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    Verschenktes Potenzial: "3 Body Problem" beweist einmal mehr das größte Netflix-Problem
    Julius Vietzen
    Julius Vietzen
    -Redakteur
    Egal, ob "Der Herr der Ringe", "Game Of Thrones" oder "Dune": Julius ist ein großer Fantasy- und Sci-Fi-Fan. Aktuell liest er die "Das Rad der Zeit"-Reihe.

    Für Julius Vietzen gehört „3 Body Problem“ jetzt schon zu den besten Serien des Jahres 2024. Das Problem ist nur: „3 Body Problem“ kann ihr Potenzial nicht ausschöpfen, weil das Binge-Modell dem Event-Charakter der Science-Fiction-Serie im Weg steht.

    3 Body Problem“ auf Netflix gefällt mir richtig gut. Die starken Bilder, die philosophisch-wissenschaftlichen Debatten, die grandiose Adaption der Buchvorlage durch die „Game Of Thrones“-Macher David Benioff und D.B. Weiss sowie Alexander Woo: Es ist mir sogar fast schon ein bisschen unheimlich, wie gut die Science-Fiction-Serie meinen Geschmack trifft. In diesem Artikel möchte ich also überhaupt nicht an „3 Body Problem“ herumnörgeln – nur an dem Veröffentlichungsmodell von Netflix.

    Denn dank „3 Body Problem“ ist mir in den letzten Wochen noch mal umso mehr klar geworden, dass ich die Idee mit dem sogenannten Binge-Watching für eine der größten Fehlentscheidung der Streaming-Ära halte.

    Sci-Fi auf "Game Of Thrones"-Niveau

    Natürlich habe ich es genossen, die insgesamt acht Folgen von „3 Body Problem“ in meinem ganz eigenen Tempo zu schauen, und auch mal mehrere Episoden an einem Abend wegzugucken. Doch ich bin mir hundertprozentig sicher: Wenn Netflix die einzelnen Folgen von „3 Body Problem“ im Wochentakt veröffentlicht hätte, wäre die Serie ein noch viel größeres Ereignis gewesen – nicht nur für mich, sondern auch für zahlreiche andere Fans.

    „Es waren jedes Mal wieder Wochen im Ausnahmezustand, Wochen der Anspannung und des sehnsüchtigen Wartens auf die jeweils nächste Folge, kurz: eine großartige Erfahrung.“ So habe ich vor mittlerweile vier Jahren (kann das wirklich schon so lange her sein?) in einem anderen Artikel zum Thema Bingen meine begeisterte Erfahrung mit den jeweiligen „Game Of Thrones“-Staffeln zusammengefasst. Genau diesen Ausnahmezustand hätte ich mir auch für „3 Body Problem“ gewünscht.

    Klar, nicht jede Serie ist groß und gut genug, um ein Publikum im Jahr 2024 Woche für Woche bei der Stange zu halten, egal ob bei Netflix, anderen Streamingdiensten oder selbst den US-Fernsehsendern. Bei vielen Serien bin ich sogar ehrlich gesagt ganz froh über das Binge-Modell.

    Doch es gibt eben auch immer wieder solche Event-Serien wie „Game Of Thrones“, die eine wöchentliche Veröffentlichung verdient hätten, schon alleine um einen größeren popkulturellen Eindruck zu hinterlassen. Und damit sind wir auch schon beim nächsten Grund, warum mich das Binge-Modell bei „3 Body Problem“ so sehr stört:

    "Shogun" macht es richtig!

    Parallel zu der Netflix-Sci-Fi-Serie schaue ich nämlich auch Shogun“, die Disney+ im Wochenrhythmus veröffentlicht und so ziemlich überall in Deutschland an Litfaßsäulen und Busstationen als „die neue Event-Serie“ anpreist – und das kann ich nur unterschreiben.

    „Shogun“ ist eine absolut herausragend geschriebene und gespielte Serie, die sich auf die klassischen Tugenden des seriellen Erzählens besinnt. Zu einem Event wird die Serie jedoch nicht dadurch, oder durch die bislang eher wenigen Blockbuster-Momente (Stichwort: Erdbeben), sondern eben vor allem durch das wöchentliche Sinnieren über die zurückliegende Folge und die Vorfreude auf die jeweils nächste Episode.

    Warum darf "3 Body Problem" kein Event sein?

    Die Dauerberichterstattung in den Medien, die Diskussionen im Netz, die Pausengespräche bei der Arbeit und auf dem Schulhof: All das gibt es bei „3 Body Problem“ nicht in demselben Ausmaß, weil natürlich alle in ihrem jeweils eigenen Tempo schauen.

    Dabei gäbe es hier in jeder Folge mehr als genug Momente, über die man ellenlange Artikel schreiben oder endlose Diskussionen führen könnte. Alleine die erste Folge: Wie hängt der Handlungsstrang im China der 60er Jahre mit dem im England der Gegenwart zusammen? Was ist das für ein golden glänzende VR-Brille? Und erst das Ende mit dem blinkenden Sternenhimmel!

    Netflix
    Der blinkende Himmel am Ende von "3 Body Problem" Folge 1. Was für ein Moment!

    Und in den kommenden Folgen geht es Schlag auf Schlag weiter: In Episode 2 geht es erstmals in die mysteriöse VR-Videospielwelt, bevor die Folge dann mit der Botschaft endet, die Ye Wenjie (Zine Tseng) an die San-Ti sendet: „Wir können uns nicht selbst retten“. In Episode 3 gibt es den Mord an Jack Rooney (John Bradley), in Episode 4 die Razzia bei den San-Ti-Sympathisanten. Und man stelle sich nur vor, wie das blutige Nanofaser-Gemetzel in Episode 5 eingeschlagen hätte, wenn die Folge eine ganze Woche für sich gehabt hätte!

    Jede dieser Folgen, jede dieser Szenen hätte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt, als es beim individuellen Bingen möglich ist, bei diesem „schnellen, billigen Rausch“, wie ich es in dem Artikel von vor vier Jahren formuliert habe.

    Wird sich Netflix jemals ändern?

    Bleibt noch die Frage, ob Netflix jemals von dem Binge-Modell abrücken wird, so wie es etwa die Netflix-Konkurrenten Disney und Amazon in den letzten Jahren getan haben. Womöglich ist der Name Netflix zu sehr mit dem Konzept Bingen verbunden. Doch immerhin ist der Streamingdienst mehr und mehr dazu übergegangen, neue Staffeln von großen, prestigeträchtigen Serien in zwei oder mehr Teilen zu veröffentlichen (von „Stranger Things“ bis „The Witcher“).

    Womöglich der erste, vorsichtige Schritt in Richtung einer wöchentlichen Veröffentlichung von solchen großen Netflix-Produktionen. Für mich steht fest: Es wäre auf jeden Fall der richtige Weg.

    "3 Body Problem" bleibt auf Netflix hinter den Erwartungen zurück – dafür bahnt sich für 2 Fantasy-Produktionen ein Megaerfolg an

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