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    Ichi - Die blinde Schwertkämpferin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Ichi - Die blinde Schwertkämpferin
    Von Christian Horn

    Zatoichi ist eine feste Größe im asiatischen Martial-Arts-Kino. Zwischen 1962 und 1989 trat die ursprünglich aus der Literatur stammende Figur des blinden Schwertkämpfers in sage und schreibe 26 Filmen und knapp über 100 Folgen einer Fernsehserie auf. Ichi wurde dabei stets von ein und demselben Schauspieler verkörpert: Shintarô Katsu. Vor sechs Jahren belebte Takeshi Kitano (Hana-Bi, Dolls) mit seinem Martial-Arts-Musical Zatoichi – Der blinde Samurai die mythische Figur wieder. Die Hauptrolle übernahm der Regisseur – wie so oft - gleich selbst. Die neueste Adaption des Stoffes, Fumihiko Soris „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“, ringt der Serie nun einen neuen Aspekt ab: Erstmals ist der blinde Schwertkämpfer eine Frau. Ansonsten arbeitet das Drehbuch die typischen Zatoichi-Stationen fleißig ab und wirkt dabei bisweilen redundant. Während Setting und Stil überzeugen, mangelt es dem Film an einer ausgegorenen Geschichte.

    Ichi (Haruka Ayase) reist mit einer befreundeten blinden Musikerin durch Japan. Als ihre Leidensgenossin von einem perversen Schläger misshandelt wird, schreitet der zufällig anwesende Wanderer Toma (Takao Osawa) ein – zwar beherzt, aber ohne nennenswerten Erfolg. Gerade als es dem gescheiterten Retter an den Kragen gehen soll, zückt Ichi ihr Schwert und macht mit dem Rüpel kurzen Prozess. Als die ebenso blinde wie attraktive Schwertkämpferin ihren Weg fortsetzt, folgt Toma ihr. In einem kleinen Dorf, das von einer berüchtigten Räuberbande tyrannisiert wird, lassen die beiden sich nieder. Kaum angelangt, kommt es auch schon zu einer folgenschweren Verwechslung: Ichi tötet eine Gruppe Räuber, doch die geplagten Dorfbewohner halten irrtümlich Toma für den heldenhaften Schwertmeister. Prompt wird er als Bodyguard engagiert, während Ichi sich weiter bedeckt hält…

    Wer an das Motiv der weiblichen Schwertkämpferin denkt, landet ganz schnell bei Kill Bill und Uma Thurman im gelben Bruce-Lee-Gedächtnisanzug. Und tatsächlich rekurrieren Tarantino und Sori vermutlich auf dieselbe Quelle, nämlich den Manga „Lady Snowblood“ und die gleichnamige Verfilmung. Bei Tarantino steht diese Verbindung außer Frage, aber auch bei „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ fallen sofort deutliche Parallelen ins Auge: Hier wie dort gibt es eine überaus talentierte Schwertkämpferin, die von dem unstillbaren Durst nach Rache getrieben durchs Land zieht. Blutfontänen und Widersacher, die ihr weibliches Gegenüber immer wieder unterschätzen, finden sich ebenfalls bereits im Manga.

    Was neu hinzukommt, ist die Blindheit der Protagonistin - und die führt wiederum geradewegs zu den Zatoichi-Motiven, an denen sich der Film abarbeitet. Ichi besitzt - naturgemäß - einen sehr gut ausgeprägten Gehörsinn. Den hat damals auch schon Shintarô Katsu beim Glücksspiel (genauer: beim Würfeln) eingesetzt. Ichi tut es ihm nun gleich. Andere Zatoichi-Standards sind der Kampf in der Dunkelheit, die im Gehstock versteckte Klinge, das Befreien eines Dorfes von einer Räuberbande und die spezifische Schwertführung (mit der Klinge nach unten). All diese klassischen Motive finden sich nun auch in „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“.

    An dieser Stelle bietet die Adaption von Fumihiko Sori also kaum Neuerungen. Was hingegen gefällt, sind die aufwändigen Kulissen, die sich als größter Pluspunkt des Films erweisen. Auch die Kostüme und letztlich der ganze Stil reihen sich stimmig in das Gesamtpaket ein und wirken auf angenehme Weise retro. Dass die Choreographie der Kämpfe nichts mit der aufwändigen Schwertakrobatik moderner Martial-Arts-Epen zu tun hat, ist erneut den Zatoichi-Ursprüngen geschuldet: Ein einziger gezielter Hieb und der Gegner ist Geschichte – so war es immer und so wird es hoffentlich auch immer sein. Die Duelle erhalten so einen für heutige Sehgewohnheiten erfrischend originellen Rhythmus. Budgetbedingte Fehltritte wie eine Szene, in der ein computeranimiertes Feuer leicht als solches auszumachen ist, sind da schnell verziehen.

    Dass „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ dennoch nur als allenfalls durchschnittliche Martial-Arts-Kost zu verbuchen ist, liegt an der schwachen Charakterzeichnung, die sowohl Ichis als auch Tomas Beweggründe für ihr Tun in Jugendtraumata verankert. Troma ist der Sohn eines großen Schwertmeisters und hat beim Training seine Mutter unglücklich verletzt, so dass diese erblindet ist. Seitdem ist er nicht mehr in der Lage, sein Schwert zu ziehen, wenngleich er eigentlich ein wahrer Könner im Umgang mit der Klinge ist. Zeitweise übernimmt Toma die Heldenrolle im Film und letztlich ist seine Figur sogar die interessantere. Das hat schließlich zur Folge, dass Ichi in einigen Szenen eher stört, weshalb das Mäandern zwischen den beiden Protagonisten im Endeffekt einfach nicht aufgeht.

    Fazit: „Ichi – Die blinde Schwertkämpferin“ überzeugt mit schönen Kulissen und einer weitgehend gelungenen Ästhetik nur in Ansätzen, während der Gesamteindruck im Durchschnittlichen versandet. Dass die Figur des blinden Schwertmeisters von einer Frau verkörpert wird, ist die einzige Innovation. An dem Eindruck, dass man das alles schon sehr oft und oft auch besser gesehen hat, ändert die weibliche Heldin kaum etwas. Am Ende bleibt solide Genrekost für Fans.

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