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    Wohne lieber ungewöhnlich
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wohne lieber ungewöhnlich
    Von Katharina Granzin

    Ach, in Paris müsste man leben! Am besten in so einer grandiosen Wohnung wie diejenige, die in dem turbulenten Patchwork-Familienfilm „Wohne lieber ungewöhnlich“ als Hauptschauplatz dient: sieben Zimmer Altbau, hohe Decken, erlesene Stofftapeten an den Wänden, und überall die entzückendsten Sitzmöbel mit stilvollen bunten Kissen darauf. Auf manche Dinge kann man sich einfach verlassen. Zum Beispiel darauf, dass französische Komödien mit besonders liebevoll gestylten Interieurs punkten. So ruft auch dieses von Gabriel Julien-Laferrière inszenierte Lustspiel zuverlässig sofortigen Wohn-Neid hervor. Allerdings stellt sich die Frage, ob man es in der im Film porträtierten Kinder-WG, die sich aus Gegenwehr zur chaotischen Lebensführung der Erwachsenen bildet, lange aushalten würde. Permanent herrscht ein solches Gewusel von Menschen aller Altersklassen auf der Leinwand, dass man bis zum Schluss nicht alle Personen zuverlässig auseinanderhalten oder einsortieren kann. Schade um das schöne Thema, das hier unter allerlei Hyperaktivismus ein bisschen untergeht.

    Bastien (Teilo Azaïs) ist erst 13, aber seine Mutter Sophie (Julie Gayet) hat gerade schon zum dritten Mal geheiratet. Ihre Schwester Agnès (Julie Depardieu) steht ihr da kaum nach. Auch Bastiens Vater Philippe (Thierry Neuvic) hat schon mit zwei verschiedenen Frauen Kinder in die Welt gesetzt. Angesichts der weitverzweigten Familie verliert nicht nur Bastiens lebenslustige Oma Aurore (Chantal Ladesou) ein wenig den Überblick: Da sie sich die echten Namen nicht merken kann, ruft sie ihre vielen Enkel nur mit selbsterfundenen Spitznamen. Als bei Bastiens Mutter die nächste Beziehungskrise ansteht und das Chaos überhand zu nehmen droht, entwickelt der Junge daher einen genialen Plan: Er überredet fünf Halbgeschwister und Cousinen, gemeinsam in die leerstehende Wohnung einer der entfernteren Großmütter einzuziehen, die kürzlich verstorben ist. Nicht mehr die Kinder sollen ständig umziehen müssen, sondern die Erwachsenen müssen nach einem ausgeklügelten Plan abwechselnd Elterndienst in der Kinder-WG schieben…

    Gabriel Julien-Laferrière macht sich die Perspektive seiner jugendlichen Hauptfigur zu eigen. Das ist sympathisch, und da geht es dann auch in Ordnung, wenn die Erwachsenen als oft ziemlich alberne und eindimensionale Komödienstereotypen daherkommen (am besten: der Vater, der zum WG-Dienst nicht selbst vorbeikommt, sondern sich über eine große Flatscreen per Internet zuschaltet). Dass allerdings die anderen Kinder auch kaum Kontur gewinnen und oft nur anhand äußerlicher Merkmale (der große Junge mit der dunklen Haut, das kleine Mädchen mit dem dicken blonden Zopf…) auseinanderzuhalten sind, ist nicht in Ordnung, sondern störend. Denn damit verraten die Filmemacher letztlich ihr eigenes Thema: Wenn die Kinder kein individuelles Profil gewinnen, lässt sich auch ihre Selbstermächtigung letztlich nicht wirklich ernst nehmen.

    In dem Bestreben, einen charmanten, handlungsorientierten Film zu drehen, der einen leichten Zugang zu einem ernsten Thema bietet, schießen seine Macher schlicht übers Ziel hinaus. Es fehlt die Balance zwischen Action und Ruhe, zwischen schrill und nachdenklich. Alles ist und alle sind die meiste Zeit auf eine Weise überdreht, die auf Dauer sowohl anstrengend als auch eintönig werden kann. Ständig passiert irgendetwas, niemals gibt es eine Pause, und wenn man ein sensibles, manchmal ruhebedürftiges Kind wäre, dann würde einen diese WG wohl ein bisschen überfordern, in der offenbar ständig Leute das gemeinsame Wohnzimmer für Massenveranstaltungen (von der Tanzchoreografie bis zur Yogastunde) belegen.

    Trotz all des Trubels lässt sich nicht übersehen, dass die relevanten Themen Generationenkonflikt und Patchworkfamilien hier zu einem recht belanglosen Märchen verarbeitet werden, das mit den echten Problemen so gut wie gar nichts mehr zu tun hat – das fängt schon damit an, dass Bastiens weitverzweigter Clan ganz zufällig eine leerstehende Sieben-Zimmer-Wohnung in bester Pariser Innenstadtlage übrig hat. Mit solchen erzählerischen Bequemlichkeiten wird viel Potenzial verschenkt, andererseits entwickelt aber auch gerade die etwas künstliche Prämisse einen ganz eigenen Charme und das nicht nur wegen der Traumwohnung in Paris. Vielmehr sind immer wieder auch einzelne Szenen insbesondere mit dem vergesslichen Familienoberhaupt Aurore wirklich amüsant, auch wenn sie sich nur selten richtig entfalten können.

    Fazit: Turbulent-charmante, aber letztlich auch harmlose französische Komödie, die zeigt, dass Patchworkfamilien ihre Probleme ganz einfach lösen können, wenn sie nur über genügend Wohnraum verfügen…

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