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    Late Night
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Late Night

    Muss man schon wegen Emma Thompson sehen!

    Von Oliver Kube

    Auf den großen TV-Sendern in den USA laufen unter der Woche fast jeden Abend ein knappes Dutzend Late-Night-Talkshows, in denen unter anderem Conan O’BrienJimmy Fallon oder Jimmy Kimmel über Politik, Gesellschaft, Sport und das Zeitgeschehen scherzen, bevor sie anschließend auf meist lockere Art prominente Gäste interviewen. Die Moderatoren sind aktuell noch durch die Bank Männer, ab September 2019 geht mit Lilly Singh erstmals seit Jahren wieder eine Late-Night-Talkerin bei einem der großen US-Sender an den Start. Und auch hinter den Kulissen arbeiten traditionell fast ausschließlich männliche Gag-Autoren. (In Deutschland gab es da vor allem Harald Schmidt, dessen Nachfolgerin Anke Engelke innerhalb weniger Monate gescheitert ist.) Aber warum eigentlich? Können Frauen nicht (mindestens) genauso witzig sein?

    Die Schauspielerin, Autorin und Serien-Schöpferin Mindy Kaling („The Office“, „Das Mindy Projekt“) ist selbst oft zu Gast in solchen Sendungen, um ihre verschiedenen Projekte zu promoten. Sie kennt die Situation also aus erster Hand. Nun hat sie – inspiriert von ihren eigenen Beobachtungen – eine Komödie darüber geschrieben: Gemeinsam mit Regisseurin Nisha Ganatra nimmt sie in „Late Night“ den ja auch in vielen weiteren Bereichen des (täglichen) Lebens (etwa auch der internationalen Filmkritik) regierenden „Kerle-Klub“ aufs Korn. Als besonderen Dreh stellt sie dann jedoch eine Frau ins Zentrum ihrer Geschichte, die sich genauso rücksichts- und gedankenlos benimmt wie all die Männer, die für sie arbeiten.

    Emma Thompson ist als Late-Night-Talkerin ein absolutes Vergnügen!

    Die preisgekrönte Late-Night-Talkerin Katherine Newbury (Emma Thompson) hat ihre allabendliche Show zuletzt zunehmend lustlos und ohne Gespür für die gewandelten Interessen ihres Publikums heruntergespult. Entsprechend befinden sich auch die Quoten im Sinkflug und die neue Senderchefin (Amy Ryan) droht bereits mit der Absetzung. Zudem sieht sich Katherine mit Blick auf ihre ausschließlich blassen, männlichen Gag-Autoren mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würde anderen Frauen hassen. Um ein wenig frischen Wind in den kreativ festgefahrenen Autorenraum zu bringen, wird deshalb die noch komplett unerfahrene Molly (Mindy Kaling) angeheuert. Ihre einzige Qualifikation ist, dass sie sich einfach nur genau im passenden Moment als Witzeschreiberin beworben hatte. Ihre neuen Kollegen finden es allerdings wenig lustig, dass sie den Job offensichtlich nur wegen ihrem Geschlecht und ihrer Abstammung bekommen hat. Allerdings ahnen sie auch noch nicht, dass Molly ihre einzige Chance ist, ihren Job zu behalten (und endlich mal wieder eine Show mit Biss und Relevanz abzuliefern) ...

    Wer die großartige Emma Thompson bisher vor allem aus ihren oscarprämierten oder zumindest -nominierten Rollen in ernsten Literatur-Verfilmungen wie „Sinn und Sinnlichkeit“, „Was vom Tage übrig blieb“ oder „Wiedersehen in Howards End“ kennt, der schuldet es sich (und ihr), sie nun auch in „Late Night“ zu erleben: Es ist einfach ein großes Vergnügen, der Britin dabei zuzusehen, mit wie viel Herzblut und Spielfreude sie die verschiedenen Schichten ihrer bewusst widersprüchlichen Figur freilegt: Katherine Newbury ist zumindest auf den ersten Blick alles andere als liebenswert, sondern gnadenlos selbstsicher, narzisstisch und rücksichtslos. Erst durch die Begegnung mit ihrer neuen Angestellten erkennt sie, in welche persönliche und kreative Sackgasse sie sich über die vielen Jahre des Erfolgs manövriert hat - und ist in diesem Moment regelrecht erschrocken vor sich selbst.

    Komplexe Wohlfühl-Komödie

    Die Situation, in der sich die ins Kalte Comedy-Wasser geschmissene, aber zum Glück ja nicht auf den Mund gefallene Molly plötzlich wiederfindet, erinnert Katherine daran, wie sie einst selbst im gnadenlosen Showgeschäft Fuß gefasst hat – und zwar mit bissigen, persönlichen, relevanten Stand-up-Sets. Im Gegensatz zu der positiven Energie, die Molly in den schlaffen Autorenraum hineinträgt, verschaffte sie sich Respekt allerdings, indem sie sich genauso schlimm verhält wie die Männer, die sich ihr damals in den Weg gestellt haben. Gerade für eine Wohlfühl-Komödie hat „Late Night“ in dieser Hinsicht eine erstaunliche Komplexität – wobei der steinige Weg der Selbsterkenntnis für den Zuschauer dank Thompsons exzellent-trockenem Spiel trotzdem zu einem einzigen Vergnügen wird.

    Auch die Szenen, in denen Molly die lethargischen bis pur-panischen Gagschreiber mit ihren neuen Ansätzen und Sichtweisen aufmischt, sind ziemlich pfiffig geraten. Zusätzlich hat Kaling allerdings auch noch eine Reihe von Nebenplots eingebaut, die sich als überflüssig bis enttäuschend klischeehaft erweisen: Vor allem die unbefriedigende Liebelei zwischen Molly und ihrem von Hugh Dancy („Hannibal“) gespielten, vorgeblich verständnisvollen Frauenhelden-Kollegen Charlie ist so einer. Da geht dann immer wieder mal der Schwung verloren, zumal der Film auch insgesamt gern noch ein wenig frecher, harscher oder sogar bösartiger hätte ausfallen dürfen. Thompson hätte sicherlich ihren Spaß daran gehabt, noch mehr in die Fußstapfen von Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“ zu treten. Außerdem offenbart die streckenweise arg hausbackene Inszenierung, dass Ganatra ihre Brötchen hauptsächlich mit dem Realisieren von zwar thematisch durchaus anspruchsvollen, visuell aber letztlich doch oft formelhaften Fernsehserien wie „Transparent“ oder „Dear White People“ verdient. Auch in dieser Hinsicht wäre da noch mehr drin gewesen.

    Fazit: Emma Thompson zeigt Engagement, Verve und Mut zur Gemeinheit. So ist es vor allem sie, die in dieser gelegentlich etwas zu zahmen Komödie immer wieder Begeisterungsstürme erntet.

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