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    Niko 2 - Kleines Rentier, großer Held
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Niko 2 - Kleines Rentier, großer Held
    Von Andreas Günther

    Ihm gelingen große Heldentaten, doch sein drängendster Wunsch geht nicht in Erfüllung, er ist frech und lügt sogar, schließlich siegt aber sein Verantwortungsbewusstsein – mit dem kleinen Rentier Niko hat das europäische Filmteam, um den finnischen Produzenten und Drehbuchautor Hanno Tuomainen, in „Niko - Ein Rentier hebt ab" eine phantasievolle Figur geschaffen, die denkt und fühlt wie die (kleinen) Zuschauer. Gleichzeitig werden sie in eine magische Welt voller Abenteuer entführt: In „Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held", unter der Regie von Kari Juoosonen und Jørgen Lerdam, sorgt Niko nun für die rechtzeitige Lieferung der Weihnachtsgeschenke an die Kinder. Die Fortsetzung ist dabei in allen Bereichen noch einmal filigraner als der bereits gelungene Vorgänger, was ein zauberhaftes Gesamtwerk ergibt. Eine so unterhaltende, engagierte, unaufdringlich lebenskluge und vor allem kindgerechte Fabel über die Herausforderungen des Heranwachsens findet man selten.

    Nichts wünscht sich Niko sehnlicher, als dass sein Vater Prancer, der bei der so genannten ‚fliegenden Truppe' mit anderen Rentieren den Schlitten des Weihnachtsmannes zieht, wieder mit seiner Mutter Oona zusammenkommt. Doch es kommt ganz anders: Oona hat Lenni kennen und lieben gelernt. Und mit Lennis Sohn Jonni bekommt Niko einen Stiefbruder vorgesetzt, der seine Eifersucht nur noch mehr anstachelt, auch wenn seine Mutter versichert, dass er ihre Nummer eins ist. Als auch noch seine Freunde, das gescheite Flughörnchen Julius, die offenherzige Wiesel-Dame Wilma und Rentiermädchen Saga von Lenni und Jonni angetan sind, wünscht sich Niko, dass sein neuer Stiefbruder schnellstmöglich wieder verschwindet. Umso mehr wird er von seinem schlechtem Gewissen geplagt, als eine Adlerbande, angeführt von einer weißen Wölfin, Jonni entführt. Zwar gelingt es Niko seinen ungeliebten Bruder zu befreien, aber dafür tappt sein Vater mit der gesamten ‚fliegenden Truppe‘ in die Falle der weißen Wölfin, die das Weihnachtsfest verhindern will. Um Prancer und den anderen zu helfen und Weihnachten schließlich doch noch zu retten, braucht Niko die Hilfe all seiner Freunde.

    „Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held" fesselt nicht zuletzt durch den Charakter seiner Hauptfigur. Nicht, weil dieser so geradlinig wäre, sondern gerade weil er so widersprüchlich erscheint. Die großen Kulleraugen blicken einem nicht nur der Niedlichkeit wegen entgegen, sondern vermitteln auch die ganz innere Aufgewühltheit, angesichts der quälenden, neuen Familien-Situation. Niko ist nichts anderes, als ein über seine Patchwork-Familie verzweifelter kleiner Junge – nur eben in Rentiergestalt und mit Flugfähigkeit. Doch die Perspektive ist nicht auf Niko beschränkt. Auch die anderen Figuren sind vielschichtig gezeichnet: Der liebevolle, aber auch etwas feige Lenni, Prancer, der seinen Sohn zwar liebt, dem die ‚fliegende Truppe‘ aber wichtiger ist als die Familie und Oona, die allmählich befürchtet, mit Lenni die falsche Wahl getroffen zu haben. Außerdem Jonni, der Niko bewundert und traurig ist, anfangs von ihm zurückgewiesen zu werden und nicht zu vergessen die Sidekicks Julius, Wilma und schließlich das alte, fast blinde Rentier Tobias. Am weitesten wagen sich die Filmemacher vor, wenn Niko irritiert versucht, die verschrobene Weltsicht des greisen Tobias nachzuvollziehen, der einmal Anführer der ‚fliegenden Truppe‘ war. Niko muss sich fragen, ob Tobias wirklich mit Bäumen und Steinen redet – und kann nicht umhin zu bemerken, dass diese mit etwas Einbildungskraft wirklich zu leben und sogar ein Gesicht zu haben scheinen. Dabei gelingt eine bemerkenswerte Einfühlung in die Einsamkeit und den trotzigen Stolz des alten Rentiers. Haltung und Miene sagen hier alles, die pointierten Dialoge sind dezent eingesetzt und nicht zu plakativ.

    Doch nicht nur Figuren und Geschichte überzeugen, auch die Animation ist außerordentlich: Selten hat eine animierte Schneelandschaft so echt gewirkt wie hier. Das Licht ist zwar immer eine sanfte Nachmittagssonne, die auf dem Schnee glitzert, dabei aber äußerst anheimelnd. Aus dieser überzeugend gestalteten Atmosphäre gleitet das Geschehen faszinierend mühelos in das Reich der Phantasie, wenn z.B. die Rentiere zum Luftkampf mit den Adlern abheben. Obwohl kein Tier wirklich zu Schaden kommt, entsteht jene Form der Anspannung, die nur durch eine existenzielle Auseinandersetzung hervorgerufen wird. Einzig unorigineller Zug des Films ist die Weihnachtsfabrik, die inklusive der Verselbständigung sprechender Teddys zu sehr von Robert Zemeckis „Der Polarexpress" abgekupfert wirkt. Doch das fällt bei einem so wohldurchdachten, lebendigen und nachhaltig wirkenden Film, der sich ganz auf der Höhe der Zeit bewegt, nicht weiter ins Gewicht.

    Fazit: „Niko 2 – Kleines Rentier, großer Held" ist ein anmutiger und nachdenklicher, atmosphärischer und spannender Kinderfilm, bei dem die technische Umsetzung der emotionalen Tiefe in nichts nachsteht.

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