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    Elite Squad 2 - Im Sumpf der Korruption
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Elite Squad 2 - Im Sumpf der Korruption
    Von Stefan Geisler

    Auf der Berlinale 2008 gewann der Jung-Regisseur José Padilha mit seinem umstrittenen Film „Tropa de Elite" den Goldenen Bären und damit auch die Aufmerksamkeit der Kritiker. Mit einem Film im Genre-Gewand führte Padilha seinem Publikum die gewaltigen Probleme Rio de Janeiros vor Augen: Drogenhandel, bittere Armut und die damit verbundene brutale Kriminalität sind hier Alltag. Er offenbarte, mit welcher Härte die BOPE, eine Spezialeinheit der brasilianischen Militärpolizei, ihren Kampf gegen die Drogenbosse führt. Dabei verzichtete Padilha bewusst auf eine überdeutliche Stellungnahme für oder gegen diesen Regierungsapparat, was zu heftigen Diskussionen über die Deutungsweise führte. Mit „Tropa de Elite 2" findet der Berlinale-Beitrag von 2008 einen mehr als gelungenen Nachfolger, der auf dem Berliner-Filmfestival 2011 aus unerfindlichen Gründen nur in der Nebenreihe „Panorama" zu sehen war, womit Josés eindringliches Werk diesmal die ganz große Bühne verwehrt blieb. Das ist mehr als bedauerlich, denn „Tropa de Elite 2" ist ein messerscharfer, halb-dokumentarischer Polit-Thriller, der vor keiner Instanz halt macht und einen schonungslosen Einblick in ein marodes politisches System gibt.

    Mehr als ein Jahrzehnt ist vergangen, seitdem der erbarmungslose BOPE-Captain Roberto Nascimento (Wagner Moura) in den Straßen der Elendsviertel von Rio de Janeiro aktiv für Ordnung sorgte. Vom ruhigen Platz an der Sonne kann dennoch nicht die Rede sein, ist er doch inzwischen zum Koordinator hinter den Zugriffen der gefürchteten Spezialeinheit aufgestiegen. Als ein Einsatz im Hochsicherheitsgefängnis Bangu I in einem desaströsen Blutbad endet, müssen Captain André Matias (André Ramiro) und Colonel Nascimento für die Missachtung der Menschenrechte ihren Kopf hinhalten. Matias wird zur Strafe zurück zur Polizei geschickt, dort wo die Korruption, die er eigentlich bekämpfen wollte, an der Tagesordnung ist. Währenddessen wird in den Slums ein Übel durch ein anderes ersetzt, so werden die kleinen Straßengangs von einer neuen, gut organisierten Macht verdrängt: der Militia, einer mafiösen Verbindung, in die sowohl hochrangige Polizisten, als auch Politiker involviert sind...

    Selten sind die Übergänge zwischen Recht und Unrecht so schwer auszumachen wie in José Padilhas „Tropa de Elite"-Filmen. Wie weit und mit welchen Mitteln darf die Polizei ihren Kampf gegen das Verbrechen führen, ohne sich selbst auf kriminellem Gebiet zu bewegen? Es scheint egal, ob man nun als Drogendealer, Gangsterboss, Polizist oder Richter sein Geld verdient, irgendwie steckt man in jedem Fall drin, im Sumpf des Verbrechens und der Korruption. So wird selbst Roberto Nascimento indirekt zum Mittäter, denn im Endeffekt sind er und BOPE nicht mehr als eine Schachfigur in einem Spiel um politische Macht und das große Geld. War die Figur des Roberto Nascimento im ersten Teil noch eine regierungstreue Tötungsmaschine, dem das Publikum beim Säubern der Favelas über die Schultern schauen musste, entwickelt der knallharte Lieutenant in der Fortsetzung eine weitaus liberalere Einstellung. Die Einsicht, dass er und sein gesamter Kampf gegen die Bandenkriminalität nicht mehr war, als ein Werkzeug der zigarrenqualmenden Schlipsträger gehört hierbei zu einem der größten Schritte in Robertos Entwicklung.

    So werden auch die Einsätze der BOPE, besonders drastisch in Szene gesetzt im Hochsicherheitsgefängnis von Rio de Janeiro - dem berüchtigten Bangu I, kritischer dargestellt, als es noch im Vorgänger der Fall war. Dafür sorgt der linksliberale Soziologe, Menschenrechtler und Abgeordnete Fraga (Irandhir Santos). Der unfreiwilligen Beziehung zwischen der BOPE-Führungsfigur und dem Menschenrechtler wird noch weiteres Öl ins Feuer gegossen, da Fraga inzwischen mit Nasimentos ehemaliger Herzensdame zusammenlebt und zusätzlich noch Robertos Sohn ein stark negatives Bild seines Vaters vermittelt, was alle Beteiligten gekonnt auszuspielen wissen. Generell sind diese komplexen Rollen wie schon im Vorgänger brillant besetzt. Das größte Ausrufezeichen setzt jedoch der großartige André Mattos, der mit seiner Darstellung als polemischer Politiker Fortunato eine überragende Performance abliefert, wobei er besonders in seinen Ansprachen zur Lage Rio de Janeiros seine großartigsten Momente hat.

    Ließ uns „Tropa de Elite" noch verstärkt an der Arbeit und Ausbildung einer der effektivsten Spezialeinheiten der Welt teilhaben, weicht diese Ebene nun nach und nach aus dem Sichtfeld. Den verwackelten, realistischen Handkameraaufnahmen von den Einsätzen in den Problemvierteln steht nun eine anklagende Kamerafahrt über das Regierungsviertel der Hauptstadt Brasilia gegenüber. Regisseur José Padilha geht diesmal aufs Ganze und holt aus zur Generalanklage gegen ein überholtes System. Es sind die korrupten Politiker und Beamte, die verantwortlich sind für die menschenunwürdigen Zustände in den Gefängnissen und Favelas. Padilha zeigt, was gezeigt werden muss, um den konkreten Plot in einen Kontext mit Relevanz und Sprengkraft stellen. „Tropa de Elite 2" ist mehr Dokumentation als Thriller, der seine Spannung aus der langsamen Aufdeckung des Ausmaßes der Korruption bezieht und damit ein absolutes Muss für jeden Fan des ersten Teils darstellt.

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