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    Yelling to the Sky
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Yelling to the Sky
    Von Carsten Baumgardt

    Auf dem Papier klingt Victoria Mahoneys Ghetto-Drama „Yelling To The Sky" ein wenig wie ein unfreiwilliges „Precious"-Sequel. Das ist es aber gewiss nicht, in keinerlei Hinsicht – abgesehen von der oscarnominierten Gabourey Sidibe, die in beiden Filmen mitspielt, fehlen die gemeinsamen Qualitäten. Dass der Film nur aus Klischees besteht, ist dabei nur ein vergleichsweise geringes Übel, denn „Yelling To The Sky" ist als Ganzes und in allen Belangen schlicht ärgerlich: Mäßiges Schauspiel, ein schwaches Drehbuch und eine nervtötende Kameraführung machen das Desaster, das es in den Wettbewerb der 61. Berlinale geschafft hat, perfekt.

    Sweetness O‘Hara (Zoë Kravitz) hat es nicht leicht. Das 17-jährige Mädchen wächst in der untersten Mittelschicht eines schmuddeligen New Yorker Ghetto-Vorortes auf und bekommt von Schlägern aus der Nachbarschaft immer wieder etwas auf die Nase. Eines Tages prügeln Latonya (Gabourey Sidibe), Two Dog (Dennis Kellum Castro) und ihre Gang grundlos auf Sweetness ein, bis deren ältere Schwester Ola (Antonique Smith) zur Hilfe eilt und den Angreifern selbst ordentlich welche verpasst. Alltag. Im Elternhaus läuft es auch nicht rund. Der weiße Daddy Gordon (Jason Clarke) verdrischt seine schwarze Ehefrau Lorene (Yolanda Ross), wenn ihm danach der Sinn steht oder er ein bisschen zu viel gebechert hat. Aber auch seine beiden Töchter müssen Prügel einstecken. Lorene flieht vor ihrem gewalttätigen Mann und verschwindet für Monate, um anschließend als „Zombie-Mutter" zurückzukehren. Das nimmt sich die schwangere Ola zum Vorbild und setzt sich vorübergehend ab, bis sie mit ihrer neugeborenen Tochter Esther wieder auf der Bildfläche erscheint: Es ist ein Kommen und Gehen im Hause O'Hara. Sweetness hat genug von der Opferrolle und will lieber Täterin sein. Sie macht sich die Haare fein, wirft sich etwas Schickes über und startet eine Karriere als Dealerin von Drogen und geklauten Markenartikeln. Doch auch dieser alternative Lebensentwurf bringt Probleme mit sich...

    Filmemacherin Victoria Mahoney hat nach eigener Aussage eine Mordswut auf Hollywood. Als Tochter gemischtrassiger Eltern fühlt sie sich in der Traumfabrik unterrepräsentiert. „Ich wollte verdammt nochmal wissen, wo ich mich im amerikanischen Kino wiederfinde und warum Leute wie ich nicht wichtig sind. Ich konnte in keinem Film auch nur einen gemischtrassigen Teenager finden. Aus dieser Wut heraus entschloss ich mich, diesen Film zu machen", wettert Mahoney. Dieser impulsive Ansatz ist „Yelling To The Sky" leider auch überdeutlich anzumerken. Offenbar kopflos legte Mahoney los, kleisterte ihr Drehbuch bis zum Anschlag mit Klischees voll, holte eine alte Handkamera aus dem Keller und drückte sie Reed Morano („Frozen River") in die Hand, der damit zitternd durch die Gegend läuft. Dieser schlecht ausgeleuchtete Amateurfilmlook soll selbstverständlich Authentizität vermitteln, fällt einem aber einfach nur höllisch auf die Nerven. Die Krönung dieses gewollten Dilettantismus sind zwei Verfolgungsjagden, bei denen der Zuschauer völlig den Überblick verliert und am liebsten nach Roger Deakins um Hilfe rufen möchte.

    Das Drehbuch von Victoria Mahoney ist eines der Grundübel. Die bereits x-fach auf der Leinwand gesehenen Stereotypen wären sogar noch zu verkraften, schlimmer schlagen die plötzlichen Veränderungen der Charaktere ins Kontor. Mit einem Fingerschnippen wechseln vor allem Sweetness und ihr Prügel-Daddy die Lebenseinstellung. Das kommt jeweils so abrupt aus der Hüfte geschossen, dass jegliche Plausibilität fehlt – als wäre das grobschlächtige Skript mit einem Holzhammer gezimmert worden. Die starken, holprigen Brüche in der Dramaturgie berauben die Erzählung trotz immerhin noch erkennbarer Ansätze letztlich jeglicher Relevanz, weil die Charaktere nicht stimmig ausformuliert sind. Das reißt den Schauspielern logischerweise den Boden unter den Füßen weg. Gegen die innere Unlogik des Drehbuchs kann niemand anspielen und so wird guten Momenten von Jason Clarke („Public Enemies") oder Zoe Kravitz („Twelve") durch das ziellose Mäandern der Figuren jede Chance auf Nachhaltigkeit genommen.

    Fazit: Was dieser Film im Festival-Wettbewerb verloren hat? Nichts. Deshalb bleibt es rätselhaft, wie er dort hingelangte. „Yelling To The Sky" ist weder kinotauglich noch Berlinale-würdig - nicht formal, nicht inhaltlich, einfach überhaupt nicht – und der Rest ist pure Langweile.

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