Steven Spielberg nahm sich im Jahre 1993 der Biographie Oskar Schindlers an. Basierend auf dem 1982 veröffentlichten Roman „Schindler’s Ark“ von Thomas Keneally schuf der Regisseur das wohl beste und eindringlichste filmische Werk zur Holocaustthematik. Die wahre Geschichte des Nationalsozialisten Schindler, der über 1200 Menschenleben vor dem sicheren Tode im Konzentrationslager Auschwitz rettete, wurde zu Recht 1994 für zwölf Oscars nominiert und letztendlich mit sieben der begehrtesten Filmpreise bedacht, darunter auch die Academy Awards für den besten Film und die beste Regie.
Im Jahre 1939 geht der Geschäftsmann Oskar Schindler (Liam Neeson) nach Krakau. Mit einem guten Geschäftssinn ausgestattet, zeigt er trotz seiner geringen finanziellen Mittel Interesse an der ortsansässigen Emailfabrik. Mit Hilfe jüdischen Kapitals kann er die enteignete Fabrik erwerben und seine Idee, Feldgeschirr für den sich anbahnenden Krieg zu entwickeln, verwirklichen. Um seinen Profit zu maximieren, setzt er äußerst preiswerte jüdische Arbeitskräfte aus dem Krakauer Getto ein, die ihm auf Grund der kriegswichtigen Güter, die seine Fabrik produziert, zugestanden werden. Schindler versteht es, zu repräsentieren und Geschäftskontakte zu knüpfen, ist aber in Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben auf seinen versierten Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley) angewiesen. In Kooperation ihrer Talente entwickelt sich die Emailfabrik zu einem florierenden Unternehmen, welches immer mehr Arbeitskräfte benötigt. Stern, dem in Personalfragen freie Hand gelassen wird, nutzt dies um möglichst viele Juden, zumeist denen, die aufgrund ihrer akademischen oder künstlerischen Vergangenheit oder einer Behinderung für die Industriearbeit nicht in Frage kämen, einen Arbeitsplatz in der Fabrik zu verschaffen. 1943 werden die Überlebenden des Krakauer Gettos in das Arbeitslager Krakau- Plaszów überführt. Hier erlebt Schindler mit, wie die Insassen auf unmenschliche Art und Weise behandelt werden, wie Wachsoldaten willkürlich Menschen erschießen. Als auch dieses Lager geschlossen und die noch lebenden Juden zur Liquidierung nach Auschwitz gebracht werden sollen, ist Schindler entschlossen, dies zu verhindern.
Steven Spielberg ist mit „Schindlers Liste“ ein Meisterwerk gegen das Vergessen gelungen. Klischees und Schwarz-Weiß-Malerei, die oftmals mit dieser Thematik einhergehen, werden vermieden, die Judenverfolgung wird realitätsnah wiedergegeben. Oskar Schindler wird nicht als unschuldiger, herzensguter Mensch glorifiziert. Er ist zwar von Beginn an kein Verfechter der nationalsozialistischen Ideologien, stellt die Juden aber nicht aus Menschlichkeit, sondern aus Rentabilitätsgründen ein. Das Streben nach Geld und Einfluss treibt ihn an, er ist der Völlerei nicht abgeneigt und hält sich in keinster Weise an den ehelichen Treueschwur. Für seine Arbeiter und ihre prekäre Situation interessiert er sich herzlich wenig. Erst nach und nach werden ihm die Augen geöffnet, versucht er sich für einzelne Juden einzusetzen. Schließlich kann er das Elend der jüdischen Zwangsarbeiter nicht mehr tatenlos mit ansehen. Liam Neeson versteht es, den Wandlungsprozess des Oskar Schindler glaubwürdig darzustellen. Er haucht der Person des anfangs profitgierigen Geschäftsmannes Leben ein und weiß voll und ganz zu überzeugen. So wie auch Ben Kingsley, als zurückhaltender, gerissener Buchhalter, und Ralph Fiennes, als unberechenbarer, tyrannischer Gettoaufseher, der sich seine Liebe zu einer jüdischen Bediensteten auf Grund seiner ideologischen Überzeugung nicht eingestehen kann und will, hervorragende Leistungen an den Tag legen. Die Musik von John Williams, die sowohl aus orchestralen Kompositionen als auch aus hebräischen Volksweisen besteht, unterstreicht die beklemmende Stimmung und ist äußerst gelungen. Zu erwähnen ist auch, dass „Schindlers Liste“ in schwarz-weiß gedreht wurde - mit Ausnahme des Abspanns, indem die heute noch lebenden Schindlerjuden zusammen mit den Darstellern am Grab Oskar Schindlers vorübergehen, je einer Kerze zu Beginn und am Ende des Filmes und dem roten Mantel eines kleinen Mädchens. Dieser Tatsache ist zu verdanken, dass der Film einen so realen und authentischen Eindruck macht. Die filmischen Bilder wirken nicht fiktiv, sondern scheinen, wie die zeitgenössischen Photographien, Zeugnisse dieser Zeit zu sein. Der Einsatz von Farbe ist stets durchdacht. In den ersten Minuten kann der Zuschauer sehen, wie eine Kerze ausgelöscht wird. Zeitlich soll diese Szene wohl im Frühjahr 1939 ein zu ordnen sein, als die deutsche Wehrmacht Polen überfiel und somit gegen geltendes Völkerrecht verstieß. Hier begann für die Juden ein neues Zeitalter der Verfolgung und Vernichtung. Ungefähr in der Mitte des Films ist ein Mädchen mit rotem Mantel auf einem Leichenkarren zu sehen, welches den Höhepunkt der Shoa symbolisiert. Zum Ende wird mit dem Anzünden einer Kerze das wohl schlimmste Kapitel in der Geschichte der Juden ausgeläutet in der Hoffnung, dass sich die Ereignisse nie wiederholen mögen.
„Schindlers Liste“ sollte von jedem gesehen werden, der sich mit der Judenvernichtung im Dritten Reich befasst, denn Steven Spielberg schafft es, dass schwere Schicksal der Verfolgten und Gepeinigten visuell glaubhaft einzufangen und für den Zuschauer annähernd begreiflich zu machen. Ein Film, der propagiert, dass Moral und Anstand nie zu hohlen Worten verkommen dürfen, und dass die menschliche Würde unantastbar sein und bleiben muss.