Einer der besten FSK-18-Filme der Geschichte kehrt ins Heimkino zurück – zwischen Sex, Betrug & Gier nach Menschenfleisch

Kunstfilm mal ganz derb: In den USA erschien „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ zunächst ohne Altersfreigabe, da der Verleih nicht mit der Entscheidung der Jugendschutzbehörde einverstanden war. In Südkorea wurde er um mehr als 20 Minuten Laufzeit gekürzt und in Großbritannien stieß er hitzige Diskussionen los. In Deutschland kam das Highlight unter den kompromisslosen Rachefilmen vergleichsweise glimpflich davon – die FSK erteilte ihm uncut eine Freigabe ab 18 Jahren.

Doch trotz begeisterter Kritiken ist der Film noch immer relativ unbekannt. Am 3. November 2023 erhält „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ eine Blu-ray-Neuauflage – und vielleicht verhilft sie ihm zu neuen Fans!

Bereits im Sommer 2022 erschien Peter Greenaways viel diskutierte Regiearbeit als Blu-ray in Standardverpackung, allerdings war die Auflage überraschend zügig vergriffen. Liebhaber*innen des Films und alle, die nun neugierig auf ihn geworden sind, sollten also vielleicht nicht zu lange zögern, wenn sie ihn noch nicht in ihrer Sammlung haben. Wer weiß, wie rasch diese Auflage von kaufwütigen Filmfans verputzt wird?!

"Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber": Langer Titel, einfach genial

Albert Spica (Michael Gambon) ist ein ruchloser Gangster, der denkt, er hätte einen erlesenen Geschmack: Allabendlich diniert er mit seinen Komplizen im Gourmetrestaurant „Le Hollandais“, wo er, feinem Zwirn zum Trotz, ständig den Rüpel raushängen lässt, die gastronomische Kunst des Kochs (Richard Bohringer) mit Füßen tritt und seine belesene Frau Georgina (Helen Mirren) demütigt. Die flieht sich in eine passionierte Affäre mit Stammgast Michael (Alan Howard). Als sich Michaels und Georginas Intermezzo herumspricht, verlangt Albert von seinen Leuten, den Liebhaber seiner Frau zu schnappen und zu töten, damit er ihn wortwörtlich verschlingen kann...

Hinreißende, exzentrische sowie verführerische Kostüme von Jean-Paul Gaultier. Eine genauso hintersinnige wie berührend umgesetzte Geschichte. Ein großartiges Ensemble, zu dem außerdem Tarantino- und Marvel-Veteran Tim Roth zählt, das sich völlig der von Regisseur Peter Greenaway angestrebten Theatralik hingibt und seinen Figuren trotzdem Glaubwürdigkeit verleiht. Und atemberaubende, farblich koordinierte, filigran ausgestattete Sets, die sich bitter-kunstvoll mit der Härte des Gezeigten und der angedeuteten Widerlichkeiten reiben:

„Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ ist aus gutem Grund im Standardwerk „1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist“ zu finden – sowie im redaktionsinternen FILMSTARTS-Ranking der besten FSK-18-Filme aller Zeiten.

Lasst euch jedoch nicht von der hohen Freigabe und Albert Spicas Androhung, zum Kannibalen zu werden, in die Irre führen: „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ ist kein ruheloser Gangster-Rachethriller, sondern eine einzigartige, stilvolle Dramödie über Gewissenlosigkeit, Gräueltaten und Ungerechtigkeit. Greenaway erzählt mit Sex, Gewalt und der von den Figuren ausgelebten Geschmacklosigkeit von gesellschaftlichen Missständen. Oft wurde sein Film als konkrete Reaktion auf die Thatcher-Politik gedeutet, die in Großbritannien zu zahlreichen Deregulierungen führte – jedoch hat Greenaways Werk seither nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Doch auch ohne sich in Interpretationen zu verlieren, weiß „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ aufgrund seiner fabelhaften Optik und seinem fies-trockenen Humor köstlich zu unterhalten. Und wenn sich nach und nach abzeichnet, wer hier wie einen Rachefeldzug auskosten darf, kann es gut passieren, dass euch diese prunkvolle Kritik an maßloser Gier zu einem derart diebischen Grinsen verführt, dass dem im Titel erwähnten Dieb vor lauter Neid glatt der Appetit vergeht!

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Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.