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    Wiedersehen mit Brideshead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wiedersehen mit Brideshead
    Von Andreas Staben

    Gelungene Filme nach Romanvorlagen sind zumeist nicht sklavisch am Buch orientiert, in ihnen zeigt sich vielmehr eine eigenständige Sichtweise und eine geschickte Akzentsetzung. Im Idealfall wird so auch die Essenz des betreffenden Romans mit den Mitteln des Kinos sichtbar gemacht. Es kommt darauf an, sich nicht nur am Handlungsgerüst abzuarbeiten oder bloß Personen- und Ortsnamen zu übernehmen, sondern es gilt zu erfassen, was zwischen den Zeilen steht. Gemessen an diesem Anspruch ist Julian Jarrolds Filmversion von Evelyn Waughs 1945 veröffentlichtem Roman „Wiedersehen mit Brideshead“ als klar misslungen zu bezeichnen, werden die wesentlichen Aspekte des vor allem im englischsprachigen Raum als Klassiker anerkannten Buches über den Niedergang einer katholischen Adelsfamilie in der Zeit zwischen den Weltkriegen doch vernachlässigt oder in fragwürdig verengter Perspektive aufgegriffen. Für sich genommen ist der Film gleichwohl ein unterhaltsam-gediegenes Stück Ausstattungskino, für das der Regisseur auf ein homogenes Ensemble britischer Edelmimen zurückgreifen konnte.

    Oxford, 1923: Der Bürgerssohn und angehende Maler Charles Ryder (Matthew Goode, Match Point, Die Regeln der Gewalt, Watchmen) lernt als Studienanfänger an der Eliteuniversität den exzentrischen Adelsspross Sebastian Flyte (Ben Whishaw, Das Parfum, I'm Not There) kennen, der ihn alsbald in seinen Freundeskreis aus Künstlern und Dandys einführt. Schließlich lädt Sebastian Charles auch nach Brideshead ein, dem Herrensitz der Familie. Der Gast ist nicht nur von der Atmosphäre und dem Reichtum dort fasziniert, sondern erliegt auch dem Charme von Sebastians Schwester Julia (Haley Atwell, Cassandras Traum). Bei einer gemeinsamen Venedig-Reise der drei jungen Leute kommen sich Charles und Julia schließlich näher, worauf Sebastian eifersüchtig reagiert. Angesichts des strengen katholischen Regiments, das die Mutter Lady Marchmain (Emma Thompson) in Brideshead führt, scheint eine Verbindung Julias mit dem Atheisten Charles aber nicht in Frage zu kommen. Dennoch kreuzen sich die Wege der Flyte-Geschwister und des bürgerlichen Aufsteigers über viele Jahre immer wieder, ehe Charles als Offizier im Zweiten Weltkrieg ein weiteres Mal nach Brideshead kommt, wo die Truppen Lager beziehen.

    Evelyn Waugh erzählt in seinem Roman auf mehreren Ebenen von den tiefgreifenden Veränderungen in Großbritannien zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Der Fall des Adels und der Aufstieg des Bürgertums wird vom Verlust einer spezifischen Kultur, von althergebrachten Regeln und Umgangsformen begleitet. Waugh zeigt, wie die Bedeutung des Geldes gegenüber Titeln und Traditionen stetig wächst. Das übergreifende Thema ist für den Autor, der selber zum katholischen Glauben konvertierte, aber die Rolle Gottes in einer in den Worten Waughs „heidnischen Welt“. Sein Porträt der Marchmains ist eine differenzierte Darstellung der Situation der katholischen Minderheit in der britischen Oberschicht und zugleich eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Religion und Glauben. In der Verfilmung erscheint der Katholizismus dagegen als Ursache aller Probleme der Familie. Während etwa Lady Marchmain bei Waugh ein mit dem Glauben und Selbstqualen ringender Charakter ist, verleihen Emma Thompson (Was vom Tage übrig blieb, Sinn und Sinnlichkeit, Harry Potter und der Gefangene von Askaban) und Julian Jarrold ihr die Strenge einer dogmatischen Übermutter. Der Regisseur und seine beiden Autoren Jeremy Brock (Der letzte König von Schottland) und Andrew Davies (Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück) zeigen die Religion als in Ritualen erstarrt und inhaltslos, dieses „Wiedersehen mit Brideshead“ bekommt so eine anti-katholische Prägung. Schwerwiegender als diese etwas zweifelhafte, modern daherkommende Skepsis selbst sind allerdings die Auswirkungen auf die Dramaturgie des Films, die diese Haltung mit sich bringt. Viele Handlungen und Entwicklungen sind kaum nachvollziehbar, da ihre im Glauben wurzelnde Motivation unterbelichtet bleibt.

    „Wiedersehen mit Brideshead“ beginnt mit einer doppelten Rückblende, womit Julian Jarrold eine Komplexität suggeriert, die sein Film in der Folge kaum zu bieten hat. Wie im Roman ist Charles der Erzähler, paradoxerweise bleibt der Charakter aber seltsam undefiniert. Gegenüber den schillernden Flytes ist er ein farbloser Emporkömmling, von seinem Innenleben ist kaum etwas zu ahnen. Wenn er sich auf einen schalen Handel mit seinem Nebenbuhler Rex Mottram einlässt, ist das ein Verrat ohne Gewissen. Am überzeugendsten gelingen Matthew Goode noch die Ausdrücke des Staunens und Bewunderns angesichts der imposanten Kulisse Brideshead. Aber selbst in diesen Momenten steht er nur im Schatten, denn das luxuriöse Anwesen und seine prunkvolle Ausstattung sind der eigentliche Protagonist des Films. Jarrold lässt seinen Kameramann Jess Hall (Hot Fuzz) mit langen Fahrten durch die Gänge und Räume schwelgen, immer wieder wird der Blick von Details des Dekors gefangen genommen. Der etwas morbiden Atmosphäre innerhalb der Gemäuer steht die romantische Parklandschaft der Gärten wirkungsvoll gegenüber. Ortswechsel, die bis nach Marrakesch und Venedig führen, sorgen für weitere Schauwerte. In diesem Bilderbogen fügen sich Ben Whishaw und Haley Atwell als ausgesprochen hübsche Motive ein. Der schwärmerische und sich in den Alkohol flüchtende Sebastian wird dabei in einem weiteren Akt der Vereinfachung und Reduzierung ganz eindeutig mit den Attributen der Homosexualität versehen.

    Die Autoren stellen die Dreiecksgeschichte zwischen Charles, Sebastian und Julia eindeutig in den Mittelpunkt. In Abänderung der Vorlage reisen diese zu dritt nach Italien, mit dem eifersüchtig von Sebastian beobachteten Kuss zwischen seiner Schwester und seinem Freund als zentralem Wendepunkt. Diese Begegnung abseits des Trubels beim Karneval in Venedig ist exemplarisch für Jarrolds Zugriff auf den Stoff. Noch stärker als bei seinem vorigen Film Geliebte Jane, bei dem er dem Weg vom Erlebten zum Erzählten kaum ein Geheimnis zugestand, zieht der Regisseur der Komplexität des Stoffes trotz einiger aufgesetzter erzählerischer Kunstgriffe die Einfachheit der Seifenoper in Kostümen vor. Dem entspricht ein Stil, der auf Opulenz und Augenschmaus setzt. Bei dieser Ausrichtung mutet es ironisch an, dass Jarrold ausgerechnet mit einer seiner Hauptattraktionen den Vergleich mit der hochgelobten 11-teiligen Fernsehverfilmung von 1981 heraufbeschwört, in der Jeremy Irons Charles Ryder spielt, denn auch der Serie hat das Castle Howard in North Yorkshire als Kulisse für Brideshead gedient. Dieses „Wiedersehen in Brideshead“ ist also durchaus wörtlich zu nehmen. Wer weder die mit epischem Atem versehene TV-Arbeit noch den meisterlichen Roman kennt, wird noch am ehesten Gefallen an Jarrolds Light-Version finden.

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