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    Frau Müller muss weg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Frau Müller muss weg
    Von Carsten Baumgardt

    Deutschland gilt international nicht gerade als Hochburg des Humors. Gelacht wird trotzdem! Aber es gibt einen Punkt, da hört für Eltern jeder Spaß auf:  Wenn es um das Wohl des eigenen Kindes geht! Da kann es noch so gut gemeinte und wohlüberlegte Konzepte zu Erziehung und Integration geben, aber wenn es um die beste Umgebung für die Tochter oder den Sohn geht, dann spielt der Gedanke an die langfristige Verbesserung des Zusammenlebens in der Gesellschaft nur eine untergeordnete Rolle. Mitten in diese Diskussion um Helikoptereltern, Ghettoschulen und Leistungsdruck grätscht Sönke Wortmann mit seiner so intelligenten wie lustigen Schulkomödie „Frau Müller muss weg“ und landet einen unerwarteten Volltreffer. Der Film ist nicht nur brüllend komisch, sondern macht auch nachdenklich und zwingt Eltern rabiat dazu, ihr eigenes Wirken zu reflektieren.

    An einem ganz normalen Samstag in Dresden formiert sich ein fünfköpfiges Exekutionskommando. Vorangepeitscht von der energischen Karrierefrau Jessica Hövel (Anke Engelke), gebremst von dem weinerlichen Fahrradhelmträger Wolf Heider (Justus von Dohnanyi), eingelullt von der solidarischen Einserkind-Mama Katja Grabowksi (Alwara Höfels) und sabotiert von den uneinigen Eheleuten Patrick (Ken Duken) und Marina Jeskow (Mina Tander) zieht die Gruppe ins Gefecht. Die Mission: Frau Müller (Gabriele Maria Schmeide), Klassenlehrerin an der Juri-Gagarin-Grundschule, muss weg! Sie soll abgesetzt werden, weil sich das Leistungsniveau in der vierten Klasse zuletzt dramatisch verschlechtert haben soll. Die Eltern fürchten um die Versetzung ihrer Kinder an das Gymnasium. Doch Frau Müller denkt gar nicht daran, in die Opferrolle zu schlüpfen und präsentiert vielmehr Gegenargumente…

    Sönke Wortmann, Regisseur solcher Monsterhits wie „Der bewegte Mann“ (6,5 Millionen Zuschauer) und „Deutschland. Ein Sommermärchen“ (4,0 Millionen Zuschauer), hat mit seinen beiden vorigen Filmen „Das Hochzeitsvideo“ (103.000 Zuschauer) und „Schoßgebete“ (53.000 Zuschauer) an der Kinokasse Schiffbruch erlitten. Ob sich dieser Trend nun ändert, ist natürlich schwer vorherzusagen, aber die Voraussetzungen für eine Kehrtwende sind gut, denn „Frau Müller muss weg“ ist ein furioser Film, den man nicht unbedingt auf der Rechnung hatte. Wortmann inszenierte das gleichnamige Stück von Lutz Hübner bereits 2012 am Berliner GRIPS-Theater und auch in die Verfilmung investiert der dreifache Familienvater nun viel Herzblut. Anders als etwa beim eher harmlosen Pennäler-Schwank „Fack Ju Göhte“ bilden hier ernste gesellschaftliche Probleme das Rückgrat der Erzählung und die verliert Wortmann nie aus den Augen. Zielgenau wird in alle Richtungen ausgeteilt: Die Eltern bekommen ihr Fett weg, das Bildungssystem wird auf den Prüfstand gestellt und ganz nebenbei lassen die Filmemacher Deutschland Ost und Deutschland West ihre von Klischees und Vorurteilen befeuerte Dauerfehde ausfechten.

    Die Herkunft von der Bühne ist „Frau Müller muss weg“ indes deutlich anzumerken. Die gesamte Handlung spielt sich auf dem Schulgelände ab, zunächst nur in einem Raum. Das mag die formalen Gestaltungsmöglichkeiten des Regisseurs beschränken, aber die Konzentration erweist sich andererseits durchaus als Vorteil, denn so kommen die Stärken des hervorragenden Drehbuchs von Sarah Nemitz, Oliver Ziegenbalg („Friendship“, „Russendisko“) und Vorlagen-Autor Hübner voll zur Geltung. Die Figuren sind zwar alle Stereotype, doch die prallen hier in einer perfekt ausbalancierten Versuchsanordnung aufeinander und tragen pointierte und stellenweise sehr böse Dialogduelle aus. Die sechs Hauptdarsteller zeigen sich dieser Herausforderung ihrerseits allesamt gewachsen, sodass aus der Konfrontation immer wieder Einsichten und Aha-Erlebnisse (mehr für den Zuschauer als für die Figuren) hervorgehen. Durch geschickt eingeflochtene Nebenstränge wird zudem für Abwechslung gesorgt, ohne dass das Hauptthema je aus den Augen verloren oder die Spannung nachlassen würde. Im Gegenteil: Je mehr Zeit ins Land zieht, desto offener sind die Visiere der Streitenden.

    Komikerin, Moderatorin und Gelegenheitsschauspielerin Anke Engelke („Der Wixxer“) läuft in „Frau Müller muss weg“ zur Höchstform auf. Ihr Business-Anzug tragendes Karrierebiest Jessica Hövel ist tough, angriffslustig und gnadenlos – und hält die Truppe mit seiner militärisch-forschen Art permanent auf Trab. Justus von Dohnanyi („Der Untergang“) und Alwara Höfels („Fack Ju Göhte“) bilden im Kontrast dazu ein kurioses Gespann der leiseren, aber nicht unbedingt friedlicheren Töne und haben hauptsächlich mit sich selbst zu tun (abgesehen vom Kampf mit einer Kaffeemaschine), während Ken Duken („Northmen“) und Mina Tander („Buddy“) ihre Ehekrise im Nebenzimmer austragen. Es ist immer etwas los, jeder hat unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht zu blicken, Lebensmodelle werden einem harten Stresstest unterzogen. Die Probleme, Ansprüche und Sehnsüchte bleiben dabei für den Betrachter stets wiedererkennbar - trotz mancher satirischer Überspitzung. Das dringend nötige Gegengewicht zu den hyperventilierenden Eltern verkörpert Gabriele Maria Schmeide („Das weiße Band“) als gutmütige Lehrerin, die sich so einiges zu Herzen nimmt, sich aber trotzdem nicht mit einem halbherzigen Lob für ihre tollen Bastelarbeiten abspeisen lässt.

    Fazit: Mit Eltern von Schulkindern ist nicht zu spaßen, trotzdem gibt es in Sönke Wortmanns pointierter Gesellschaftskomödie „Frau Müller muss weg“ jede Menge zu lachen: „Gott des Gemetzels“ trifft „Breakfast Club“.

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