Mein Konto
    Unbroken
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Unbroken
    Von Andreas Staben

    Nach ihrem Erscheinen 2010 stand die Biografie „Unbroken“ monatelang in den Bestsellerlisten. Autorin Laura Hillenbrand erzählt darin „Die unfassbare Lebensgeschichte des Louis Zamperini“ (so der deutsche Untertitel des Buches) und die tatsächlich erstaunlichen Erlebnisse eines veritablen amerikanischen Helden erregten bald natürlich auch das Interesse Hollywoods. Schließlich sicherte sich Superstar Angelina Jolie den Regieposten bei der prestigeträchtigen Verfilmung und auch angesichts der weiteren Beteiligten hinter der Kamera, die es gemeinsam auf über 40 Oscar-Nominierungen bringen, wurde das biografische Drama lange vor seinem US-Starttermin zu Weihnachten 2014 von vielen ungesehen zum großen Favoriten für die folgenden Academy Awards erklärt. Doch trotz illustrer Namen wie Joel und Ethan Coen (Drehbuch), Roger Deakins (Kamera) oder Alexandre Desplat (Musik) hat der Film „Unbroken“ diese Erwartungen nicht erfüllen können, denn Jolies erst zweite Regiearbeit nach dem Bürgerkriegsdrama „In the Land of Blood and Honey“ ist zwar ein handwerklich hervorragendes und insgesamt gut gespieltes, aber erzählerisch enttäuschend oberflächliches Werk mit einem ins Superheldenhafte überhöhten und wenig menschlich wirkenden Helden.

    Als Sohn italienischer Einwanderer in Kalifornien hat es der junge Louis Zamperini (CJ Valleroy, später: Jack O’Connell) nicht leicht. Er wird beleidigt und verprügelt und entwickelt sich zum Delinquenten. Doch dann entdeckt sein Bruder Pete (Alex Russell) Louies Talent als Läufer. Bald stellt er Rekorde auf und qualifiziert sich sogar für die Olympischen Spiele in Berlin 1936. Dort sorgt er beim 5000-Meter-Lauf für Aufsehen. Louies Plan, seine Karriere durch eine zweite Olympia-Teilnahme vier Jahre später zu krönen, wird durch den Zweiten Weltkrieg vereitelt, an dem er als Mitglied einer Bomberbesatzung teilnimmt. Nachdem ihr Flugzeug über dem Pazifik abgeschossen wurde, muss Louie mit seinen Kameraden Phil (Domhnall Gleeson) und Mac (Finn Wittrock) über 40 Tage in einem Schlauchboot dem Hunger, dem Wetter und den Haien trotzen, ehe sie von einem japanischen Kriegsschiff aufgegriffen werden. Bald folgt die Verlegung in ein Kriegsgefangenenlager, wo der sadistische Kommandant Watanabe (Miyavi) ein besonderes Auge auf den Olympia-Athleten wirft. Für Louie beginnt ein zweijähriges Martyrium…

    Schon der Titel legt nahe, dass der Protagonist alle Qualen übersteht und da es sich ja nun um eine „wahre Geschichte“ handelt, darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass Louis Zamperini nicht im Kriegsgefangenenlager ums Leben kam. Er verstarb erst mit 97 Jahren im Juli 2014, aber alles was nach dem Krieg geschah (und in Hillenbrands Buch in aller Ausführlichkeit dargestellt wurde), findet sich hier auf einige Bilder und Texttafeln im Abspann reduziert. Jolie konzentriert sich fast ausschließlich auf eine Leidensgeschichte epischen Ausmaßes, wodurch der für Zamperini entscheidende Gedanke von Versöhnung in den Hintergrund gerät. Nach einer ausführlichen Einleitung, in der nervenzerrende Bombereinsätze auf nicht gerade zwingende Weise mit Rückblenden in Louis‘ Jugend und Sportlerkarriere kombiniert werden, folgt mit dem Überlebenskampf in den Weiten des Ozeans sozusagen die Vorhölle, ehe der unbeugsame Held dann in japanischer Gefangenschaft das Fegefeuer durchleiden muss. Er entwickelt sich dabei vom Jugendlichen mit ganz normalen menschlichen Schwächen zuerst zum natürlichen Anführer seiner mit ihm abgestürzten Kollegen und erweist sich schließlich als Ausbund übermenschlicher Leidensfähigkeit und Unbeugsamkeit.

    Schon beim fast siebenwöchigen Survival-Drama auf hoher See, bei dem Domhnall Gleeson („Anna Karenina“) als Phil und vor allem Finn Wittrock („American Horror Story“) als Mac sich auch einmal der Verzweiflung hingeben dürfen, wird aus Louis etwas Überlebensgroßes, nachdem er Gott im Gebet versprochen hat: „Ich tue, was immer du willst.“ Als er später vom Lagerkommandanten gequält und gedemütigt wird, nimmt er das scheinbar regungslos hin, steht immer wieder auf und feuert die Mitgefangenen sogar noch an, die in einer besonders grausamen Szene dazu gezwungen werden, Louis ins Gesicht zu schlagen. Wenn einer nach dem anderen in einer langen Prozession an ihm vorbeiziehen und ihm einen brutalen Fausthieb versetzen muss, dann erinnert das an die sadistischen Quälereien der Sklavenhalter in „12 Years a Slave“. Doch die Empörung des Betrachters, die sich bei Steve McQueen auch gegen die Verhältnisse und gegen historisches Unrecht richtete, findet bei Angelina Jolie nur einen einzelnen Menschen als Ziel – den vom charismatischen japanischen Rockstar Miyavi verkörperten Lagerkommandanten Watanabe, der nicht mehr ist als die grob skizzierte Fallstudie einer zwischen familiärem Druck und vagen homoerotischen Tendenzen aufgeriebenen Seele. „Unbroken“ ist daher auch kein antijapanischer Film, das angedeutete Psycho-Duell zwischen Watanabe und Louis verfängt nicht, weil hier anders als in „Die Brücke am Kwai“ eben kein Prinzipienkampf stattfindet.

    Die historischen Umstände sind hier nur die Kulisse für eine göttliche Prüfung. Das zeigt endgültig die letzte große Folterszene, in der Louis in Christus-Pose buchstäblich übermenschliche Kräfte offenbart. Hier geht es nicht um das Mitleiden (auch deshalb sind Vergleiche mit dem zudem weitaus drastischeren „Die Passion Christi“ irreführend), sondern um die Feier des heldenhaften Überwindens physischer und psychischer Grenzen: „Halte durch, dann kommst du durch“, diese krude Motivationsformel, die Pete seinem Bruder beim Lauftraining eingebläut hat, erweist sich als das allzu simple Motto des Films. Daran kann auch der engagierte Hauptdarsteller Jack O’Connell („This Is England“) nichts ändern, der erst gar keine Gelegenheit bekommt, einen inneren Konflikt darzustellen. Wenn Louis gegen bessere Behandlung und vernünftiges Essen im Radio antiamerikanische Propaganda verbreiten soll, dann lehnt er ohne zu zögern und ohne Schwäche zu zeigen ab. Die weniger Willensstarken sind Jolie nur einen Seitenblick wert, aber sie hätten ein echtes Drama hergegeben. So läuft auch die mal aufgewühlte, mal feierliche Musik meist ins Leere, ähnlich wie Roger Deakins‘ („Skyfall“) immer wieder fast überirdisch schön leuchtende Bilder, die aus der Überhöhung einen Dauerzustand machen.

    Fazit: Die Faszination der wahren Geschichte von Louis Zamperini findet in diesem perfekt produzierten, aber wenig emotionalen Leidensdrama nur ansatzweise den Weg auf die Leinwand.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top