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    TV-Premiere: Dämonen-Horror mit originellem Szenario – faszinierend minimalistisch & dabei extrem effektiv!
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Oliver Kube steht auf sog. "Elevated Horror", also auf Filme wie "Hereditary", "Der Leuchtturm" oder "The Witch". Zwischendurch darf es aber gern mal ein geradliniger Slasher, ein tougher Home-Invasion-Thriller, eine spaßige Zombie-Komödie oder ein blutiger Hai-Schocker sein.

    In „The Vigil - Die Totenwache“ verbringt ein Mann eine Nacht allein mit einer Leiche. Zumindest glaubt er das. Denn da ist noch etwas anderes im Raum, das seine Seele fressen will. Heute Abend läuft der ungewöhnliche Dämonen-Gruseler erstmals im TV.

    The Vigil - Die Totenwache“ ist ein faszinierender Mix aus perfidem Dämonen-Horror, Charakterdrama und Arthouse-Kino. Faszinierend nicht nur deshalb, weil die nicht wenigen Gruselmomente von Regisseur und Drehbuchautor Keith Thomas („Firestarter“) ebenso minimalistisch wie effizient umgesetzt wurden. Nebenher führt uns der Film nämlich noch auf clevere Weise in ein Milieu ein, das den meisten von uns fremd sein dürfte. Und das obwohl – zumindest in den großen Städten wie Hamburg, Berlin etc. – chassidische Gemeinden mitten unter uns existieren.

    „The Vigil - Die Totenwache“ läuft in der heutigen Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2023 um 0.15 Uhr auf RTL 2. Eine Wiederholung bietet der Sender nicht an und in einem der populären Streaming-Abos ist der Film aktuell ebenfalls nicht enthalten. So müsst ihr bei Verpassen des Ausstrahlungstermins leider ein wenig in die Tasche greifen, wenn ihr den FSK-16-Titel sehen wollt. Online-Händler wie Amazon halten „The Vigil“ auf Blu-ray oder DVD sowie als kostenpflichtiges Video-on-Demand parat:

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    "The Vigil - Die Totenwache" auf RTL 2: Das ist die Story

    Sein Leben lang war Yakov Ronen (Dave Davis) Mitglied einer ultraorthodoxen, jüdischen Gemeinde im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Nach einer traumatischen Erfahrung hat er sich jedoch vor einiger Zeit von seiner Glaubensgemeinschaft mehr und mehr abgewandt. Aktuell besucht er eine Selbsthilfegruppe, die aus weiteren Aussteigern besteht. Schließlich hat er keine Ahnung, wie er in der Welt außerhalb seines angestammten Viertels und dessen Sitten und Traditionen bestehen soll.

    Wie schreibe ich eine Job-Bewerbung? Wie komme ich an eine eigene Wohnung? Wie spreche ich eine Frau an, die mir gefällt? Das sind nur die dringendsten Fragen, auf die er als erwachsener Mann mit Ende 20 keine Antwort kennt. Zudem geht Yakov so langsam das Geld aus. Da kommt ihm das Angebot seines strenggläubigen Freundes Reb Shulem (Menashe Lustig) gerade recht. Für satte 400 Dollar soll er eine Nacht lang die Totenwache bei dem just verstorbenen Mr. Litvak (Ronald Cohen) übernehmen, dessen demente Witwe (Lynn Cohen) dies nicht selbst erledigen kann.

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    Nur ein paar Stunden herumsitzen und dafür 400 Dollar einstreichen? Das klingt für Yakov nach leicht verdientem Geld.

    Auch wenn er eigentlich nicht in die alte Umgebung zurückkehren will, freut sich Yakov über das scheinbar leicht verdiente Geld. Schließlich soll er nur für ein paar Stunden im Wohnzimmer des kleinen Hauses sitzen und dabei gelegentlich ein paar Psalme aufsagen. Doch hat Yakov seine Rechnung ohne einen bösartigen Dämon gemacht, der nach dem Tod seines bisherigen Wirtes nun dringend nach einem neuen Körper sucht, in den er einfahren kann …

    "The Vigil - Die Totenwache" ist ein spezieller Film

    Das Story-Potential innerhalb des Dämonen- und Besessenheits-Horrors war eigentlich bereits mit dem Erscheinen von Genre-Klassikern wie „Der Exorzist“ oder „Poltergeist“ weitgehend abgegrast. Dennoch kommen nahezu jeden Monat neue Titel dieses Sujets heraus – einige auf große Leinwände, die meisten direkt auf den Heimkino- oder Streaming-Markt.

    Vieles davon besteht leider aus relativ müdem, generischem Wiederkäuen bekannter Ideen und Klischees. Trotzdem gibt es immer mal wieder echte Highlights. Die sind entweder filmisch und erzählerisch brillant umgesetzt, wie beispielsweise der hervorragende „Conjuring - Die Heimsuchung“. Oder sie geben dem Ganzen einen frischen Dreh, indem sie die Genre-Regeln aufbrechen, den Fokus verschieben und uns ungewohnte Perspektiven präsentieren. Zu letzterer Kategorie gehören etwa „Hereditary“ oder auch „Paranormal Activity“.

    Genauso zählt „The Vigil“ unbedingt zu den positiv nennenswerten Exemplaren. Der Grund dafür sind die trotz kleinem Budget sehr ansprechende technische und inszenatorische Umsetzung als auch das originelle Szenario. Wie unsere gute 3,5 Sterne vergebende FILMSTARTS-Kritik bescheinigt, erfindet Regisseur Thomas das Dämonen-Horror-Rad hier natürlich nicht neu. Der Amerikaner setzt die erprobten Mechanismen aber derart gekonnt und stilsicher ein, dass sich das Publikum durchgehend wohlig gruselt.

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    Was „The Vigil“ aber, neben der bravourösen (Beinahe-)One-Man-Show von Hauptdarsteller Dave Davis („Emancipation“), wirklich von der zahlreichen Konkurrenz absetzt, ist das Setting. Denn im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit aller Titel dieser Art wird hier nicht mit Kruzifixen und der christlichen Bibel hantiert. Stattdessen hängen die Figuren allesamt dem Chassidismus, einer mystisch-konservativen Strömung innerhalb des Judentums an.

    Chassidische Traditionen wurden mit der Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten auf unserem Kontinent beinahe ausgelöscht. Nicht nur in Israel und den USA, sondern auch in diversen großen Städten Westeuropas wie London, Antwerpen, Zürich, Wien, Hamburg und Berlin konnte sich der Chassidismus jedoch im Laufe der letzten Dekaden erfolgreich reetablieren. Heute ist er aufgrund des starken Bevölkerungswachstums innerhalb der Gemeinden sogar wieder im Aufschwung, führt aber dennoch ein Dasein in bewusster, starker Abgrenzung vom Rest der Gesellschaft.

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    Yakovs Freund Reb weiß schon warum er den Totenwache-Job nicht selbst übernehmen will.

    Wie unsere oben verlinkte Kritik es passend beschreibt, begegnet „The Vigil“ den orthodoxen Gläubigen mit einer im Gruselbereich ungewöhnlichen Offenheit und Ambivalenz – sie sind hier weder die ultimativen Heilsbringer noch ist ihr strenger Glauben etwas, das sie zwingend als böse entlarvt. Diese Menschen sind einfach nur anders, mit ganz eigenen Ansichten sowie Wert- und Moralvorstellungen.

    Anders ist auch der Mazzik, der Dämon in „The Vigil“, der sich am Schmerz seiner Opfer labt. Dem Film gelingt es, mittels ihm einen Bogen von der beengten Wohnstube, in der Mr. Litvaks Leichnahm aufgebahrt ist, über die Schrecken des Holocaust bis hin zu antisemitischen Attacken in unserer heutigen Welt zu spannen. Auch hier wird wieder einmal klar, dass der effektivste Grusel schon immer aus realem Horror entsprang.

    „The Vigil“ ist ein sehenswerter, aber sicher kein einfacher, sondern ein in mehreren Belangen spezieller Film. Weshalb es kein Wunder ist, dass das mit wenig Geld gedrehte Projekt – trotz viel Kritikerlob und großem Erfolg auf Festivals – keine Welle von jüdisch-orthodox inspirierten Horror-Reißern auslöste. Dennoch gibt es zumindest einen interessanten weiteren Titel in diese Richtung: Der vor kurzem in den USA veröffentlichte „Abyzou“ erscheint bald auch bei uns fürs Heimkino. Die Publikums- und Pressereaktionen in Nordamerika lassen vermuten, dass der sich offenbar an Keith Thomas‘ Werk orientierende Film für Fans von „The Vigil“ durchaus lohnenswert sein könnte.

    Dämonen-Horror im Leichenschauhaus: Im atmosphärischen Trailer zu "Abyzou" trifft "Autopsy Of Jane Doe" auf "The Vigil"

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