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    Crescendo - #Makemusicnotwar
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Crescendo - #Makemusicnotwar

    Über die Musik zur Versöhnung

    Von Jörg Brandes

    Die 1946 von Artur Brauner (1918-2019) gegründete Central Cinema Company (CCC) ist eine der ältesten noch aktiven unabhängigen Filmproduktionsfirmen Deutschlands. Im Laufe seines langen Lebens produzierte der im polnischen Lodz geborene Brauner mehr als 300 Werke. Darunter war viel reine Unterhaltungsware wie etwa etliche Karl-May-Verfilmungen in den 60er Jahren. Sein Unternehmen hatte aber auch Ambitionierteres im Angebot. Vittorio De Sicas 1970 mit dem Fremdsprachen-Oscar ausgezeichnetes Zeitbild „Der Garten der Finzi Contini“ ist nur ein Beispiel.

    Zugleich konfrontierte der Holocaust-Überlebende die Deutschen immer wieder mit den Verbrechen der Nazis, so etwa in „Hitlerjunge Salomon“ (1989) und „Der letzte Zug“ (2006). Die düstere Vergangenheit glimmt auch in der jüngsten Kinoproduktion der CCC auf, bei der inzwischen Gründertochter Alice Brauner die Geschäfte führt. Hauptthema des eindringlichen Dramas „Crescendo #Makemusicnotwar“ ist allerdings der israelisch-palästinensische Dauerkonflikt, der hier anhand eines aus beiden Volksgruppen zusammengesetzten Jugendorchesters kaum weniger komplex dargestellt wird, als er es tatsächlich ist.

    Inspiriert vom realen West-Eastern Divan Orchestra: Das israelisch-palästinensische Ensembel.

    Im Namen ihrer „Stiftung für effektiven Altruismus“ kontaktiert Klara de Fries (Bibiana Beglau) den berühmten Dirigenten Eduard Sporck (Peter Simonischek). Er soll ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester zusammenstellen, das anlässlich einer Nahost-Friedenskonferenz ein Konzert geben und ein Zeichen gegen den Hass setzen soll. Zu den Nachwuchsmusikern, die in Tel Aviv erfolgreich vorspielen, zählen auf israelischer Seite der Geiger Ron (Daniel Donskoy) und die Hornistin Shira (Eyan Pinkovich).

    Unter schikanösen Bedingungen aus dem Westjordanland angereist sind hingegen Violinistin Layla (Sabrina Amali) und der Klarinettist Omar (Mehdi Meskar). Aus den beiden Fraktionen ein Ensemble zu schmieden, das nicht nur musikalisch an einem Strang zieht, erweist sich für Sporck als alles andere als ein Zuckerschlecken – zumal die Sicherheitssituation so angespannt ist, dass die Proben nach Südtirol verlegt werden…

    Kein hingelogenes Happy End

    „Crescendo“ ist nicht der erste Film, der auf die Grenzen überwindende und unterschiedlichste Menschen verbindende Kraft der Musik setzt. Doch im Gegensatz zu den meisten Vertretern dieses Genres funktioniert das im Drama des in Berlin lebenden Israelis Dror Zahavi („Alles für meinen Vater“), für das Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra als Inspirationsquelle diente, nicht bedingungslos. Auch wenn es zwischenzeitlich mal so ausschaut: Am Schluss ist hier eben nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Insofern spiegelt das die Realitäten des Nahost-Konflikts, dessen Ende sich derzeit nicht einmal ansatzweise abzeichnet. Gleichwohl erscheint das Unternehmen, beide Parteien für eine gemeinsame Sache zu begeistern zu versuchen, nicht völlig sinnlos.

    Das macht Zahavi beispielsweise am Gegensatzpaar Ron und Layla fest, bei dem die gegenseitigen Vorbehalte lange tief eingegraben sind und sich nur ganz langsam lösen. Ganz anders Shira und Omar, zwischen denen sich eine Lovestory entwickelt, die – bei aller Sympathie, die man für die beiden entwickelt – allerdings arg schematisch erzählt wird. Das ist aber auch schon fast der einzige Kritikpunkt am Film. Dass der ansonsten gar nicht didaktisch wirkt, liegt sowohl an den sehr natürlich agierenden Darstellern als auch an einem Drehbuch, das die unterschiedlichsten Aspekte des zugrundeliegenden Konflikts über verschiedene Mitglieder des Orchesters geschickt ins Spiel bringt, ohne dass diese allzu schematisch nur für diesen einen Punkt stehen würden.

    Eine ganz natürliche Respektsperson: Peter Simonischek als Dirigent Eduard Sporck.

    So ermuntert Sporck etwa seine Eleven, ihre Wut fünf Minuten lang einfach mal rauszulassen. Anschließend darf jeder einzeln über die negativen Erfahrungen berichten, die er oder seine Familie mit der Gegenseite gemacht haben – was unweigerlich zu mehr Verständnis füreinander führt. Es ist halt oft leichter, mit einem vermeintlichen Feind auszukommen oder sich gar mit ihm anzufreunden, wenn man ihn als Individuum kennenlernt. Das zeigt das Drama, das das diesjährige Jüdische Filmfestival Berlin-Brandenburg eröffnete, beinahe mustergültig.

    Für die Hauptrolle konnte man wohl kaum jemand besseren finden als Peter Simonischek. Weit entfernt von den Clownereien seines „Toni Erdmann“ gibt der Österreicher hier ganz souverän eine charismatische, seiner Kunst verpflichtete Respektsperson, die auch ihre Versöhnungsmission mit pädagogischem Sinn und Verstand angeht. Schließlich weiß Dirigent Eduard Sporck, was es bedeutet, eine belastende Geschichte mit sich herumzutragen. Die schwere Schuld, die seine Eltern als NS-Ärzte auf sich geladenen haben, nagt noch an ihm. Aber: „Ich habe auch gedacht, zwischen Juden und Deutschen könne es keinen Frieden geben.“

    Fazit: Ein wohldurchdachtes Drama zum israelisch-palästinensischen Konflikt, das sein Versöhnungsanliegen nicht wie eine Monstranz vor sich herträgt. Musikalisch und emotional bewegend.

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