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    House of Boys
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    House of Boys
    Von Christian Horn

    Die Themen Homosexualität und Aids haben es im Kino nicht leicht. Hinzu kommt, dass im gesellschaftlichen Umgang mit dem HIV-Virus in den vergangenen Jahren eine Art neue Sorglosigkeit eingetreten ist, die einer künstlerischen Aufarbeitung weitere Stolpersteine in den Weg legt. Mit „House Of Boys" kommt nun ein Queer-Drama aus Luxemburg, das die Auswirkungen der Krankheit ungeschönt und überaus tragisch verhandelt. Der erste Langfilm von Jean-Claude Schlim – fünf Jahre rang er mit der Finanzierung – besteht dabei aus zwei Teilen: Auf ein beschwingtes, beinahe märchenhaftes Sittenporträt des schwulen Amsterdam in den Achtzigerjahren, das etwa die ersten zwei Drittel der Lauflänge umfasst, folgt eine recht düstere Auseinandersetzung mit Aids. Wie bei nicht wenigen Debütfilmen leidet der Gesamteindruck aber darunter, dass Jean-Claude Schlim die Geschichte zu voll packt und daher nicht alle Handlungsstränge befriedigend zu Ende bringt.

    Luxemburg im Jahr 1984: Sein soziales Umfeld akzeptiert die Homosexualität des 17-jährigen Frank (Layke Anderson) nicht – sowohl die Eltern, als auch die Klassenkameraden finden die Neigung abstoßend. Also verlässt Frank Luxemburg, um in Amsterdam sein Glück zu machen. Dort kommt er im „House Of Boys" unter, einem schwulen Nachtclub, im dem Drag-Queen Madame (Udo Kier) das Sagen hat und die Tänzer und Callboys in einer Kommune zusammenleben. Frank steigt von einer Thekenkraft zum Striptease-Tänzer auf und verliebt sich in den attraktiven Bisexuellen Jake (Benn Northover), der mit Carole (Emma Griffiths Malin) zwar eine Geliebte hat, seinen Körper aber dennoch an Männer verkauft – unter anderem an den Amerikaner Rick (Ross Antony von Bro'Sis in seiner ersten kleinen Kinorolle). Schließlich kommen Frank und Jake zusammen, doch kurz darauf wird bei Jake die damals weitgehend unbekannte Immunschwäche-Krankheit Aids diagnostiziert...

    Zunächst porträtiert Jean-Claude Schlim die für Schwule sexuell befreite Zeit, in der sein Film spielt, wobei das „House Of Boys" als zentraler Handlungsort fungiert. In bunten Farben, mit zeitgenössischer Disco-Musik und vielen schrillen Charakteren schafft er eine teils humorvolle und gut gelaunte Coming-of-Age-Story. Zu sehen gibt es leicht bekleidete und geschminkte Männer, viel Sex in beinahe pornografischen Bildern und die Protagonisten (gewissermaßen ein Querschnitt durch die Schwulenszene), wie sie feiern, tanzen und Drogen nehmen. In weiten Teilen funktioniert „House Of Boys" in dieser Phase recht gut, wenngleich die inhaltliche Überfrachtung aufgrund der vielen Figuren, die alle mit Hintergrundgeschichte und Schicksal versehen werden, bereits hier augenfällig ist. Besonders verheerend ist das, weil für die Liebesgeschichte zwischen Frank und Jake – immerhin der wesentliche dramaturgische Motor – zu wenig Zeit bleibt. Die große Liebe zwischen den beiden jungen Männern wirkt deshalb mitunter wie behauptet.

    Die Schlussphase ist dann noch stärker von der Überladenheit des Films geprägt. Hier sollen alle Handlungsstränge, etwa die Geschlechtsumwandlung eines Transvestiten oder die Versöhnung mit den Eltern, zu einem Ende geführt werden, wobei eine Konzentration auf bestimmte Aspekte womöglich viel klüger gewesen wäre. Bisweilen wirken einzelne Szenen, darunter auch die Rückblenden, ziemlich in die Länge gezogen. Was fehlt, auch in den Dialogen, ist ein gutes Stück Prägnanz. Entfernt vergleichbar mit dem Twist aus „Million Dollar Baby" (wenn auch nicht so überraschend) wechselt die Stimmung des Films vom beschwingten Dasein im „House Of Boys" in die kühle Atmosphäre des Krankenhauses, in dem Jake kaum geholfen werden kann. Mit Sarkomen übersät und zunehmend schwach sieht der junge Mann seinem Ende entgegen – dass Aids damals kaum bekannt war, nutzt Jean-Claude Schlim, um die Fallhöhe noch zu erhöhen: Die große Rat- und Hilflosigkeit der Figuren, die doch eben noch mehr oder minder sorglos gefeiert haben, dramatisiert das ohnehin tragische Geschehen zusätzlich.

    Viele der einzelnen Teile von „House Of Boys" funktionieren für sich genommen ziemlich gut und auch die jungen Hauptdarsteller liefern eine sehr gelungene Leistung ab. Zusammengenommen gehen die einzelnen Teile jedoch nicht gänzlich ineinander auf und so hinterlassen die fortschreitend verfranzten Handlungsstränge, die unverhältnismäßige Spieldauer und das unnötig kitschige Finale am Ende einen geschmälerten Gesamteindruck. Nichtsdestotrotz ist vor allem die erste Hälfte des ambitionierten Films durchaus sehenswert und von einem Sog getragen, den Erstlingswerke nur selten erzielen.

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