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    Der Staat gegen Fritz Bauer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der Staat gegen Fritz Bauer
    Von Gregor Torinus

    2010 überraschte Regisseur Lars Kraume mit dem düsteren Endzeitthriller „Die kommenden Tage“. Mit seinem epischen Tonfall und seiner umfassenden Vision fühlte sich dieser Film eindeutig größer an als das Meiste, was man ansonsten vom deutschen Kino gewohnt war. Allerdings machte sich das Wagnis kommerziell nicht bezahlt und so kehrte der vielseitige Kraume im Anschluss an den Blick in die nahe Zukunft in die (Fernseh-)Gegenwart zurück. Und nach diversen viel gepriesenen „Tatort“-Folgen sowie dem einfühlsame Familiendrama „Meine Schwestern“ wendet er sich nun der jüngeren Vergangenheit zu. Sein zeitgeschichtliches Drama „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ist in den 1950er Jahren angesiedelt: Als die große Mehrheit der Deutschen die noch frische Erinnerung an die NS-Zeit zu verdrängen versucht, kämpft der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer darum, die noch lebenden Täter dingfest zu machen und vor Gericht zu stellen.

    Deutschland im Jahre 1957. In der jungen Bundesrepublik sind viele Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Politik weiterhin von alten Nazis besetzt. Diese haben kein Interesse daran, dass flüchtige Verbrecher des NS-Regimes vor Gericht gebracht werden. Schließlich könnten jene dann weitere Namen ehemaliger Täter nennen. In diesem stark repressiven Klima macht es sich der Staatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner) zur Aufgabe, untergetauchte NS-Verbrecher aufzuspüren. Ein erster großer Erfolg scheint greifbar, als Bauer einen Brief aus Argentinien erhält. Dort will jemand den früheren SS-Obersturmbannführer und Hauptorganisator des Holocaust Adolf Eichmann entdeckt haben. Einzig der junge Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) unterstützt seinen Chef. Zugleich versuchen der Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler (Sebastian Blomberg) und der BKA-Mitarbeiter Paul Gebhard (Jörg Schüttauf) Bauers Nachforschungen mit allen Mitteln zu behindern. Dabei schrecken sie auch nicht vor Methoden wie Rufmord zurück...

    Im Gegensatz zum großangelegten „Die kommenden Tage“ ist Lars Kraumes neuer Film über weite Strecken ein reines Kammerspiel. Das zu weiten Teilen auf historischen Fakten basierende Drama bietet statt Action hitzige Wortgefechte in alten, muffigen Amtsstuben. Trotzdem gelingt es Kraume Spannung und Intensität zu erzeugen. Er verbindet die mitreißende Unmittelbarkeit des besseren Hollywoodkinos mit Ernsthaftigkeit und historischer Genauigkeit. Gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller Burghart Klaußner („Das weiße Band“) zeichnet Kraume in „Der Staat gegen Fritz Bauer“ das gelungene Porträt eines Helden, der Bewunderung weckt und zugleich vollkommen menschlich bleibt. Klaußner zeigt eine facettenreich-charismatische Darbietung und lässt Bauers eigenartigen Dialekt genauso wie den trockenen Humor, die spitze Zunge und den großen Scharfsinn lebendig werden.

    Was für ein eigensinniger Mensch Bauer war, wird gleich zu Beginn in einem dem Spielfilm vorangestellten Originalinterview mit dem Generalstaatsanwalt deutlich. Gerade durch seine Macken und Marotten bekommt er in der Folge immer stärker das Profil eines großen Mannes. Seine Geschichte ist ein zeitloses Beispiel dafür, wie jemand (fast) alleine und gegen massive Widerstände seinen eigenen Weg geht und seine Ideale lebt. Wie beklemmend das gesellschaftliche Klima zu Bauers Zeiten war, wird anhand seiner  Homosexualität noch unterstrichen: Der in der NS-Zeit verschärfte und weiterhin geltende „Schwulenparagraph“ 175 sorgte dafür, dass Homosexuelle bereits für „gegenseitige Onanie“ für ein halbes Jahr ins Gefängnis kommen konnten. Entsprechend erpicht sind die alten Nazis Kreidler und Gebhard darauf „dem schwulen Juden“ Bauer solche „Vergehen“ nachweisen zu können...

    Fazit: Das historische Drama „Der Staat gegen Fritz Bauer“ zeigt, dass ein fähiger Regisseur gemeinsam mit tollen Schauspielern auch mit verhältnismäßig geringen Mitteln einen mitreißenden und aufrüttelnden Film erschaffen kann.

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