiöse oder soziale Institution, die auf seinem Weg liegt. Wo „Four Lions" eine spitzfindige Satire war, die vor urigem Klamauk zwar nicht zurückschreckte, sich jedoch vor allem auf die Zuspitzung realer Befangenheiten und Klischees konzentrierte, legt „Alles koscher" seinen Fokus von Anfang an auf einen ballermannesquen Rumpel-Humor, der Limbo mit dem Niveau spielt und dem kein derber Spaß zu peinlich ist.

    Da Djalili und Regisseur Josh Appignanesi zu keinem Zeitpunkt mehr wollen als den dreckigen, schnellen Lacher und die Zigarette danach, kann man ihnen diese Herangehensweise kaum übel nehmen. Über die bestenfalls rustikale Inszenierung mag das jedoch nicht hinwegtäuschen. Mehr als einmal wirkt das schluderige Skript, als wäre es in Drehpausen entstanden und diene nur dem Zweck, einige Sketche, die der Fernseh- und Stand-Up-Komiker Djalili noch auf Lager hatte, in ein halbwegs filmisches Korsett zu zwängen. So locker, bissig und wild auf der Bühne und im Rahmen seiner Fernsehshow „The Omid Djalili Show" auch auftreten mag – im Rahmen einer arg konventionellen Erzählung wie dieser wirkt er steif, bemüht und verloren. Spätestens wenn sich beim unpassend-verzuckerten Happy End alle in den Armen liegen, ist man entnervt von der plumpen Harmlosigkeit, die „Alles koscher" aus allen Poren dringt. Es bleibt die Einsicht, dass bei einer Komödie zwar nichts über Timing und Chuzpe geht, ein halbwegs brauchbares Drehbuch und ein Mindestmaß an Gestaltungswillen und Kunstfertigkeit aber ebenso unverzichtbar sind.

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