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    Chronicle - Wozu bist du fähig?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chronicle - Wozu bist du fähig?
    Von Christoph Petersen

    Mit Vorliebe in sozialen Netzwerken weitergereicht, erreichen virale Videos wenn's gut läuft in Windeseile riesige Zuschauermassen. Egal ob besonders süße Kätzchen oder fünf Musiker, die auf einer einzigen Gitarre spielen - solange es etwas Außergewöhnliches ist, gehen die Klickzahlen schnell in die Millionen. Solche Videos wollte auch Nachwuchsfilmer Josh Trank drehen, also hat er sich überlegt, wie man es mit filmischen Tricks so aussehen lassen kann, dass die Protagonisten seiner Filmchen tatsächlich telekinetisch begabt sind und Gegenstände allein mit der Kraft ihrer Gedanken bewegen können. Trank kamen allerlei amüsante Ideen, aber anstatt diese in einfachen YouTube-Videos zu verbraten, hat der Regisseur lieber noch eine Story um drei übermenschlich begabte Teenager drumherum gesponnen und sie zu einem Hollywoodfilm verarbeitet: „Chronicle – Wozu bist du fähig?" ist lange Zeit ein Found-Footage-Fantasy-Film, der einfach nur eine Menge Spaß macht, bevor Trank langsam aber sicher den sehr viel düstereren Pfad eines Horror-Dramas einschlägt.

    Andrew (Dane DeHaan) ist nicht gerade ein glücklicher Teenager: In der Schule gilt er als Außenseiter, seine Mutter (Bo Peterson) liegt im Sterben und sein Vater (Michael Kelly) verprügelt ihn regelmäßig. Irgendwann fängt der Schüler damit an, ständig mit einer Videokamera herumzulaufen und sein eigenes Leben zu filmen. Geht seinen Mitmenschen dieses Gehabe zunächst noch ziemlich auf die Nerven, folgt schon bald ein Moment, in dem es sich auszahlt, eine Kamera dabei zu haben: Andrews Cousin Matt (Alex Russell) und der Schul-Sportstar Steve (Michael B. Jordan) haben im Wald ein offenbar von einem Meteoriten verursachtes Loch entdeckt, in das sie nun einsteigen und sich dabei von Andrew filmen lassen wollen. Unten angekommen stoßen die drei auf eine merkwürdig leuchtende Substanz, die ihnen einen Schlag versetzt und so die Kamera zerstört... Einige Wochen später hat Andrew eine neue Kamera. Inzwischen sind die drei Teenager unzertrennlich, denn seit jener Nacht besitzen sie telekinetische Kräfte, die sie nun gemeinsam trainieren und an arglosen Supermarktkunden austesten. Doch irgendwann wird aus den harmlosen Scherzen zumindest für einen der drei bitterer Ernst...

    Die Fähigkeiten der drei Teens erinnern an Marvels „X-Men" oder die Jedi-Ritter aus „Krieg der Sterne", aber statt inmitten der Kubakrise oder gar im Weltall ist die Handlung von „Chronicle" an einer stinknormalen amerikanischen Highschool angesiedelt. Es hat sich wohl jeder schon einmal überlegt, was er tun würde, wenn er wie Superman fliegen oder wie Professor X Gedanken kontrollieren könnte. Aber durch das alltäglich-reale Setting und den Heimvideo-Look erlangt diese Frage in „Chronicle" noch einmal eine ganz andere Dringlichkeit: Zunächst würde man die Kräfte sicherlich – wie auch die drei im Film - für harmlose Späße (etwa die Röcke der Cheerleaderinnen hochwehen zu lassen) oder einen kleinen persönlichen Vorteil einsetzen, aber wie lange lässt sich der Machtrausch wirklich kontrollieren? Da kommt dann auch der deutsche Untertitel ins Spiel: „Wozu bist du fähig?" - eine spannende Frage, die in jeder Szene neu gestellt wird und die wohl kaum ein Zuschauer hundertprozentig sicher für sich beantworten könnte.

    Found-Footage-Filme (siehe dazu unser Special) erlauben eine für Hollywood-Verhältnisse extrem günstige Produktionsweise, weil sich die Protagonisten mit Handkameras einfach selbst filmen. Zusätzlich wird auch die Kreativität der Regisseure besonders gefordert, weil sie sich mit den Einschränkungen des Genres möglichst gut arrangieren müssen. Auf der Negativseite stehen dafür die oft extrem verwackelten Handkameraaufnahmen, die zwar einen Eindruck von Authentizität vermitteln, nebenbei aber auch gehörige Kopfschmerzen verursachen können. Josh Trank hat sich nun einen Kniff ausgedacht, wie er sich die positiven Elemente des Found-Footage-Genres zunutze machen kann, ohne dabei die negativen Auswirkungen in Kauf nehmen zu müssen: Nach der ersten halben Stunde in der Found-Footage-üblichen Wackel-Manier verwendet Andrew in der Folge seine telekinetischen Kräfte, um die Kamera schweben zu lassen. Auf diese Weise bleibt der Regisseur zwar den Regeln des Genres treu, muss sich aber nicht auf das übliche Rumgewackel beschränken und kann zusätzlich noch einige echt innovative Kameraperspektiven präsentieren.

    Von den drei Jungschauspielern gefällt ausgerechnet Michael B. Jordan („The Wire") am besten, obwohl er als Schulliebling und Footballstar eigentlich die undankbarste Rolle innehat. Auch Alex Russell („Wasted on the Young") überzeugt als Frauenheld, der mit seinen Superkräften auch seinen moralischen Kompass entdeckt. Allein Dan DeHaan („True Blood") hat zwischendurch mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Zwar überzeugt er als geplagter Teenager ebenso wie als psychopathischer Bösewicht, allerdings gewährt ihm das Drehbuch einfach zu wenige Szenen, um den Wandel vom einem zum anderen immer glaubhaft erscheinen zu lassen. Aber diesen Mangel macht „Chronicle" mit seinem großangelegten Finale, das eher an einen Comic-Blockbuster wie „Iron Man" als an einen Found-Footage-Indie wie „Paranormal Activity" gemahnt, locker wieder wett.

    Fazit: In „Chronicle – Wozu bist du fähig?" vermengt Regie-Shootingstar Josh Trank das Found-Footage- mit dem Superheldengenre zu einem innovativen Fantasy-Mix, der sich vor allem in der spaßigen ersten Hälfte als perfekter Partyfilm entpuppt.

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