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    Tom und Hacke
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tom und Hacke
    Von Sophie Charlotte Rieger

    Tom Sawyer und Huckleberry Finn, die berühmten Romanhelden des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain, sind momentan Dauergäste in den deutschen Kinos. Während sich Hermine Huntgeburth in „Tom Sawyer" und in dem für Januar 2013 angekündigten „Die Abenteuer des Huck Finn" stark an den Romanvorlagen orientiert, wählt Norbert Lechner einen ganz anderen Ansatz: Statt in den amerikanischen Südstaaten spielt sein „Tom und Hacke" in Niederbayern, statt des Mitte des 19. Jahrhunderts heraufziehenden Sezessionskriegs bildet die Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg den historischen Hintergrund der Lausbubengeschichte. Das ist eine durchaus charmante Variante mit vielen gelungenen Ansätzen und sehr überzeugenden Kinderdarstellern.

    Weil sein Vater im Krieg gefallen ist, wächst Tom Sojer (Benedikt Weber) bei seiner Tante Apollonia (Franziska Weisz) auf. Die versucht im verarmten Nachkriegsbayern mit Näharbeiten den Lebensunterhalt für Tom und ihren leiblichen Sohn zu verdienen. Als Lausbub Tom eines Tages versehentlich die Nähmaschine kaputtmacht, entzieht er der kleinen Familie damit die Existenzgrundlage. Doch Tom ist nicht nur keck, sondern auch gewitzt. Gemeinsam mit seinem Freund Hacke (Xaver-Maria Brenner) ist er kürzlich Zeuge eines Mordes geworden, bei dem eine größere Menge Schmuggelware im Spiel war. Würde es ihnen gelingen, die versteckten Zigaretten zu finden, könnten sie damit auf dem Schwarzmarkt eine neue Nähmaschine kaufen. Doch wo hat der kriminelle Ami Joe (Fritz Karl) seine Beute versteckt? Und was wird er tun, wenn er herausfindet, dass die beiden Buben ihn bei seinen Machenschaften beobachtet haben?

    Die Geschichte von Mark Twain nicht einfach nur neu zu verfilmen, sondern an die bayerische Nachkriegsrealität anzupassen, ist ein originelles Konzept. Das Original wird dabei keineswegs verleugnet und Kenner der Romanvorlage von den nur leicht variierten Rollennamen bis zu den Mundharmonikaklängen der Filmmusik, die Bilder von Raddampfern auf dem Mississippi heraufbeschwören, viele Anspielungen finden. Auch die bekannten Abenteuer der Lausbuben selbst werden hier letztlich nur leicht abgewandelt. Der Erzählton ist dabei weniger der einer Komödie als der eines Kinderkrimis, in dem es durchaus düster und manchmal gar gruselig zugeht. Wenn Tom und Hacke sich nachts auf dem Friedhof treffen oder durch dunkle Tunnel schleichen, können den kleinen Zuschauern schon mal die Haare zu Berge stehen. Für ihre erwachsenen Begleiter dürften die Abenteuer indes vergleichsweise langatmig wirken, denn Norbert Lechner deutet das Spannungspotential seiner Geschichte nur an. Mit der Beobachtung des Mordes beginnt die Geschichte zwar sehr aufregend, aber im weiteren Verlauf fehlt dann zuweilen dieser anfängliche Schwung.

    Der Wechsel von den amerikanischen in die deutschen „Südstaaten" erweist sich als schlüssige Idee, das bayerische Land- beziehungsweise Kleinstadtleben ist schön anzusehen und wie in der berühmten Vorlage haben die Schauplätze, der Dialekt und vor allem die Kostüme eine starke regionale Färbung: Tom und Hacke stehen die Lederhosen ebenso gut wie Tom und Huck die Strohhüte des Originals. Die hier gepflegte bayerische Mundart ist allerdings so stark ausgeprägt, dass sie sich für manchen jüngeren Zuschauer aus anderen Regionen als kleiner Stolperstein erweisen könnte. Während das Geschehen sich also ganz unverkennbar im bajuwarischen Freistaat abspielt, wird die Vergangenheit der Nachkriegszeit kaum lebendig. Für eine rundum überzeugende Versetzung der Handlung in die 1940er-Jahre sind die beschränkten Mittel der Produktion gerade beim Szenenbild zu offensichtlich. Die größte Stärke von „Tom und Hacke" sind aber sowieso die Kinderdarsteller. Die Laien Benedikt Weber und Xaver-Maria Brenner geben ein absolut glaubwürdiges und natürliches Lausbuben-Duo ab, vor allem erstgenannter verleiht seinem dennoch stets sympathischen Tom Sojer erstaunliche Ecken und Kanten.

    Fazit: Ein größeres Budget hätte „Tom und Hacke" wahrscheinlich gutgetan, die historische Handlungszeit wird hier jedenfalls wenig erfolgreich heraufbeschworen. Dafür beeindruckt der Film im Gegenzug durch den originellen Umgang mit der Vorlage und starke Kinderschauspieler.

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