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    Tatort: Schock
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tatort: Schock
    Von Björn Becher

    Im Regelfall geht es in der „Tatort“-Reihe darum, einen Mord aufzuklären. Im Wiener „Tatort: Schock“ müssen die Kriminalbeamten Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) dagegen einen Doppelmord verhindern. Diesen kündigt der Student David Frank (Aaron Karl) schon in den ersten Sekunden des Films direkt in die Kamera an: Er wird erst seine Eltern – einen hochdekorierten Mathematiker und eine Star-Anwältin – ermorden und dann sich selbst töten. Seine Botschaft verbreitet er in sozialen Netzwerken, woraufhin ein von Eisner geleitetes Ermittlerteam eingesetzt wird. Das findet schnell heraus, dass Eltern und Sohn spurlos verschwunden sind. Während Frank immer neue Internet-Video-Botschaften absendet, führen die weiteren Nachforschungen der Polizei zuerst zur Universitätsdozentin Sarah Adler (Mercedes Echerer), die sich in ihrer Forschung mit Amokläufern beschäftigt, und dann sogar zu Kerem (Mehmet Sözer), dem Freund von Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig). Doch als die Ermittler glauben, Frank endlich ausfindig gemacht zu haben, müssen sie erkennen, dass sie selbst Teil seines Plans sind… Und dem Zuschauer wird klar, dass es Regisseur und Autor Rupert Henning vor allem um die Gesellschaftskritik geht, worunter die Spannung leidet.

    „Ich bin normal. Völlig normal. Mein Name ist David Frank. Ich werde meine Mutter, meinen Vater und anschließend mich selbst töten. Und ich werde mich bemühen, Ihnen zu erklären, warum.“

    Mit diesen Worten leitet David Frank seine erste Videobotschaft ein und sie gibt die Richtung vor. Nach und nach müssen Eisner und Co. erkennen, dass sie es nicht mit einem durchgeknallten Einzeltäter zu tun haben: David Frank hat Unterstützer hat und er will wirklich etwas sagen. Was das ist, serviert er uns häppchenweise mit seinen Videos – wie bei einer TV-Serie mit einem Cliffhanger pro Folge, wie Bibi Fellner zutreffend bemerkt. Schon früh wird dabei allerdings klar, dass es ihm um eine Kritik an unserer Leistungsgesellschaft geht: Die  Erklärung, um die sich David Frank „bemühen“ will, wird dem Publikum ziemlich dick unter die Nase gerieben. Der „Tatort“ ist immer wieder ein sehr gesellschaftskritisches Format und was Rupert Henning („Tatort: Grenzfall“) zum Druck auf Studenten und zu ihren Versagensängsten, aber auch zu ihren trotz aller Qualen und bester Ausbildung immer schlechter werdenden Aussichten auf einen guten Job zu sagen hat, ist aktuell und wichtig. Allerdings gehen diese stimmigen Beobachtungen bisweilen unter, weil auch noch jede Menge andere Aspekte und Themen untergemischt werden, etwa wenn früh im Film nahezu jeder Amoklauf jüngeren Datums (von Erfurt bis Winnenden) in reinster Name-Dropping-Manier erwähnt wird. Und schließlich verliert die kritische Aussage des Krimis, die in einem durchaus gelungenen Finale noch ein paar Ausrufezeichen bekommt, auch dadurch an Wirkung, dass es vorher einfach zu viele erzählerische Durststrecken und Nebensächlichkeiten gibt.

    Trotz der „Rennen gegen die Uhr“-Dramaturgie (es geht schließlich darum, eine akute Gefahr zu bannen und Morde zu verhindern), ist der „Tatort: Schock“  nämlich wenig spannend. Ein Gefühl für die Dringlichkeit der Lage kommt in den zahlreichen, oft extrem langen Dialogszenen, in denen viel wiederholt und wenig Neues offenbart wird, nicht auf. Statt fieberhafter Polizeiarbeit gibt es immer wieder unnötiges Kompetenzgerangel: Zwei Polizeipsychologen dürfen ihre unterschiedlichen Meinungen in aller Breite darlegen, während der Verfassungsschützer Gerold Schubert (Dominik Warta) die ganze Zeit den Paragrafenreiter gibt, der bei jeder Gelegenheit Eisners Einzelgänge kritisiert, was wenig zur Geschichte beiträgt und schon gar nichts zur Aufklärung des Falls. Der größter Lichtblick bleibt so Jungschauspieler Aaron Karl, der schon im starken Wiener „Tatort: Unvergessen“ eine Nebenrolle bekleidete. Die kurz eingestreuten Video-Szenen sorgen dank seines intensiven Spiels wenigstens im ersten Drittel punktuell für Spannung. Aber leider taucht er danach für einen längeren Zeitraum gar nicht mehr auf und eine breit ausgewalzte Erklär-Rückblende, innerhalb derer es sogar noch einen weiteren Flashback gibt, kann  auch er nicht retten: Die Krimispannung wird unter regelrechten Wort- und Bildlawinen begraben.

    Fazit: Der Wiener „Tatort: Schock“ fesselt nur in den ersten und den letzten Minuten und ist dazwischen eine sehr zähe Angelegenheit.

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