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    James Bond 007 - Ein Quantum Trost
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    James Bond 007 - Ein Quantum Trost
    Von Carsten Baumgardt

    Totgesagte leben länger. In schöner Regelmäßigkeit prasseln seit Dekaden Abgesänge auf den berühmtesten Geheimagenten der Filmgeschichte nieder. Und immer wieder erfindet sich James Bond neu. Ob nur ein neuer Darsteller oder gleich ein ganz neuer Ansatz, die berühmte Figur aus der Feder Ian Flemings zu interpretieren: 007 ist nicht totzukriegen. Bond Nummer sechs, Daniel Craig, sah sich bereits vor seinem 007-Debüt Casino Royale bösen Anfeindungen ausgesetzt. Dennoch verschaffte der kantige Brite der Reihe den erhofften radikalen Neustart, der wohl nur einigen Hardcore-Puristen zu weit ging. Unter der Regie des Deutsch-Schweizer Ausnahmeregisseurs Marc Forster (Monster's Ball, Stay, Wenn Träume fliegen lernen, Schräger als Fiktion) setzt der zweite Craig-Bond direkt nach „Casino Royale" ein und führt Angefangenes brutal-konsequent weiter. „Ein Quantum Trost" ist ein zynisch-kalter Action-Thriller, der sich thematisch auf der Höhe der Zeit befindet, stilistisch auf Realismus baut und damit dem Gaga-Gigantismus der Brosnan-Ära den ausgestreckten Mittelfinger entgegenstreckt.

    MI6-Doppelnullagent James Bond (Daniel Craig) ist nach dem Tod seiner Geliebten Vesper Lynd verbittert. Hat sie ihn verraten? Oder wollte sie ihn beschützen und hat sich deshalb geopfert? Diese Frage nagt an 007. So sehr, dass er seine persönlichen Motive über seinen Job beim britischen Geheimdienst stellt – sehr zum Missfallen seiner Chefin M (Judi Dench). Die mächtige, bisher noch unbekannte Organisation Quantum soll hinter Vespers Ermordung stecken. Doch gerade als die Agenten weitere Informationen aus einem der Drahtzieher, Mr. White (Jesper Christensen), herausfoltern wollen, schießt ihn ein MI6-Verräter (Glenn Foster) frei. Die Spur führt Bond nach Haiti, wo er dem rücksichtslosen Geschäftsmann Dominic Greene (Mathieu Amalric) in die Quere kommt, der gerade seine ausgediente Gespielin Camille (Olga Kurylenko) entsorgen will. Greene tritt nach außen hin als Ökofürst auf, ist aber in Wahrheit nur darauf aus, lebensnotwendige Ressourcen zu beherrschen, um seinen Profit und seine Macht zu maximieren. Gerade ist er dabei, dem bolivianischen Ex-Diktator General Madrano (Joaquin Cosio) ein nur scheinbar wertloses Stück Wüste abzuhandeln – doch Bond schlägt ohne das Einverständnis seiner Vorgesetzten auf eigene Rechnung los...

    Es heißt Abschied nehmen vom klassischen James Bond. Das, was einigen Puristen bereits bei „Casino Royale" sauer aufgestoßen ist, setzt sich nun fort: Die Figur des 007 hat sich in ihrem 22. Kinoauftritt mehr gewandelt denn je. Aus dem ironischen Gentleman-Agenten mit einem unglaublichen Schlag bei Frauen ist eine eiskalte Drecksau geworden. Er verzieht keine Miene, säuft sich durch den Tag und rotzt zynische Oneliner raus – und ist bei all der Härte nicht einmal übermäßig sympathisch. Craig offenbart auch bei seinem zweiten Einsatz als James Bond eine überragende physische Präsenz. Er hat seinen Stil nun endgültig gefunden. Sein 007 ist hart, egoistisch und absolut kompromisslos, aber auch verletzlich und angreifbar. Er ist ein skrupelloser Killer, der sich brutal allem entledigt, was sich ihm bei seiner persönlichen Vendetta in den Weg stellt. Von Charme kann kaum noch die Rede sein. Stattdessen protzt Craig mit herber Männlichkeit. Wer damit ein Problem hat, wird es mit „Ein Quantum Trost" schwer haben. Aber in Hinblick auf die Neuausrichtung des Franchises ist die Wahl des Bond-Darstellers ebenso richtig wie konsequent. Daniel Craig (München, Road To Perdition, Layer Cake) ist wie geschaffen für diesen neuen Bond – er ist eben kein Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton oder Pierce Brosnan, aber eine simple Kopie hätte die Bond-Reihe in Zeiten von „Bourne" und Co. auch gnadenlos absaufen lassen. Am ehesten lässt sich Craigs Interpretation noch mit der von Dalton vergleichen, mit dem das Publikum trotz zweier hervorragender Filme (Lizenz zum Töten, Der Hauch des Todes) nie warm wurde. Doch dieses Schicksal wird Craig nicht teilen, da bereits sein Erstling „Casino Royale" an der Kinokasse einschlug wie ein Bombe.

    Bei einem Budget von 230 Millionen Dollar wird in „Ein Quantum Trost" mit Schauwerten natürlich nicht gegeizt. Gedreht wurde unter anderem in Mexiko, Italien, Österreich, England, Chile, Panama und Spanien, wobei Bonds Abstecher nach Haiti, Bolivien und Russland von anderen Spielorten „simuliert" wurden. Der typische 007-Prolog offenbart dem Zuschauer gleich, was er in den folgenden anderthalb Stunden zu erwarten hat. Bond liefert sich in Italien eine atemberaubende Autoverfolgungsjagd mit Schergen der Quantum-Organisation. Doch Regisseur Marc Forster begnügt sich nicht damit, die traumhaften Landschaften pflichtbewusst abzugrasen, er entlockt jedem seiner Settings stets auch etwas Besonderes. Beispielhaft ist eine sensationell montierte Sequenz, in der Forster während einer „Tosca"-Opernaufführung in Bregenz ein Aufeinandertreffen zwischen Bond und seinen Widersachern inszeniert.

    Bevor der Betrachter das erste Mal zum Durchatmen kommt, vergeht einiges an Zeit. „Ein Quantum Trost" ist ein rastloser Film, der kaum einmal innehält. Nicht zuletzt deshalb ist eine stilistische Nähe zur „Jason Bourne"-Reihe zweifelsohne vorhanden – was sich auch in der Verwendung der umstrittenen wackeligen Handkamera (Die Bourne Verschwörung, Das Bourne Ultimatum) widerspiegelt - selbst wenn sie bei Bond nicht so exzessiv eingesetzt wird. Doch um den Old-School-Actionszenen, die hier nie in CGI-Kraftmeierei ausarten, eine zusätzliche Dynamik zu verleihen, ist dieser gewagte Schritt ein logischer, der das Tempo auf irrsinnigem Niveau hält. Forster findet seinen Rhythmus, indem er zwischendrin den Bond-Express immer mal wieder kurz zur Ruhe kommen lässt und für kleine, aber nötige Verschnaufpausen sorgt. Alle aufgefahrenen Verfolgungsjagden – ob nun per Auto, per Boot, per Flugzeug oder zu Fuß – sind von bestechender Qualität, wobei vor allem Bonds Flucht mit einer schweren DC3-Transportmaschine heraussticht.

    Vor „Casino Royale" waren sowohl die Bond-Geschichten als auch der Charakter selbst ausgereizt. Deshalb folgte ein messerscharfer Schnitt. Reboot - alles auf Anfang! Und mit einem Schlag war Bond auf das schmerzlichste modernisiert. Alte Zöpfe wurden abgeschnitten, 007 stand plötzlich wieder am Beginn seiner Karriere – alles Gewesene war vergessen. Die Produzenten haben sich aller Anachronismen, die sich über die Jahre angesammelt hatten, entledigt und waren plötzlich in einer Post-9/11-Welt angekommen - keine übertriebenen Gadgets oder unsichtbare Autos mehr. Selbst die berühmte Gunbarrel-Sequenz rutschte vom Anfang an das Ende des Prologs - das wird bei „Ein Quantum Trost" beibehalten. Diesmal fielen zwei andere Heiligkeiten der Rationalisierung zum Opfer: „Bond, James Bond." 007s legendärer Auftritt fehlt komplett und in Sachen Sex zeigt sich der sonst so freizügige Agent im Auftrag ihrer Majestät auch eher zugeknöpft. Nur einige wenige Sekunden lang wird eine Liebesnacht zwischen Bond und Agentin Fields (Gemma Arterton) angedeutet – das war‘s. Unbedingt verständlich ist das nicht, zumal mit der bildhübschen Ukrainerin Olga Kurylenko (Hitman, Max Payne) ein Bond-Girl im Einsatz ist, das sich in der Vergangenheit schon öfter sehr freizügig gezeigt hat.

    Storytechnisch ist „Ein Quantum Trost" auf der Höhe der Zeit. Die Welt kämpft erbittert um verbliebene Ressourcen. Die Geheimdienste gehen mit jedem zwielichtigen Schurken ins Bett, wenn dies einen Vorteil für die eigene Nation verspricht. Dabei gibt sich der Film erstaunlich kritisch, prangert das Gebaren von CIA und MI6 offen an. Innerhalb dieser brandaktuellen Thematik bewegt sich „Ein Quantum Trost" jedoch recht gradlinig, große Überraschungen gibt es keine. Der seltsam anmutende Titel „Ein Quantum Trost" ist übrigens aus Ian Flemings Kurzgeschichte „Ein Minimum an Trost" abgeleitet, hat aber außer der Doppeldeutigkeit mit der Filmhandlung selbst nichts zu tun.

    Auch wenn Bonds 22. Einsatz größtenteils die One-Man-Show des Daniel Craig ist, steht ihm mit Mathieu Amalric (München, Actrices, Schmetterling und Taucherglocke) doch ein gut besetzter Bösewicht gegenüber. Der Franzose strahlt eine unangenehm-bedrohliche Präsenz aus, ohne durch irgendwelche körperlichen Antagonisten-Merkmale gebrandmarkt zu sein, was dem allgemeinen Realismus, der wieder in die Reihe Einzug gehalten hat, entspricht. Auf der Bond-Girl-Seite schaut es ein wenig anders aus. Eva Green hatte der Handlung wesentlich mehr beizusteuern als Olga Kurylenko, die eher an frühere Bondzeiten erinnert, in denen Frauen weniger durch ihre schauspielerischen Leistungen als ihr umwerfendes Äußeres auffielen. Der Auftritt von Newcomerin Gemma Arterton (Die Girls von St. Trinian) fällt leider sehr kurz aus, dafür hinterlässt sie aber zumindest in einer Szene einen bleibenden Eindruck.

    Fazit: „James Bond 007 – Ein Quantum Trost" ist State of the Art bis an die Schmerzgrenze. Wer sich auf diesen neuen 007 einlässt, wird mit einem Action-Abenteuer-Inferno entlohnt, das auf die Vergangenheit pfeift und Bond endgültig in der Neuzeit verankert. Daniel Craig überzeugt als primitiver Berserker, der zwischen alle Fronten gerät und Amok läuft. Marc Forster inszeniert „Ein Quantum Trost" als Action nonstop, komprimiert auf 103 atemlos-grimmige Minuten.

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