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    Tatort: Der Hammer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Der Hammer
    Von Lars-Christian Daniels

    Denkt man an einen berühmten Superhelden, der einen Hammer als Waffe bevorzugt, kommt einem sofort eine Figur aus den erfolgreichen Marvel-Comics in den Sinn: Der hammerschwingende Donnergott Thor (Chris Hemsworth), der zuletzt ab Ende Oktober 2013 im Fantasy-Actiongewitter „Thor 2 - The Dark Kingdom“ die Lichtspielhäuser zum Erbeben brachte und allein in Deutschland fast eineinhalb Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Nun bekommt der Hollywood-Held ausgerechnet in der realitätsgeerdeten Krimireihe „Tatort“ Konkurrenz: In „Tatort: Der Hammer“ von Grimme-Preis-Träger Lars Kraume („Meine Schwestern“) machen die Münsteraner Ermittler und Quotenkönige Frank Thiel (Axel Prahl) und Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) Jagd auf einen maskierten Superhelden, der seine Opfer im vermeintlichen Dienste der Gerechtigkeit mit einem Hammer tötet und eine stattliche Zahl an Leichen auftürmt. Wer diese schräge Geschichte ernst nimmt und einen spannenden Krimi zum Miträtseln erwartet, wird am 25. „Tatort“ aus Münster wenig Freude finden – allen Freunden von Klamauk und leicht verdaulicher Sonntagabendunterhaltung sei „Der Hammer“ aber wärmstens ans Herz gelegt.

    Der einflussreiche Bauunternehmer Dr. Wolfgang Öhrie liegt tot auf der Straße – gezeichnet von einer Säureattacke und erschlagen mit einem Hammer. Öhries Firma ist verantwortlich für ein umstrittenes Bauprojekt: Mitten in einem Münsteraner Wohngebiet soll die „Waikiki-Oase“ entstehen – ein als Wellnessbad getarntes Großbordell, das die Kundschaft mit günstigen Flatrate-Preisen lockt. Für die aufgebrachten Anwohner, die sich unter Mitwirken von Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) und dem tatendurstigen Aktivisten Gunnar Roth (Rolf Peter Kahl) zum Widerstand formieren, bedeutet der Massenpuff in unmittelbarer Nachbarschaft nicht nur die Gefährdung von Sitte und Anstand, sondern auch den dramatischen Verfall der Immobilienpreise. Steht der Mord mit dem Bauprojekt in Zusammenhang? Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), die bei ihren Ermittlungen von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) und Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) unterstützt werden, stehen schon bald vor einer zweiten Leiche: In einem Parkhaus wird der windige Zuhälter Bruno Vogler (Frank Zander), der ebenfalls Aktien in dem Projekt hatte, erschlagen aufgefunden. Die Bilder der Überwachungskamera zeigen einen Maskierten mit Umhang, der sein Opfer mit einem Hammer gerichtet hat…

    So eine Geschichte würde in Berlin nicht funktionieren“, gab Hauptdarsteller Axel Prahl („Alles inklusive“) im Vorfeld der Erstausstrahlung einer Tageszeitung zu Protokoll – und er hat Recht: Die helle Aufregung der Münsteraner Bürger über den Bau eines Bordells, mit dem man in einer modernen Großstadt vermutlich niemanden hinter dem Ofen hervorlocken würde, mutet doch reichlich provinziell an. Die „Tatort“-Macher scheinen sich zur Zeit nicht ganz entscheiden zu können, wo es mit dem Krimi aus der Studentenstadt hingehen soll: War Münster im enttäuschenden „Tatort: Die chinesische Prinzessin“ noch Schauplatz einer internationalen Hetzjagd samt chinesischem Geheimdienst, präsentiert es sich nun wieder als verschlafenes Örtchen, in dem schon ein Massenpuff die heile westfälische Welt aus den Fugen heben könnte. Und auch vom zuletzt deutlich ernsteren Tonfall ist in „Tatort: Der Hammer“ nichts mehr zu spüren: Thiel und Boerne, die sich schon bei ihrer ersten Begegnung humorvoll in die Haare kriegen, necken und provozieren sich, wo es nur geht. Das aufgetragene Dinnerjackett des Großvaters, Thiels Probleme beim frühen Weckerklingeln oder die gemeinsame Fahrt im protzigen Wiesmann des Professors – „Der Hammer“ strotzt nur so vor Dialogwitz und bissigen Pointen, von denen aber bei weitem nicht alle zünden.

    Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume, der in den vergangenen Jahren viele überzeugende „Tatort“-Folgen aus Frankfurt inszenierte, setzt voll auf das erfolgreiche Figurenkonzept und überzeichnet seine Charaktere – neben den Ermittlern vor allem den mit Brustpanzer, Wasserpistole und schmuckem Genitalienschutz ausgestatteten Hammerhelden – bis ins Mark. Wirklich ernst nehmen kann man seine mit stimmungsvoller Musik unterlegte Satire nie, und das will der Autorenfilmer auch gar nicht: Boerne fragt im Baumarkt ungeniert nach dem passenden Werkzeug zum Gravieren menschlicher Knochen und hämmert in seinem Leichenkeller munter auf einen Schweinekopf ein, während der bedauernswerte Thiel sein Futonbett durch die Wohnung ziehen muss, nachdem ihn „Der Hammer“ mit Handschellen an selbiges gefesselt hat. Anders als im Klamauk-Feuerwerk „Das Wunder von Wolbeck“, in dem die „Tatort“-Macher den Bogen überspannten und sich erstmalig harsche Kritik vom Publikum gefallen lassen mussten, verkommt der 907. „Tatort“ aber nur selten zur Klamotte – eine Ausnahme ist, wenn „Vaddern“ Thiel mit seiner neuen Flamme Mascha (Anna Böttcher) einen Joint durchzieht und den Glimmstengel herunterschluckt, als sein argwöhnischer Sohn in die traute Zweisamkeit platzt.

    Spannend ist Kraumes schräger „Tatort“ allerdings nicht, und trotz der typischen Whodunit-Konstruktion auch nur bedingt zum Miträtseln geeignet: [ACHTUNG SPOILER] Der in seiner alles andere als furchteinflößenden Rolle als Killerkarikatur jederzeit unterforderte Charakterdarsteller Milan Peschel („Halt auf freier Strecke“), der im grandiosen Frankfurter „Tatort: Weil sie böse sind“ einen unfreiwilligen Mörder mimte, lässt sich trotz Strumpfmaske und Superheldenmontur zu einfach anhand seiner Stimme identifizieren. Die wenigen Tatverdächtigen, auf die Thiel & Co. bei ihren Ermittlungen treffen, scheiden damit von vornherein als Serientäter aus. [SPOILER ENDE] Eine überraschend gute Figur macht Frank Zander bei seinem sympathischen Auftritt als arroganter Lude Bruno Vogler („Ist das ein Sackschutz?“): Der blonde Ex-Schlagerstar („Hier kommt Kurt“) ist unter dem Strich fast länger auf einem gruseligen Leichenfoto und einem napoleonähnlichen Gemälde zu sehen als bei seiner einzigen Szene in einem Parkhaus. Die beiden Vogler-Bilder rahmen zugleich die witzigste Sequenz des Films: Thiel und Boerne treffen beim Überbringen der Todesnachricht auf Voglers junge Geliebte Eileen (Xenia Seeberg), die sich als wahre Heulboje entpuppt und ihrem Verflossenen deutlich mehr nachtrauert als dessen herrlich verbitterte Ehefrau (Gesche Tebbenhoff): „Das Einzige, was der je gelesen hat, waren seine Kontoauszüge.

    Fazit: Thiel trifft Thor – In Lars Kraumes kurzweilig-schrägem „Tatort: Der Hammer“ jagen die Ermittler einen hammerschwingenden Superhelden. Das Ergebnis ist ein typischer „Tatort“ aus Münster, in dem Spannung und Logik hinter Witz und Absurditäten zurückstehen müssen.

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