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    Horror-Trip auf Disney+: Ein viel zu unterschätztes Meisterwerk
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Pascal liebt das Kino von „Vertigo“ bis „Daniel, der Zauberer“. Allergisch reagiert er allerdings auf Jump Scares, Popcornraschler und den Irrglauben, „Joker“ wäre gelungen.

    Wenn man über die großen Meisterwerke im Schaffen von Leonardo DiCaprio spricht, wird ein Titel gerne übergangen: „The Beach“. Die gallige Fernweh-Abrechnung, die im Disney+-Abo zur Verfügung steht, ist ein maßlos unterschätzter Geniestreich.

    Es gibt doch nichts Schöneres, als das Heimatland zu verlassen, um die Seele an einem entlegenen Traumstrand baumeln zu lassen, oder? Nun, nachdem man sich „The Beach“ von Oscar-Gewinner Danny Boyle zu Gemüte geführt hat, hinterfragt man seine Urlaubssehnsüchte vielleicht noch einmal grundlegend. Den Film könnt ihr euch im Abo von Disney+ anschauen:

    Kaum ein anderer Film hat so provokant auf den Punkt bringen können, warum der selbstbetrunkene (Rucksack-)Tourismus unserer Zeit so ätzend ist. Nach „The Beach“ wird man sich jedenfalls zweimal überlegen, ob man als Backpacker mit stolzgeschwellter Brust durch die Welt ziehen möchte, um unbedingt etwas Neues zu erleben. Letztlich ist man nämlich niemals eins mit seinem Reiseziel, sondern nur mit der All-Inclusive-Ferienanlage, die man gebucht hat.

    Auf in die Welt: Darum geht es in "The Beach"

    Während seiner Thailand-Reise macht Richard (Leonardo DiCaprio) ungewollt die Bekanntschaft des psychisch ramponierten Daffy (Robert Carlyle). Dieser gibt ihm vor seinem Selbstmord eine Karte, die Richard geradewegs in ein verborgenes Strandparadies führen soll. Natürlich gibt es von nun an nur ein Ziel für den jungen Mann: Er muss diesen magischen Ort finden!

    Zusammen mit Etienne (Guillaume Canet) und Francoise (Virginie Ledoyen), die Richard kurz zuvor kennengelernt hat, macht er sich auf, der Karte zu folgen und kommt nach einer abenteuerlichen Reise tatsächlich ans Ziel. Der Strand, zu schön, um wahr zu sein, wird von einer Kommune bevölkert, die alles tut, das Paradies geheim zu halten. Die überwältigende Naturkulisse wird bald von ernsthaften Spannungen heimgesucht…

    Was „The Beach“ so grandios macht, ist mit welcher bissigen Entschiedenheit Danny Boyle Richard und seine Gefährten dekonstruiert. Alle sind sie nach Bangkok gereist, weil sie fest daran glaubten, die Identität dieses Landes in Windeseile in sich aufnehmen zu können. Anstatt sich aber mit der Fremde wirklich zu verwurzeln, werden sie auf brutale Art und Weise mit ihrer eigenen Vermessenheit konfrontiert.

    Du bist nicht exklusiv, wenn du die Kontrolle behältst

    Natürlich befindet sich vor allem Richard im Fadenkreuz der Entlarvung. Er ist es, der ein echtes Abenteuer erleben möchte, dieses aber nur bis zu dem Grad genießen kann, wo seine eigene Kontrolle noch erkennbar ist. In einer Aussteigerkommune zu leben, bedeutet aber eben nicht nur, von morgens bis abends im türkisfarbenen Wasser einer von Klippen umschlossenen Lagune zu plantschen. Es bedeutet auch, bereit für die Selbstaufgabe zu sein.

    Danny Boyle scheint dem Zuschauer dabei immer wieder direkt in die Augen zu blicken, wenn die bisweilen fast schon experimentelle Montagetechnik an Eigendynamik gewinnt und Postkartenmotiv an Postkartenmotiv reiht: Genau das ist doch, wovon du in deinem langweiligen Alltag träumst, oder? Genau hier wartet der innere Frieden auf dich, oder? Nicht wirklich. Wer Sehnsuchtsvorstellungen folgt, muss dafür die Konsequenzen tragen.

    Dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die echte, ungebundene Freiheit erlangen können, versteht sich von selbst. Wer ist schon in der Lage, den Mut aufzubringen, sich komplett abzusetzen und alles, woran er jemals gebunden war, vollständig loszulassen? Das ist auch nicht das Problem. Das Problem sind vielmehr Menschen wie Richard, die in jedem zweiten Satz von Unabhängigkeit sprechen, die Realität aber nicht im Ansatz ertragen.

    Wer träumt, muss auch mit dem Aufwachen rechnen

    Der deutsche Filmkritiker Sascha Westphal bezeichnete The Beach“ einst als „das ‚Apocalypse Now‘ unserer Zeit“. Ein interessanter, etwas überspannter, aber nicht gänzlich verkehrter Vergleich. Auch Richard reist in seine eigene Hölle und muss dem Abgrund in die Augen blicken. Nur, dass er sich diesem nicht hingeben kann und ein verträumter Blender bleibt. Die Monotonie, die er in seinem Leben zu bekämpfen versucht hat, entwächst ihm selbst.

    Bemerkt? Dieses Jon-Snow-Easter-Egg in "Game Of Thrones" Staffel 7 spielt ausgerechnet auf einen Animationsfilm an!

    Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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