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    My Sweet Pepper Land
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    My Sweet Pepper Land
    Von Katharina Granzin

    Den Wilden Westen gibt es nicht mehr. Doch im Kino lebt das Genre dank großartiger filmischer Vorbilder, die ein mächtiges ästhetisches Erbe zur Inspiration folgender Generationen hinterlassen haben, und Filmemachern wie Quentin Tarantino („Django Unchained“) oder den Coen-Brüdern („True Grit“), die dies aufgreifen. Aber auch in der realen Welt gibt es leider noch genügend Gegenden, in denen wie einst im Wilden Westen das Gesetz des Stärkeren herrscht und mächtige patriarchale Figuren mit antimodernen Wertvorstellungen eine Gesellschaft von gestern zementieren wollen. Der Filmemacher Hiner Saleem, der ursprünglich aus dem irakischen Teil Kurdistans stammt, fand in den Jahren nach dem Sturz Saddam Husseins in seiner Heimat eine Welt im Umbruch vor, in der solche alten und neuen Werte miteinander im Streit lagen. Mit seinem Film um einen Polizeikommandanten und eine Lehrerin, die Demokratie und Bildung in eine abgelegene Bergregion bringen wollen und dabei gegen erbitterten Widerstand kämpfen müssen, erzählt Saleem eine Geschichte, wie sie ganz ähnlich auch im Wilden Westen hätte spielen können – und er erzählt sie mit Mitteln, die eines echten Westerns würdig sind. So ist „My Sweet Pepper Land“ ein Western im wilden Kurdistan.

    Der ehemalige Freiheitskämpfer Baran (Korkmaz Arslan) ist nach dem Sturz Saddam Husseins Polizist geworden, kann sich aber mit der menschenfeindlichen Willkür nicht abfinden, mit der die neue Ordnungsmacht ihren Dienst in der Stadt ausübt. Er lässt sich in ein abgelegenes Bergdorf im Grenzland zwischen Irak, Iran und der Türkei versetzen, wo der Posten des örtlichen Polizeikommandanten zum wiederholten Male freigeworden ist. Das hat seine Gründe: Das Dorf wird beherrscht vom allmächtigen Aziz Ağa (Tarik Akreyi) und seinem Clan, dem sich niemand zu widersetzen wagt. Die einzige, die sich nicht duckt, ist die junge Lehrerin Govend (Golshifteh Farahani). Doch als alleinstehende Frau von außerhalb hat sie in der traditionell denkenden Bevölkerung keinen sozialen Rückhalt. Als bekannt wird, dass sie ein Frauenbataillon der PKK von der türkischen Seite der Grenze unterstützt, setzt Aziz Ağa alles daran, die Lehrerin zu vertreiben. Er lässt Govends Familie das Gerücht zutragen, ihre Tochter unterhalte eine Affäre mit dem neuen Polizeikommandanten. Dieser wiederum hat einen von Aziz Ağas Männern wegen Schmuggels verhaftet, was dem Patriarchen endgültig den Kragen platzen lässt: Der Sheriff soll sterben…

    Trotz des ernsten politischen Hintergrunds hat Hiner Saleem, der auch das Drehbuch schrieb, einen Film gedreht, der sich dem Dilemma des aufrechten Menschen in einer korrupten Welt auf sehr entspannte Weise nähert. Wie bei vielen klassische Western auch wird in „My Sweet Pepper Land“ fast märchenhaft klar zwischen den Seiten unterschieden: Die Guten und Tapferen sind gut und tapfer, die Bösen böse, und das Gute hat die Aufgabe, über das Böse zu siegen. So muss man sich nicht mit psychologischen Ambivalenzen aufhalten, sondern kann umstandslos Stellung beziehen. Saleem lässt dabei viel Raum für Humor und für Romantik, denn natürlich entspinnt sich zwischen der wunderschönen Lehrerin und dem sehr männlichen Kommandanten nach und nach ein zartes Liebesband. Begleitet wird dies von einer gekonnten musikalischen Untermalung, die zwischen kurdisch-traditionellen Klängen und deutlich an Altmeister Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) erinnernden Klängen changiert.

    Saleem lässt nie Zweifel an seiner künstlerischen Inspirationsquelle aufkommen. Da werden der Sheriff und sein treuer Gehilfen Reber (Suat Usta) mit reichlich unkurdischen breitkrempigen Hüten versehen und es wird auch nicht vergessen, das Profil des Helden beim Rauchen in Clint-Eastwood-Manier in Großaufnahme zu filmen. Bei so viel spielerischem Genrezauber ist es klar, dass diese Geschichte nicht allzu tragisch enden kann. Ein bisschen Blutbad gibt es dann aber schon, wobei es auch hier noch eine Spur märchenhafter zugeht als bei Vorbild Sergio Leone („Zwei glorreiche Halunken“). Leichte Kost ist „My Sweet Pepper Land“ deswegen aber nicht. So beginnt der Film mit einer Hinrichtung durch den Strang, die ein paar Minuten dauert und - auch wenn dabei auf recht peinliche Weise viel schiefgeht - nicht wirklich komisch ist. Dass der heldenhafte Polizeikommandant sich schließlich nicht mehr anders zu helfen weiß, als jene zu exekutieren, ist natürlich moralisch fragwürdig und bedarf daher der Reflexion, lässt „My Sweet Pepper Land“ aber endgültig auf den Spuren der großen Vorbilder wandeln.

    Fazit: „My Sweet Pepper Land“  ist ein Western im wilden irakischen Kurdistan, in dem ein gutaussehender Polizeikommandant eine schöne Lehrerin trifft und beide gemeinsam der Dummheit, dem Bösen und der Korruption im Grenzland den Kampf ansagen. Dramaturgisch überzeugend, schön gefilmt, und mit einem Schuss Humor durchzogen.

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