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    Phoenix Wright - Ace Attorney
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Phoenix Wright - Ace Attorney
    Von Björn Becher

    In Japan ist das Videospiel „Ace Attorney" ein Hit und ein popkulturelles Phänomen, die vehemente Art, in der dort Schlagworte wie „Objection" (Einspruch) und „Take that" (Nimm das) herausposaunt und mit expressiven Handbewegungen unterstrichen werden, hat sogar in die Kommunikation von Jugendlichen Eingang gefunden. Zwischen 2005 und 2011 sind im Land der aufgehenden Sonne sechs Teile des Spiels für die Konsole Nintendo DS erschienen. Die ersten fünf wurden auch nach Europa und die USA exportiert, wo sie ebenfalls erfolgreich liefen. Genau jene Fälle, die der Anwalt Phoenix Wright in Teil 1 bis 5 lösen muss, hat Regie-Tausendsassa Takashi Miike („Audition", „13 Assassins") nun fürs Kino adaptiert. Er verleugnet dabei zu keinem Zeitpunkt die Videospiel-Herkunft seines Stoffes, ganz im Gegenteil: „Phoenix Wright - Ace Attorney" ist ein „Prozess-Actioner" und fast so etwas wie ein „Street Fighter" im Gerichtsgebäude, ein Husarenritt voller abgefahrener und absurder Einfälle, der selbst über die Monsterlaufzeit von 135 Minuten fast durchgängig sehr kurzweilig bleibt.

    Anmerkung: Wie schon bei der Videospielvorlage wurden die Namen der einzelnen Figuren für den internationalen Markt geändert. Daher finden sich in der Synopsis bei der Erstnennung neben den japanischen Originalnamen ihre Entsprechungen in Europa und den USA.

    Die Kriminalität ist deutlich gestiegen, daher gibt es in der nahen Zukunft in Japan ein neues Rechtssystem, in dem Geschwindigkeit Trumpf ist: Staatsanwalt und Verteidiger treten in einem maximal drei Tage dauernden Duell gegeneinander an, um den Richter von Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu überzeugen. Gerade erst hat Junganwalt Naruhodō Ryūichi / Phoenix Wright (Hiroki Narimiya) seinen ersten Fall gewonnen, da wird seine Chefin und Mentorin Ayasato Chihiro / Mia Fey (Rei Dan) ermordet, eine herausragende Anwältin, die auch mit Geistern kommunizieren konnte. Ihre kleine Schwester Ayasato Mayoi / Maya Fey (Mirei Kiritani) ist für Detective Itonokogiri Keisuke / Dick Gumshoe (Shunsuke Daito) zweifelsfrei die Täterin, gibt es doch scheinbar klare Beweise und einen Zeugen. Doch Phoenix glaubt an Mayas Unschuld und übernimmt die Verteidigung. Dabei kommt es zum Duell mit seinem einstigen Schulkameraden Mitsurugi Reiji / Miles Edgeworth (Takumi Saito), der noch ungeschlagen ist und das System bestens zu seinen Gunsten manipuliert. Doch das ist nur der Auftakt, denn Mia arbeitete an dem 15 Jahre alten DL-6-Mordfall, zu dem sie neue Beweise gefunden hat – ein Fall, der das Leben von Miles Edgeworth einst für immer veränderte...

    Schon die internationale Übersetzung mit sprechenden Namen wie Phoenix Wright, dem Polizisten Dick Gumshoe, dem Kleinkriminellen Larry Butz (Akiyoshi Nakao) oder – der absolute Kracher – dem Oberstaatsanwalt Manfred von Karma (Ryo Ishibashi) zeigt: „Phoenix Wright - Ace Attorney" ist weit davon entfernt, ein trockenes realistisches Gerichtsdrama zu sein. Der Spieler der Vorlage muss wie bei einer Schnitzeljagd Indizien sammeln, die er dann beim „Gerichts-Fight" seinem Gegenüber an den richtigen Stellen um die Ohren hauen kann. Was der „Finishing Move" im Prügelspiel, ist bei der Mischung aus Adventure und Gerichtssimulation dann der ultimative Beweis für die Unschuld des Mandanten. Ähnlich wie das Spiel läuft auch der Film ab. Phoenix und Maya stolpern auf der Suche nach Indizien durch die Gegend, die der Junganwalt dann vor Gericht gegen seinen Rivalen Miles und später gegen dessen Boss von Karma einsetzt. Dabei geht es mit harten Bandagen zur Sache und stets ist klar, dass dieses Rechtssystem pervers ist. Es geht nicht wirklich um Schuld oder Unschuld des Mandanten oder gar um Wahrheit und Gerechtigkeit. Beweise werden manipuliert oder zurückgehalten, Zeugen eingeschüchtert oder beseitigt – mit satirischer Verve und erhobenem moralischen Zeigefinger prangert Miike die Entgleisungen an.

    Die Videospiel-Dramaturgie, die hier übernommen wird, ist auf den ersten Blick kaum das geeignete Fundament für einen über zweistündigen Kinofilm, aber Miike packt das Sujet mit dem nötigen Humor an und geizt nicht mit irren und originellen Einfällen. So ist das Gerichtsverfahren mit Bezeichnungen wie „Runde 1 – 3" plus „Extra-Runde" nicht nur recht offensichtlich an den äußerlichen Ablauf von Prügelspielen angelehnt, sondern die Konkurrenten schlagen sich ihre Beweismittel tatsächlich im wörtlichen Sinne um die Ohren. Da werden mit wilden Handbewegungen riesige Hologramme, etwa von einem blutverschmierten Kaufbeleg für eine Lampe erschaffen, die dann mit einem weiteren Schwung dem Gegenüber vor den Kopf geschleudert werden. Diese grellen Effekte haben etwas Comichaftes und mit ihnen wird das Prozedere tatsächlich zum Schau-Prozess. Dazu passt das „kostümierte" Publikum, das direkt aus „Die Tribute von Panem" stammen könnte und bei den Gerichtsverhandlungen mitgeht wie bei einem Boxkampf. Hier werden gleichsam nebenbei die Mechanismen der Inszenierung eines im Prinzip unwürdigen Spektakels offengelegt.

    Viele von den zahlreichen grandiosen Details in „Phoenix Wright - Ace Attorney" sind ebenso aberwitzig wie clever. Da ist etwa ein aufblasbarer Riesensamurai, der immer wieder am Rande vorkommt und ein japanisches Äquivalent zur Nessie-Hysterie auslöst. Da ist eine Rückblende in die Schulzeit von Phoenix, Miles und Larry Butz, in der alle schon als Jungs die gleichen abgefahrenen Frisuren tragen wie später als Erwachsene. Und da ist schließlich das blaue, fellige Polizeimaskottchen, das immer wieder im Hintergrund für Lacher sorgt, dann seinen großen Auftritt bekommt und noch einen wundervoll-absurden Abgang hat, als sich zeigt wer - oder besser wer nicht - in den Kostüm steckt. Das sind nur wenige der vielen Höhepunkte in einem eigenwilligen und schwungvollen Spaß, mit dem Takashi Miike wieder einmal seine Vielseitigkeit unter Beweis stellt.

    Fazit: Ob Takashi Miike wirklich gleich fünf Videospiele in seinen „Phoenix Wright - Ace Attorney" hätte einfließen lassen müssen, ist bei der beachtlichen Laufzeit von 135 Minuten, die nicht ganz ohne die ein oder andere Länge bleibt, sicher fraglich. Aber davon abgesehen ist sein Film ein abgefahrener, wilder und vergnüglicher Spaß.

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