Ein Film mit 350 Laiendarsteller aus den Armenvierteln von Rio de Janeiro, gedreht von einem unbekannten brasilianischen Regisseur, der noch keinen Film gedreht hat. Kann das was werden? Ja, eine unglaubliche Kameraführung, eine einzigartige Erzählstruktur und eine bedrückende Authentizität, gewürzt mit viel Gewalt und Realismus macht „City of God“ zu einem beeindruckenden Film, mit dem man mitfiebert und mitfühlt. Erst vor kurzem stand ein Film mit ähnlicher Thematik im Fokus. Doch das hohe Medieninteresse und der Oscarregen hätte statt „Slumdog Millionär“ (der auch gut ist) besser „City of God“ 6 Jahre früher zuteil werden sollen.
Die zentrale Figur des Films ist Buscapé, der doch nie so recht in diese Welt passt. Er ist vernünftig, hat den Traum Fotograf zu werden, geht Gewalt aus dem Weg und trotzdem wird er immer wieder mit Gewalt konfrontiert. Er lebt schließlich inmitten eines Viertels, in dem nicht Gott, sondern die Waffe regiert. Das erkennt die zweite Hauptfigur sehr früh. Nur durch seine Skrupellosigkeit und Bereitschaft, Gewalt auszuüben, wird Locke zu dem selbsternannten Boss in der Stadt Gottes. Für Locke zählt nur Macht, denn bei Frauen hat er wenig Chancen und Freunde hat er nur einen, Bené, der so etwas wie der Gegenpol zu Locke darstellt und versucht, ihm Vernunft einzureden.
Der Zuschauer findet sofort Sympathien zu Buscapé und Bené, doch komischerweise lässt einen das unvermeindliche Schicksal Locke´s auch nicht kalt. Eine Stärke des Films sind die gut gezeichneten Charaktere, die fast allesamt von Laien dargestellt werden, doch genau aus diesem Grund wirken diese so authentisch und jedes Schicksal bewegt den Zuschauer. Mit manchen entwickelt man Sympathien und mit manchen wird man nie warm, doch immer herrscht eine gewisse Einsicht für die „Bösen“, da man die Zustände, die dort herrschen nie ganz verstehen kann und man nicht weiß, wie man selber handeln würde wenn man in solch einem Strudel aus Gewalt aufwachsen würde.
Die Stadt Gottes ist kein typisches Slum, wie man es aus Reportagen kennt, mit alten Wellblechhütten und Chaos. Es steht ein Haus neben dem anderen, die Sonne brennt vom Himmel und es scheint fast so, als ob doch eine gewisse Ordnung herrscht. Doch es brodelt nicht an der Oberfläche sondern inmitten des Viertels. Es ist eine eigene Welt, in der man sich vor der Außenwelt am Besten abschottet. So ist es auch zu Verstehen, wieso kein Bewohner einen anderen an die Polizei verrät. Die Bewohner wollen Ruhe und ihre Probleme selbst lösen. Das ein System ohne wirkliche Exekutive irgendwann im Chaos endet ist nur eine Frage der Zeit, denn eine Gesellschaft kann nicht auf dem Gesetz des Stärkeren (hier des gewaltbereiteren) aufbauen.
Besonders gelungen ist die Erzählstruktur des Films. So beginnt der Film mit dem eigentlichen Ende und es gibt einige Rückblenden und „eingeschobene“ Episoden die zum Verständnis des Ganzen beitragen und die Fäden zusammenführt. Außerdem erstreckt sich die Geschichte über mehrere Jahrzehnte und wird aus Sicht von Buscapé erzählt. Dies und der Grund, dass ein zentrales Thema der Zusammenhalt unter organisierten Gangs ist, führt oft zu Vergleichen mit dem genialen Mafiafilm „Good Fellas“ von Martin Scorsese. Jedoch sind beide Filme aus unterschiedlichen Gründen zu empfehlen und keiner müsste einen Vergleich fürchten.
Fazit:
Eine ungeschönte Sicht auf die Missstände in den Armenvierteln, wo Gewalt und Drogen regieren. City of God nimmt einen mit in eine andere Welt, in der sich der Zuschauer nie wohl fühlen würde und in der er handlungsunfähig wäre. Die Laiendarsteller und eine gekonnt-brutale Bildersprache erzeugen eine ungeheure Authentizität, die wiederum wesentlich zur Spannung des Films beiträgt.
10/10