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    Psychopaths
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Psychopaths
    Von Lutz Granert

    Charles Raymond Starkweather ist einer der jüngsten Serienkiller der US-amerikanischen Geschichte. Im Alter von gerade einmal 19 Jahren beging er seinen ersten von insgesamt elf brutalen Morden, bevor er nach einer Flucht quer durch die USA gefasst wurde und schließlich am 25. Juni 1959 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Der Fall Starkweather ist so rätselhaft und faszinierend, dass sich bereits so berühmte Filmemacher wie Terrence Malick in „Badlands – Zerschossene Träume“ (1973) und Oliver Stone in „Natural Born Killers“ (1994) umfassend an ihm abgearbeitet haben. Während diese modernen Klassiker ganz unterschiedliche, aber gleichermaßen facettenreiche und denkwürdige Perspektiven auf den Mörder und die Begleitumstände seiner Taten eröffneten, verkommt Charles Starkweather nun in Mickey Keatings Horrorthriller „Psychopaths“ zur reinen Symbolfigur und zum Stichwortgeber für eine episodische Handlung ohne erkennbare Struktur, in der extreme Brutalitäten und jede Menge popkulturelle Zitate lose aneinandergefügt wurden.

    Kurz vor seiner Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl stößt der verurteilte Serienkiller Charles Starkweather (Larry Fessenden) noch eine Drohung aus: Seine „Kinder“ werden sich die Welt Untertan machen. Er scheint in den folgenden Episoden Recht zu behalten: Ein sadistischer Mann mit gezwirbelten Bart (James Landry Hébert) würgt eine Frau mit unerträglicher Ausdauer zu Tode, ein maskierter Killer gibt seinem übel zugerichteten Opfer den Gnadenschuss, bevor er es begräbt und eine blonde Frau quält ihre Opfer bevorzugt mit Nadeln unter den Fingernägeln.

    Mickey Keating, der Autor und Regisseur von „Psychopaths“, ist ein großer Fan der rauen Genrefilme der 70er und zugleich auch der Videoclip-Ästhetik der 80er Jahre. Wie schon bei seinem Backwood-Slasher „Carnage Park“ zeigt sich dies auch bei seinem neuen Werk nicht nur in Anspielungen und Zitaten, sondern auch in diversen optischen Spielereien auf. Da kippt die Kamera um 90 Grad, wenn eine gewürgte Frau aufs Bett geworfen wird oder es sich schiebt sich eine zweite Einstellung ins Bild, sodass wir schließlich im Split Screen gleichzeitig sehen, wie ein genervter Ehemann für eine Zigarette die Wohnung verlässt und wie drinnen seine Frau von einem Mörder mit dem Telefonkabel zu Tode gewürgt wird. Auch mehrere Farbblenden innerhalb weniger Sekunden und helle High-Key-Lichtakzente gehören zu seinem extrovertierten Spiel mit der Filmästhetik, während auf dem Soundtrack mal als Kontrast harmonische Gitarrenmusik erklingt oder Streicher dudeln und mal Hardrock oder und Heavy Metal die brachiale Stimmung akustisch verstärken.

    Keatings durchaus beeindruckender Stilwille kann jedoch nicht davon ablenken, dass „Psychopaths“ unter seinen zuweilen überladenen Bildtableaus innendrin hohl ist. Es folgt ein in seiner Detailfreude grenzwertiger Blutrausch bei Vollmond auf den anderen, ohne dass die Extrem-Gore-Einlagen wirklich erkennbar miteinander verbunden wären. Der nicht weiter eingeführte Charles Starkweather in der Todeszelle ist zwar der geistige Vater des folgenden Mordmarathons, doch bleibt dessen zeitliche Verortung unklar. Ist in einer filmischen Miniatur eine 50er Jahre-Ausstattung stilvoll herausgearbeitet, spielt eine andere, in der in ähnlich bedrohlicher Voyeur-Atmosphäre wie in David Lynchs „Lost Highway“ (1997) eine Videokassette abgespielt wird, mindestens 20 Jahre später.

    Wenn Schauspielerin Alice (Ashley Bell; sie wirkte schon in „Carnage Park“ mit) sich in eine 50er- Jahre-Fantasiewelt träumt und immer wieder ihre betont korrekt intonierten gestelzt wirkenden Dialogzeilen direkt in die Kamera spricht, dann setzt das einen Kontrast zum Gemetzel drumherum und „Psychopaths“ wirkt zunehmend wie die assoziativ zusammengeschnittene Filmversion einer Kunstinstallation: Konventionelle Horrorplot-Elemente mit allerlei Genrezitaten, Fragmente von Alices Bühnenshow und stilisierte Folterszenen vor einem monochromen schwarzen Hintergrund lassen in ihrer losen Verkettung allerdings ratlos zurück. Das Chaos hat in dieser wirren Horror-Zirkusshow die Kontrolle übernommen.

    Fazit: Visuell ist der episodisch erzählte Horrorthriller „Psychopaths“ oft beeindruckend. Ein roter Faden ist bei der chaotisch wirkenden und mit reichlich Zitaten versehenen Aneinanderreihung blutrünstiger Gore-Szenen jedoch nicht zu erkennen, sodass der Film bald zu einem ebenso ermüdenden wie frustrierenden Kinoerlebnis wird.

    Wie haben „Psychopaths“ auf dem Fantasy Filmfest 2017 gesehen, wo er im offiziellen Programm gezeigt wird.

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