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    The Infiltrator
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Infiltrator
    Von Sidney Schering

    Der 1993 getötete Kolumbianer Pablo Escobar war einer der reichsten und mächtigsten Drogenhändler aller Zeiten, seine schillernde Biografie reizte seither immer wieder Autoren und Filmemacher, nun erlebt sie mehr als 20 Jahre nach seinem Tod eine regelrechte Hochkonjunktur: In der multinationalen Co-Produktion „Escobar: Paradise Lost“ war zuletzt Oscar-Preisträger Benicio del Toro in der Titelrolle zu sehen und in der Netflix-Serie „Narcos“ wird Escobars Geschichte über zwei Staffeln aus der Sicht eines US-Drogenfahnders erzählt. Ein weiteres Biopic mit dem Titel „El Patron“ befindet sich in Arbeit, außerdem werden Oliver Stone („JFK“, „Snowden“) und „The Grey“-Regisseur Joe Carnahan mit Escobar-Projekten in Verbindung. Auch über Brad Furmans („Runner Runner“, „Der Mandant“) Krimidrama „The Infiltrator“ liegt der Schatten des Drogenbarons: Ohne dass er als handelnde Figur in Erscheinung tritt, schwebt seine Präsenz über dem hier geschilderten Kampf der US-Behörden gegen die Geldwäsche des kolumbianischen Kartells. Trotz der historisch verbürgten Geschichte und guter Darstellerleistungen bleibt der Film allerdings über weite Strecken ein austauschbarer 08/15-Undercover-Cops-gegen-Gangster-Thriller.

    Robert Mazur (Bryan Cranston) ist einer der fähigsten Undercoveragenten der US-Drogenvollzugsbehörde DEA. Sein neuer Auftrag führt ihn erstmals mit seinem Kollegen Emir Ebreu (John Leguizamo) zusammen, der im Gegensatz zum besonnenen Robert das Risiko liebt. Das ungleiche Duo hat entsprechende Startschwierigkeiten, erweist sich dann aber als effektives Team: Sie geben sich als professionelle Geldwäscher aus und ziehen zahlreiche zwielichtige Interessenten an. Gemeinsam mit Undercover-Novizin Kathy Ertz (Diane Kruger), die als Mazurs vermeintliche Verlobte auftritt, ergattern sie Beweise gegen kriminelle Banker und vor allem  gewinnen sie das Vertrauen von Roberto Alcaino (Benjamin Bratt), der rechten Hand des berühmt-berüchtigten Drogenbarons Pablo Escobar.

    „The Infiltrator“ basiert auf den Memoiren des echten Robert Mazur, aber obwohl der dramatische Stoff alle Zutaten für einen lebensechten Real-Crime-Thriller bietet, ist im fertigen Film nur das Grundgerüst einer zudem nicht sehr stringent erzählten Undercovergeschichte zu erkennen. Drehbuchautorin Ellen Brown Furman (die Mutter des Regisseurs) hangelt sich von Teilaspekt zu Teilaspekt, ohne dabei einem erkennbaren roten Faden zu folgen: So hat Mazur für eine kleine Handvoll Sequenzen Probleme mit dem Spagat zwischen seiner wahren Identität und seiner Undercover-Persönlichkeit, aber dann wird das Thema recht abrupt fallengelassen. Ebreu wiederum sieht ein, dass er nicht so tough ist wie gedacht – und verschwindet daraufhin erstmal aus der Geschichte.

    Die Erzählweise ist sprunghaft und unfokussiert – dennoch gibt es ganz starke Einzelmomente. Die sind den Darstellern zu verdanken, denen es gelingt, den recht stereotypen Figuren zumindest szenenweise einen individuellen Stempel aufzudrücken. Wenn der geradlinige, von einem unwiderstehlichen Gerechtigkeitsdrang getriebene Mazur etwa mit seiner echten Gattin in der Nähe seines Einsatzbereiches ausgeht, dann handelt er so haarsträubend leichtsinnig, dass man es kaum glauben mag. Aber als er dann tatsächlich urplötzlich in seine Undercover-Rolle des ruchlosen Bob Musella wechseln muss, zeigt er wieder eine unglaubliche professionelle Kaltschnäuzigkeit: Bryan Cranston („Breaking Bad“, „Trumbo“) bringt hier virtuos die ganze Doppelbödigkeit der Situation zum Ausdruck. Und John Leguizamo („Moulin Rouge“) zeigt uns in kurzen verstohlenen Blicken, dass hinter der knallharten Fassade des unberechenbaren Ebreu eben doch auch Zweifel und Ängste verborgen sind.

    Es gibt nicht nur einige schöne Regieeinfälle -  eine Panikattacke etwa wird durch dumpfen Sound und optische Spielereien nachfühlbar gemacht -, sondern auch einzelne hübsche erzählerische Kniffe.  So erweist sich Mazurs unbedachte Notlüge, eine Verlobte zu haben, als Segen, da er daraufhin mit Ertz zu luxuriösen, entspannten Pärchenabenden eingeladen wird und sie sich besonders effektiv das Vertrauen des Kartells erschleichen können. Allerdings wird die Pärchendynamik dann kaum vertieft, der Konflikt zwischen persönlicher Sympathie und professionellen Pflichten bleibt insgesamt unterbelichtet. Dem Defizit an innerer Spannung entspricht eine gewisse Nachlässigkeit bei den äußeren Umständen, wenn man als Zuschauer nie ein Gefühl dafür entwickelt, dass sich die Geschichte immerhin über einen Zeitraum von fünf Jahren erstreckt.

    Fazit: Gut gespieltes Kriminaldrama mit starken Einzelszenen, dem es insgesamt an Stringenz und Eigenständigkeit fehlt.

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