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    Mein Kind vom Mars
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Mein Kind vom Mars
    Von Christoph Petersen

    1992 entschloss sich der alleinstehende Science-Fiction-Autor David Gerrold dazu, ein Kind zu adoptieren. Die Mühlen der Bürokratie malten zwar langsam im Staate Kalifornien, aber nach zwei Jahren hatte er schließlich doch das Sorgerecht für den achtjährigen Dennis inne. Aber Dennis war kein normales Kind. Von seiner alkoholkranken Mutter als Baby verstoßen, entwickelte er einen ganz speziellen Schutzmechanismus, um sich vor erneuten Enttäuschungen zu schützen – er glaubte, er komme vom Mars. Soweit die wahre Geschichte. Doch schon in seinem Buch „The Martian Child“ fiktionalisierte Gerrold das Geschehen vollkommen unnötigerweise – um noch deutlicher herauszustellen, dass man mit viel Herz und Geduld wirklich jedem verstörten Kind helfen kann, versüßlichte er gewisse Probleme, so etwa Dennis Hang zum Stehlen oder zur Gewalt. Das Ergebnis war so zwar bis zu einem gewissen Maße charmant, aber kaum mehr glaubhaft. Nun ist Hollywood im Allgemeinen kaum berühmt dafür, heiße Eisen sonderlich radikal anzupacken. Und so werden der eh schon weichgewaschenen Vorlage in Menno Meyjes Leinwandadaption „Mein Kind vom Mars“ folgerichtig auch noch die letzten Zähne gezogen.

    Der Witwer David (John Cusack), ein erfolgreicher Science-Fiction-Schriftsteller, lässt sich von der Sozialarbeiterin Sophie (Sophie Okonedo, Oscar-nominiert für Hotel Ruanda) überreden, ein Kind zu adoptieren. Gegen alle Einwände seiner Schwester Liz (Joan Cusack) nimmt David den verstörten Jungen Dennis (Bobby Coleman) bei sich auf. Keine einfache Aufgabe, denn Dennis glaubt, er komme vom Mars. Das Haus verließ er bisher nur in einem Pappkarton, um sich vor der für Marsianer gefährlichen Sonnenstrahlung zu schützen, und mit einem Batteriegürtel um den Bauch, der ihn trotz der im Vergleich zum Roten Planeten geringen Gravitation auf der Erde am Davonfliegen hindern soll. Beim Baseballspielen und Geschirrzertrümmern kommt sich das ungleiche Vater-Sohn-Gespann langsam näher. Aber als wäre die Erziehung eines „außerirdischen“ Kindes nicht sowieso schon kompliziert genug, werden David auch noch von allen Seiten zusätzliche Steine in den Weg gelegt. Die Schule schmeißt Dennis raus, weil er sich nicht anpasst und von den anderen Schülern klaut. Das Jugendamt meldet langsam leise Zweifel an. Und Agent Jeff (Oliver Platt, Flatliners, Casanova) macht Druck, weil Davids strenge Verlegerin (Anjelica Huston) sehnsüchtig auf die Fortsetzung seines letzten Bestsellers wartet...

    Das eigentliche Problem von „Mein Kind vom Mars“ lässt sich am einfachsten an der größten Änderung, die die Drehbuchautoren im Vergleich zur Vorlage vorgenommen haben, verdeutlichen: Während David Gerrold deshalb alleine ein Kind adoptieren wollte, weil er schwul ist, haben Hollywoods Schergen aus dem Homosexuellen nun kurzerhand einen trauernden Witwer gemacht. Und dieser Weg des geringsten Widerstands wird den ganzen Film hindurch konsequent verfolgt. Natürlich ist es irgendwie süß, wenn Dennis in seinem Pappkarton herumschleicht oder einen schnuckeligen Alientanz aufführt, aber der Film verlässt sich schlussendlich einzig und allein auf diesen Niedlichkeitsbonus. Alle etwas ernsthafteren Probleme lösen sich in typischer Hollywood-Manier mehr oder weniger aus dem Nichts heraus in Wohlgefallen aus. Davids Unsicherheit, ob er nun wirklich für die schwierige Aufgabe gewappnet ist, wird zwar in einigen Momenten oberflächlich angesprochen, spielt aber nur selten in andere mit hinein. Der Höhepunkt ist dann eine Anhörung, bei der Dennis die Anzugträger vom Jugendamt mit seinen von David gelernten Baseball-Weisheiten überzeugt – man mag diese Szene „herzlich“ nennen, „verklärend“ trifft den Nagel aber wohl erheblich besser auf den Kopf.

    Den totalen Absturz dieser eigentlich schönen, aber durch den Hollywood-Fleischwolf zerhackstückten Geschichte vermag nur die hervorragende Besetzung zu verhindern. Allen voran natürlich John Cusack (Con Air, High Fidelity, Das Urteil, The Contract, Zimmer 1408), der in der Rolle des unsicheren, alleinerziehenden Vaters mit seinem spitzbübischen Charme einmal mehr die Sympathien des Zuschauers in Rekordzeit erobert. Auch der junge Bobby Coleman (Friends With Money) vermag als Dennis zu überzeugen – er gibt den kindlichen Marsianer als eine Mischung aus Modern-Arts-Ikone Andy Warhol und Underground-Künstler Klaus Nomi, ohne aber bei all der Skurrilität je die menschliche, verängstlichte Seite seiner Figur aus den Augen zu verlieren. Amanda Peet (Igby, Melinda und Melinda, So was wie Liebe) hat mit der herzensguten Harlee zwar nur eine ausgesprochen oberflächliche Rolle abbekommen, macht mit ihrer mitreißend positiven Art aber das Beste daraus. Die wahren Highlights bleiben die Auftritte von Johns Schwester Joan Cusack (Arlington Road, School Of Rock, In & Out) als wandelndes „Schaff dir bloß keine Kinder an“-Warnschild und Anjelica Huston (The Royal Tenenbaums, Die Tiefseetaucher, The Darjeeling Limited) als harte Verlegerin mit weichem Kern.

    Fazit: „Mein Kind vom Mars“ ist eine Mischung aus kitschigem Drama und glattgebügeltem Erziehungsratgeber, bei dem nur das sympathische Vater-Adoptivsohn-Darstellerduo wirklich überzeugen kann.

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