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    Vorwärts immer!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Vorwärts immer!
    Von Markus Fiedler

    Wenn sich deutsche Filme mit der Vergangenheit beschäftigen, dann scheint es fast nur zwei Themen zu geben, die dabei zur Wahl stehen: die Nazi-Zeit und die DDR. Auf gewisse Weise bringt Regisseurin Franziska Meletzky diese beiden Themen nun zusammen, wenn sie ihr Polit-Lustspiel „Vorwärts immer!“ nicht nur am 9. Oktober 1989 (einem entscheidenden Wendepunkt auf dem Weg zum Mauerfall) ansiedelt, sondern zugleich auch noch die Idee von Ernst Lubitsch‘ Komödien-Klassiker „Sein oder Nichtsein“ aufgreift, in dem sich jüdische Theaterschauspieler als Nazis (einer sogar als Hitler persönlich) verkleiden, um so aus dem besetzten Polen fliehen zu können. In „Vorwärts immer!“ muss sich nun Jörg Schüttauf („Berlin Is In Germany“) in seiner Rolle als Ostberliner Theaterstar als „Genosse Honecker“ ausgeben, um noch rechtzeitig den Schießbefehl gegen die Leipziger Montagsdemonstration aufzuheben – und das tut der ehemalige Frankfurter „Tatort“-Ermittler mit einer ansteckenden Spielfreude. Leider sind nicht alle Elemente des Films derart sehenswert.

    Anna (Josephine Preuß) ist nicht nur die Tochter des bekannten DDR-Schauspielers Otto Wolf (Jörg Schüttauf), sondern auch schwanger von ihrem heimlichen Freund Matti Stein (Marc Benjamin), dem Sohn von Volkspreisträger Harry Stein (Devid Striesow), dem größten Konkurrenten ihres Vaters. Weil Anna es einfach nicht länger in der DDR aushält und auf keinen Fall dort ihr Kind großziehen will, hat sie sich mithilfe ihrer schon früher in den Westen geflohenen Mutter einen Westpass besorgt, um jetzt auch „rüberzumachen“. Aber weil ihr Vater den Pass einfach zerreißt, um sie nicht auch noch zu verlieren, fährt Anne zusammen mit dem heimlich für das Westfernsehen filmenden Widerständler August (Jacob Matschenz) zur Montagsdemo nach Leipzig, um sich dort einen neuen Pass zu suchen – ihren Freund Matti und die Stasi immer eng im Nacken. Als Otto zufällig vom Schießbefehl hört, der die Leipziger Demos ein für alle Mal stoppen soll, womit auch Anna in akuter Gefahr ist, stricken er und seine Theaterkollegen einen waghalsigen Plan: Otto schlüpft in die Rolle des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, um in dessen Büro im Staatsratsgebäude zu gelangen und dort den Schießbefehl wieder zurückzunehmen…

    Ganz schön große Fußstapfen, in die Franziska Meletzky („Tatort: Die fette Hoppe“) und ihre Co-Drehbuchautoren da treten, immerhin gilt Lubitsch‘ Komödie ja nicht von ungefähr als ein Meilenstein der Kinogeschichte (auch für uns zählt er zu den 100 besten Filmen aller Zeiten). Und so ganz können die Filmemacher sie dann auch nicht ausfüllen: Zwar werden sie von einem äußerst spielfreudigen Ensemble unterstützt - allen voran Jörg Schüttauf als genüsslich nuschelnde Honecker-Parodie - aber längst nicht alle Gags zünden und der Humor mäandert allzu beliebig zwischen albernem Slapstick und cleverer Doppelbödigkeit, um wie aus einem Guss zu wirken. So reihen sich Momente, die qualitativ auch von Loriot („Ödipussi“) persönlich stammen könnten, an Szenen, die einfach nur auf blöde Art albern sind: Wenn Wolf in einer vollgerauchten, schrottreifen Nobelkarosse vor dem Staatsratsgebäude abgesetzt wird, ist das wahrhaft großes Komödien-Kino, aber wenn er einige Minuten später auf dem frisch gebohnerten Boden ausrutscht und die Treppe hinunterfällt, ist das leider so gar nicht witzig. Und so geht das oft: „Vorwärts immer!“ schlingert konsequent zwischen genialer Pointe und flachem Wegwerfwitz hin und her.

    Am zuverlässigsten zünden noch die Gags, die ein gewisses Insiderwissen voraussetzen, etwa wenn sich einer der Theaterschauspieler nebenbei darüber beschwert, dass er aufgrund eines falschen Gerüchts stundenlang umsonst für Raufasertapete angestanden hätte. Wer die DDR noch selbst erlebt hat, wird in „Vorwärts immer!“ sicherlich lauter lachen als die Wessis oder die Nachwendegeneration. Doch selbst treffende Details und spielfreudige Darsteller können nicht komplett über die meist eher fade Inszenierung hinwegtäuschen: Die Bilder von „Vorwärts immer!“ erreichen nur selten echtes Kinoformat. Das mag gut zur Kleingeistigkeit des Politbüros und dem Gefühl des Gefangenseins in der DDR passen, ein optischer Genuss ist der Film dadurch aber nicht.

    Fazit: Lubitsch light. „Vorwärts immer!“ hat manche tolle und einige schwache Momente – letztendlich reißen vor allem die gut aufgelegten Schauspieler eine Story heraus, hinter deren alberner Komik zu selten die düsteren Abgründe lauern, die das große Vorbild „Sein oder Nichtsein zu solch einem Klassiker gemacht haben.

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